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Oktober 2010 (08/10) - Inhaltsverzeichnis

 
 

Europa: Diskussion um Umgang mit Roma

Die seit Ende Juli laufenden Räumungen von Roma-Siedlungen in Frankreich sorgen weiterhin für Streit. Die EU-Kommission hat Frankreich bis Mitte Oktober Zeit gegeben, seine Ausländergesetze der EU-Freizügigkeitsrichtlinie anzupassen, andernfalls will sie ein Verfahren einleiten. Auch Deutschland wird wegen der Abschiebung von Roma kritisiert.

Der Streit um die Räumung von Roma-Siedlungen in Frankreich und die Abschiebung von rund 8.000 Roma nach Bulgarien und Rumänien seit Anfang des Jahres beschäftigt die EU-Kommission seit dem EU-Gipfel Mitte September (vgl. MuB 7/10).

EU-Justizkommissarin Viviane Reding sagte, Frankreich verletze EU-Recht, wenn Anweisungen „auf eine gewisse Gruppe auf der Basis von Nationalität, Rasse oder Herkunft“ zielten. Zuvor hatten französische Zeitungen ein Rundschreiben des Pariser Innenministeriums an die Regionalverwaltungen des Landes veröffentlicht, das die Räumungen angeordnet hatte. Darin heißt es: „300 Lager oder illegale Siedlungen müssen innerhalb von drei Monaten geräumt werden, Roma-Lager haben Vorrang.“ Bis dahin hatte die französische Regierung behauptet, die Anordnung, Lager zu räumen, richte sich nicht vorrangig gegen Roma. Die Anordnung wurde inzwischen durch eine neue ersetzt, die die Roma nicht mehr explizit erwähnt.

Die EU-Kommission sieht in dem Vorgehen der französischen Regierung eine Verletzung der Freizügigkeitsrichtlinie (2004/38/EG). Laut EU-Recht kann sich jeder Bürger für drei Monate in einem anderen EU-Staat aufhalten. Für einen längeren Aufenthalt sind jedoch ein Erwerbseinkommen oder ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Vermögen sowie eine Krankenversicherung Voraussetzung. Ausweisungen von EU-Bürgern, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind nur nach einer detaillierten Einzelfallprüfung möglich. Eine solche Prüfung ist nach französischem Recht bisher nicht vorgesehen.

Am 29. September beschloss die EU-Kommission einstimmig, Frankreich zur vollständigen Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie zu mahnen. Bis 15. Oktober hat Frankreich Zeit, darauf entsprechend gesetzgeberisch zu reagieren. Andernfalls will die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Die französische Regierung erklärte, sie wolle die Forderungen der Kommission prüfen, „bevor über mögliche Folgen entschieden wird“.

Während die Massenabschiebungen von Roma aus Frankreich v. a. deshalb kritisiert werden, weil sie das Freizügigkeitsrecht von EU-Bürgern verletzen, steht Deutschland wegen der Abschiebung von Roma in die Republik Kosovo in der Kritik. Deutschland hatte im April dieses Jahres ein Rückübernahmeabkommen mit dem Land unterzeichnet (vgl. MuB 5/10). Davon sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 8.500 Roma aus dem Kosovo betroffen, die in Deutschland nur einen Duldungsstatus haben. Die Hälfte dieser Flüchtlinge sind Kinder, von denen zwei Drittel in Deutschland geboren wurden. Obwohl geplant war, jährlich rund 2.500 Personen ins Kosovo zurückzuschicken, wurden bisher nur 143 Personen abgeschoben.

Amnesty International kritisierte die Abschiebungen und wies darauf hin, dass sowohl laut der EU-Qualifikationsrichtlinie als auch der Genfer Flüchtlingskonvention vielfältige und massive Diskriminierung in mehreren Lebensbereichen als eine Form von politischer Verfolgung angesehen werden müsse. Roma werden laut Amnesty International in der Republik Kosovo in den Bereichen Arbeitsmarkt, Wohnraum, Bildung und Gesundheit diskriminiert.

Der Kommissar für Menschenrechte des Europarates Thomas Hammarberg appellierte an die EU-Staaten, nicht ins Kosovo abzuschieben, v. a. wenn es um Angehörige von Minderheiten gehe. Die Republik Kosovo habe noch nicht die Kapazität, viele Rückkehrer aufzunehmen. Die Lage in den dortigen Roma-Siedlungen bezeichnete er als „humanitäre Katastrophe“.

Bereits Ende Juni hatten die Fraktionen der Linken und von Bündnis 90/die Grünen im Bundestag beantragt, die Abschiebung von Roma ins Kosovo auszusetzen und ihnen ein Bleiberecht zu gewähren. Die Anträge wurden von der Regierungsmehrheit abgelehnt.

Das Bundesinnenministerium dagegen beruft sich darauf, dass eine Rückkehr „unter dem Sicherheitsaspekt“ vertretbar sei. Es argumentiert, dass „keine unmittelbare Gefährdung nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie“ bestehe. „Wirtschaftliche und soziale Aspekte im Zielstaat“ seien für die „Rückführbarkeit“ grundsätzlich nicht ausschlaggebend.bb

Weitere Informationen:
http://europa.eu
http:// www.amnesty.de
http://www.coe.int/t/commissioner/Default_en.asp
http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2010/pm_1006231.html

 

 

Deutschland: Integrationsdebatte dauert an

In der durch die umstrittenen Thesen von Thilo Sarrazin ausgelösten Debatte zur Integrationsbereitschaft von Muslimen in Deutschland (vgl. MuB 7/10) haben CDU/CSU, FDP und SPD Programme und Positionspapiere zur Integration von Migranten vorgelegt.

