2. Anwender

Landläufig wird ein Anwender definiert als ein Computerperipheriegerät, das versucht, mit völlig unzureichender Hardware und einem unverständlichen Programm ein Problem zu lösen, das ohne Computer in der halben Zeit lösbar wäre. Diese Begriffsbestimmung ist jedoch höchst ungenau und oberflächlich. Tatsächlich ist ein Anwender ein Computerperipheriegerät, das versucht, mit völlig unzureichender Hardware und einem unverständlichen Program ein Problem zu lösen, das es ohne Computer gar nicht geben würde.

Diese Aufgabe wird dem Anwender erleichtert durch

  • eine deutsche Programmversion
  • eine benutzerfreundliche Hardware sowie
  • mehrere umfangreichere, einander widersprechende Dokumentationen.

Eine deutsche Programmversion besteht dabei in der Regel aus einem schlecht übersetzten Handbuch, aus verstümmelten deutschen Systemmeldungen und englischen Befehlen.

Unter Benutzerfreunlichkeit ist das entgegenkommende höfliche und duldsame Verhalten des Anwenders gegenüber dem patzigen, rätselhaften und unflexiblen Verhalten von Hard- und Software zu verstehen. Bestimmung des Anwenders ist es dabei nicht, Lösungswege zu entwickeln, sondern in erster Linie, herauszufinden, warum Programm und Hardware etwas anderes tun als das, was in den jeweiligen Dokumentationen geschildert ist.

Trotz der allgemeinen Gültigkeit vom Murphys Computergesetzen ist es für Anwender nicht generell unmöglich, die verschlungenen Wege von Hard- und Software zu enträtseln. Daß dies in der Geschichte der Computer noch niemandem gelungen ist, ist dabei keine endgültige Widerlegung dieses Satzes.

Obwohl es schwierig ist, Murphys Computergesetz aus der Sicht des Anwenders zu schildern (schließlich ist ein Anwender das im Grunde völlig überflüssige Glied der Kette Entwickler – Programmierer – Hersteller – Anwender – Reparaturdienst – Computerschrotthändler), soll auf den folgenden Seiten der Versuch dazu unternommen werden. Auch wenn sich Entwickler, Prgrammierer und Hersteller seit Jahren darüber einig sind, daß ihr Leben ohne Anwender sehr viel leichter wäre.

Namhafte Hersteller sind deswegen mit wachsendem Erfolg seit geraumer Zeit dazu übergegangen, ihre Hard- und Software entwickeln zu lassen, ohne auf dieses fehlerbehaftete Kettenglied Rücksicht zu nehmen.

Erster Grundsatz der Computeranwendung:

Wenn etwas schiefgeht, weißt Du nur, daß Du eine ungerade Zahl von Fehlern gemacht hast.

Zweiter Grundsatz der Computeranwendung:

Die Fehlerzahl n in einem beliebigen Computersystem beziehungsweise einem beliebigen Programmpaket ist nach folgender Formel exakt zu berechnen:

n > a
wobei a eine beliebig gewählte Zahl ist.

Dritter Grundsatz der Computeranwendung:

Geht nichts schief, ist die Fehleranzahl größer
n + 1.

Vierter Grundsatz der Computeranwendung:

Wenn nichts mehr funktioniert, lies endlich die Gebrauchsanwendung.

Axiom von der Problemvermehrung:

In jedem großen Problem steckt ein kleines, das gerne raus will.

Schainkers Umkehrung:

In jedem kleinen Problem steckt ein großes, das gerne raus will.

Joachims Stoßseufzer:

Auch wo überhaupt kein Problem ist, steckt ein großes, das gerne raus will.

Gesetz von der statistischen Logik der Softwarehersteller:

80 Prozent der Benutzer setzen laut Marktuntersuchungen nur 20 Prozent der Funktionen ein.

Erste logische Ableitung:

20 Prozent der Benutzer benötigen die 80 Prozent der Funktionen, die ihr Programm nicht besitzt.

Zweite logische Ableitung:

Du gehörst mit hundertprozentiger Sicherheit zu diesen 20 Prozent.

Verdeutlichung:

Ein Programmierer wäre der letzte, der sein Programm auch anwendet.

Lehrsatz vom Programmnutzen:

Das was Du mit einem Programm machen willst,

  • steht nicht im Handbuch
  • wird erst im Update des Handbuchs erklärt
  • wird erst in der nächsten Version des Programms implementiert.

Gesetz von der Kosten- und Zeitmaximierung:

Jeder eilige Programmierauftrag kostet mehr und dauert länger.

Erweiterung:

Jedes Programm kostet mehr und braucht länger – bei jedem Durchlauf.

Die vier Programmgrundlagen:

  1. Jedes Programm, das fehlerfrei läuft, ist veraltet.
  2. Jedes nützliche Programm wird geändert.
  3. Jedes unsinnige Feature wird sofort dokumentiert
  4. Jeder Fehler wird sofort als neue Funktion eingebaut.

Verallgemeinerung:

Wenn Du irgend etwas verstanden hast, ist es veraltet.

Gesetze vom Computerkauf:

  1. Angaben des Herstellers über die Leistung sollten mit dem Faktor 0.5 multipliziert werden.
  2. Ansprüche der Anwender über die Leistung werden mit dem Faktor 0.25 multipliziert.
  3. Mitgelieferte Handbücher und Systemdisketten werden sofort in der Poststelle abgelegt und bleiben dort unauffindbar.
  4. Wenn Du nach langem Suchen endlich einen Computer gekauft hast, wird er in der nächsten Woche um die Hälfte billiger werden. Alternativ erscheint ein Modell, das zum gleichen Preis die doppelte Leistung bietet.

