Operation Russland
Artikel aus 'russland.RU - die Internet-Zeitung' vom 7.12.2006
„Unakzeptable Kampagne!“ schimpfte Außenminister Sergei Lawrow über die „aufgebauschte“ Russlandkritik der letzten Tage. Der britische Botschafter Anthony Brenton hielt dagegen: "Im Namen der britischen Regierung erkläre ich, dass es keine antirussische Kampagne gibt."
Letztere Behauptung widerlegt die britische Presse. „Guardian“ und „Financial Times“ berichten ausführlich über das Netzwerk hinter den PR-Agenturen „Chime Communications“ und „Bell Pottinger Group“. Deren Chefstratege für Kampagnen ist Timothy Bell alias Baron Bell alias Lord Bell.
Tim gehört zu den besten Öffentlichkeitsarbeitern Großbritanniens – manche sprechen auch vom besten PR-Profi im Vereinigten Königreich. Der ehemalige Managing Direktor von „Saatchi and Saatchi” kennt Russland gut - er arbeitete bereits für Ex-Präsident Jeltsin. Timothy’s „Bell Pottinger Group“ betreute russische Firmen wie „Eural Trans Gas“, „Sibir Energy“, „Sowcomflot“ und „Urals Energy“.
„Sie (die übergeordnete PR-Agentur „Chime Communications“) soll Verbindungen zu dem im britischen Exil lebenden russischen Oligarchen Boris Beresowski haben“, schreibt ein Bearbeiter der deutschen Wikipedia übervorsichtig.
Tim Bell und Boris sind seit Jahren eng verbandelt – durch Beresowskis Menschenrechtsorganisation “Civil Liberties Foundation”. Man kennt sich in London: Sascha Litwinenko, Alex Goldfarb, Andrei Nekrasow und David Satter.
Wer von den beiden Hauptfiguren auf die fulminante Idee gekommen ist, das Bild des sterbenden Strahlenopfers auf chirurgischem Grün in den globalen Medien zu lancieren, spielt keine Rolle – einer wird die Idee ausgeführt und der andere wird sie bezahlt haben. Am 11. November sprach Litwinenko erstmalig mit der „BBC“ über seine vermutliche Vergiftung. In den Tagen darauf folgte eine perfekt inszenierte Kampagne um das Bild des edlen Kranken. Wir machen das “all for free” und “willingly”, zitierten die Medien den Lord.
Bell, der für Margaret Thatcher drei erfolgreiche Wahlkampagnen bestritt, und dafür auf der Insel berühmt wurde - auch wegen seiner „verheerenden Attacken” auf die Labour Party - zählt hochkarätige Klienten wie den Verleger Rupert Murdoch und den Sultan von Brunei zu seinen Kunden. Jüngst beriet der agile 65jährige Meinungsmacher die irakische Regierung in "promotion of democracy".
Nach der spektakulären Erkrankung bot „Bell Pottinger“ den Verwandten und dem Sprecher von Litwinenko, Alex Goldfarb, Beratungsdienste an. Alles in Absprache mit Freund Boris Beresowski, der sich seit 2003 Platon Jelenin nennt.
Der aus London heraus agierende Gegenspieler Putins berichtete im Januar dieses Jahrs der „Agence France Presse“ (AFP) sinngemäß: Präsident Putin verletzt die Verfassung; das rechtfertigt Gewaltaktionen der Opposition „und das schließt “takingpower by force” ein. “Das ist genau das, woran ich arbeite.“ Seit Herbst 2004 bereiten wir vor, „to take power by force in Russia“.
Tim Bell schließt irgendeine Verbindung seines Freundes Boris - seit einigen Jahren Geschäftspartner von Neil Bush, dem jüngeren Bruder des amerikanischen Präsidenten - mit dem aktuellen Versuch, Putin zu beschämen, aus. Die Idee sei „potty” – banal, verrückt, plemplem - beteuerte er gegenüber der „Financial Times“.
Der „Guardian“ schrieb, “diese PR-Kampagne wurde ersonnen, um die russische Regierung zu diskreditieren, und von Boris Berezovski bezahlt“. Ein Neil Clark geht in der gleichen Zeitung noch weiter. Der medial inszenierte Strahlentod werde von „neocons“ genutzt, eine zwischen Europa und USA ausgeheckte "anti-Russian campaign“ weiter zu befeuern.
Man muss das Scharmützel nicht übertreiben. Fakt ist, dass ein „veritabler public-relations-tsunami“ die alten Machtblöcke überschwemmte. Dessen Kern hat der Dokumentarfilmer Andrei Nekrassow frei gelegt, als er am Bett seines sterbenden Freundes notierte: „Eins ist sicher, unschuldige Menschen, couragierte und ehrenhafte Menschen werden auch weiterhin ermordet“ - continue to be murdered -, schrieb er am 26. November für die finnische Tageszeitung „Helsingin Sanomat“.
Russlands Außenminister Lawrow hatte, was Kampagnen betrifft, Recht, als er die britische Außenministerin Margaret Beckett zu überzeugen versuchte, Spekulationen zu vermeiden. Es ist völlig klar, dass es im Fall Litwinenko eine Kampagne gab und gibt, die gerade die Beziehungen zwischen England und Russland vergiftet – nicht nur die dieser beiden Länder, denn der Fall weitet sich aus. Italien, Ukraine, Schweiz, China, USA, Al Qaida, Iran ... die Verkäufer von Spektrometern für Alpha-Strahlung sehen rosigen Zeiten entgegen.
Lawrow irrt, wenn er der Angelegenheit die Politisierung entziehen will. Dank der „Poloniumisierung“ des Globus strahlt uns ein neues Wissen von Körpergiften an. Litwinenko war nicht der Erste, der an Polonium 210 verstarb. Er war vielleicht der „Schnellste“, aber Hunderte, wenn nicht Tausende starben schneller wegen schleichender Vergiftung mit Polonium 210 - in Luft und Wasser, Tabak inklusive.
Der konservativ orchestrierte PR-Tod ist ein Politikum und wird als solches in die Geschichte eingehen. Derzeit ist der Fall nicht einzudämmen, es besteht auch noch überhaupt kein Grund dazu – noch nicht. Wer, wie Sergei Lawrow, schon vor der Untersuchung abwiegelt, begibt sich leichtfertig ins Abseits der „Kampagnen-Diplomatie“, um mal den hässlichen Lukaschenko-Begriff „Informationskrieg“ zu beschönigen.
Am schlüssigsten formulierte das aktuelle Geschehen der US-Russlandexperte David Satter am 27. November in einem Artikel „Who Killed Alexander Litvinenko?“ im „Wall Street Journal“.
„Der Westen muss beim Finden der Killer auf der Kooperation des FSB bestehen. Wenn es dabei nicht vorangeht, sollte man davon ausgehen, dass der Mörder Litwinenkos auf Order des Russischen Regimes handelte.
Unter solchen Umständen sollte Russland nicht nur von der G-8 ausgeschlossen werden sondern die ganze Struktur der gegenseitigen Beratung und Kooperation müsste neu bewertet werden.“
Und als hörte man einen prophetischen Wunsch aus der Vorbereitungszeit der Litwinenko-Kampagne, schreibt Satter hinterher: „Sein Schicksal kann zu einer fundamental unterschiedlichen Beziehung zwischen Russland und dem Westen führen.“
David Satter, mit Andrei Nekrassow durch Filmprojekte verbunden, ist leitender Wissenschaftler im „Hudson Institute“ und Forschungsbeauftragter bei der „Hoover Institution“.
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(Wiedergabe des Artikels mit freundlicher Genehmigung von russland.RU)
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