Ableitung zur Garantie:

  1. Garantieleistungen werden durch die Zahlung der Rechnung ungültig.
  2. Eine 180-Tage-Garantie garantiert nur eines: daß sich das Gerät am 181. Tag selbst zerstört.

Axiom von der Vegeblichkeit der Fehlerbehebung:

Wenn Du Deinen Work-around für einen Programmfehler fertiggestellt hast, erscheint die neue Version, in der der Fehler behoben ist.

Axiom von der Vergeblichkeit der Speichererweiterung:

Der Hauptspeicher jedes Computers ist zu klein. Erweiterst Du Dein System, erscheint die neue Version deines Programms, die mindestens 10 Kbyte mehr Speicher braucht, als Du nach der Erweiterung zur Verfügung hast.

Das erste Grafsche Messegesetz (auch als »München-Hannover-Parallelen« bekannt):

Zwei aufeinanderfolgende Termine auf einer Computermesse finden in der maximal möglichen Entfernung statt.

Ableitung 1:

Zwischen den beiden Orten verkehrt niemals ein Messebus.

Ausnahme:

Zwei aufeinanderfolgende Termine finden am selben Ort statt, wenn man dazwischen dringend an einen Ort gehen muß, der in der maximal möglichen Entfernung davon liegt.

Ableitung 2:

Wenn man sich auf dem Weg vom einen zum an-deren Ort befindet, trifft man unweigerlich einen als Vielredner berühmten Geschäftspartner.

Ableitung 3:

Die beiden interessantesten Vorführungen der Messe finden immer zur gleichen Zeit in unterschiedlichen Hallen statt.

Das zweite Grafsche Messegesetz:

Du wirst niemals pünktlich zu einem Termin kommen.

Erweiterung zum zweiten Grafschen Messegesetz:

  1. Kommst Du zu früh, hat der Gesprächspartner ohne Dein Wissen den Termin abgesagt.
  2. Wenn Du Dich fast umbringst, um rechtzeitig da zu sein, mußt Du ewig warten.
  3. Kommst Du zu spät, kommst Du zu spät.

Das dritte Grafsche Messegesetz:

Der Hersteller, wegen dem Du die Messe vor allem besuchst, hat so kurzfristig vorher abgesagt, daß der Katalog nicht mehr geändert werden konnte.

Ausnahme vom dritten Grafschen Messegesetz:

Der Hersteller ist dann vertreten, wenn er das Dich interessierende Produkt nicht ausstellt oder der einzig kompetente Mitarbeiter vor Messebeginn krank geworden ist.

Axiom der Fehleroptimierung:

Wenn ein Programm bei Dir fehlerfrei läuft, mach Dir keine Sorgen. Es wird vorbeigehen.

Folgerungen aus dem Axiom der Fehleroptimierung:

  1. Wenn es nicht mehr schlimmer werden kann, wird es schlimmer.
  2. Wenn Du glaubst, der Fehler sei behoben, und das Programm läuft wieder, hast Du etwas übersehen.
  3. Wenn eine Kette von Ereignissen schiefgehen kann, wird es in der schlimmstmöglichen Reihenfolge geschehen.
  4. Wenn es schlimm gewesen ist, wird es noch mal passieren.
  5. Wenn das Schlimmstmögliche eingetreten ist, ist es jemandem den Du kennst, erst vor kurzem passiert – nur alles viel schlimmer.

Erkenntnis über Computerverlage:

Computerverlage produzieren Computerbücher, um darin das zu erklären, was Du in Computerzeitschriften nicht verstanden hast. Computerzeitschriften werden aus dem umgekehrten Grund produziert.

Konsequente Folgerung aus der Computerverlags-Erkenntnis:

Du verstehst weder das eine noch das andere.

Das dreifache Gesetz vom Testbericht in Computerzeitschriften:

  1. Der Testbericht über das Dich interessierende Programm erscheint eine Woche, nachdem Du es gekauft hast.
  2. Das von Dir gekaufte Programm hat immer die schlechtestmögliche Bewertung.
  3. Das Programm, das Du fast gekauft hättest, hat die bestmögliche Bewertung.

Die zwölf Beratungs-Trugschlüsse für den leichtgläubigen Käufer (auch das »Was-der-Verkäufer-auf-kritische-Fragen-sagt-Gesetz« genannt):

  1. »Das funktionierte gestern noch.«
  2. »Der Rechner, auf dem das läuft, wurde vor zehn Minuten verkauft.«
  3. »Dieser Programmteil ist jetzt zufäligerweise nicht auf dieser Festplatte.«
  4. »Dieses Problem können Sie leicht umgehen, wenn Sie den Arbeitsablauf in Ihrem Betrieb ein wenig umstrukturieren.«
  5. »Ich habe mich erst vor zwei Tagen in das Programm eingearbeitet.«
  6. »Selbstverständlich ist das erweiterbar. Das haben wir schon dutzende Male gemacht.«
  7. »Unser Spezialist dafür hat zur Zeit Urlaub.«
  8. »Wir haben nur die Vorführversion des Programms, die neue Version ist aber unterwegs.«
  9. »Wir haben nur die Vorführversion des Programms, die neue Version ist aber fehlerfrei.«
  10. »Wenn Sie das Programm/den Computer/das Peripheriegerät erst mal ein paar Wochen in Ihrer Firma haben, dann erledigen sich Ihre Fragen von selbst.«
  11. »Selbstverständlich haben wir eine Supportabteilung.«
  12. »Nein, zu diesem Preis kommen keine weiteren Kosten hinzu.«