Integrationsprogramm: Am 8. September verabschiedete das Bundeskabinett ein bundesweites Integrationsprogramm, das Experten unter Federführung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erarbeitet haben. In dem Papier wird zusammengefasst, welche Maßnahmen für die Integration es bereits jetzt auf Bundesebene, in den Ländern und Kommunen gibt. Mit diesen Erkenntnissen soll die Integrationsförderung künftig besser koordiniert werden. Von den bestehenden Angeboten sei die Sprachförderung am wichtigsten, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellung des Programms in Berlin. So sei eine Überprüfung der Sprachkenntnisse (Sprachstandfeststellung) in der Kita noch nicht in allen Bundesländern üblich (vgl. MuB 3/07, 9/06).

In dem Programm wird gefordert, mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einzustellen. Aktuell schätzt das BAMF die Zahl dieser Lehrer bundesweit auf 1,2 % aller Lehrkräfte. Nur 6 % aller Studierenden mit Migrationshintergrund entschieden sich derzeit für ein Lehramtsstudium. Bei den Deutschen seien es doppelt so viele. Stipendienprogramme sollen künftig Migranten motivieren, eine entsprechende Hochschulausbildung zu beginnen.

De Maizière sagte, er betrachte das Integrationsprogramm als „Beitrag zur Sachlichkeit“ in der aktuellen Debatte um Integration. Er wolle keine Probleme verschweigen, Alarmismus sei aber nicht hilfreich. Nach einer Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums seien etwa 10 bis 15 % der muslimischen Migranten „integrationsunwillig“. „Aber wir haben einen ganz großen Anteil von muslimischen Migranten, die sehr integrationswillig sind“, betonte de Maizière.

Netzwerk für Lehrer mit Migrationshintergrund
Die Berliner Schulverwaltung hat Mitte September das Berliner Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gegründet. Auch in Hamburg will die Behörde für Schule und Berufsbildung am 19. Oktober ein solches Netzwerk ins Leben rufen. Ziel ist es, leistungsstarke Schüler mit Migrationshintergrund für den Lehrberuf zu gewinnen. Dabei geht es v. a. um die intensive Begleitung bereits in der Schule durch Mentorenprogramme, Praktikavermittlung und den Schülercampus, bei dem an drei Tagen die Teilnehmer praxisnah auf das Lehramtsstudium vorbereitet werden. Vorbild für Berlin und Hamburg ist das Netzwerk „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“ in Nordrhein-Westfalen, das auf Initiative des Kultusministeriums 2007 gegründet wurde.
www.li-hamburg.de
www.berlin.de/sen/bwf

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) Klaus Bade kritisierte, die Bundesregierung nutze die andauernde Debatte nicht ausreichend für eine aktive Positionierung. Das bundesweite Integrationsprogramm erhebe im Titel zudem einen missverständlichen Anspruch, da Integration weitestgehend Ländersache ist. Nötig sei die Verabschiedung des Gesetzes zur beschleunigten Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Ferner müsse man die auf Länderebene entwickelten Vorschläge für die zeitliche Vorverlagerung der Schulpflicht umsetzen und zwei obligatorische kostenlose Kindergartenjahre bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen einführen. Bade fordert zudem „den Ausbau von gebundenen Ganztagsschulen und die Ausbildung leistungsanregender Schulprofile in sozial benachteiligten bzw. belasteten Wohnvierteln“.

Anreize schaffen: Auf Anreize für eine bessere Integration setzen sowohl die FDP-Bundestagsfraktion als auch die SPD. Die FDP schlug in einem Positionspapier zur Integration Mitte September eine beschleunigte Einbürgerung nach vier Jahren „für ausgezeichnete Integrationsleistungen“ vor. Bisher ist die Einbürgerung in der Regel erst nach acht Jahren möglich (vgl. MuB 2/99). Die FDP spricht sich außerdem für eine leichtere Anerkennung der Abschlüsse und Qualifikationen von Migranten aus. Angebote zur Förderung der Elternarbeit sollten sich zudem gezielt an Frauen richten, die ohne Arbeitsstelle „Sozialkontakte innerhalb ihrer engen Gemeinschaft pflegen“, damit sie am Integrationsprozess beteiligt würden.

Die SPD hat sich auf ihrem Bundesparteitag am 26. September in Berlin für ein Anreizsystem ausgesprochen: „Wir wollen diejenigen, die schneller Deutsch lernen, auch schneller zu einem verfestigten Aufenthaltsstatus und zur schnelleren Einbürgerung führen.“ Die Resolution zum Parteitag verzichtet allerdings auf die Forderung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass hartnäckige Integrationsverweigerer Deutschland verlassen müssten. Gabriel hatte am 20. September in einem Interview gesagt: „Wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehnt, der kann ebenso wenig in Deutschland bleiben wie vom Ausland bezahlte Hassprediger in Moscheen.“

Mängel beseitigen: Bündnis 90/Die Grünen und die Linke kritisierten das mangelnde Angebot für Migranten. Der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck bezeichnete Gabriels Idee als „Stammtischpolitik“. Nicht die integrationsunwilligen Migranten seien das Problem, sondern der Mangel an ausreichenden Angeboten für Zuwanderer. Auch Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir distanzierte sich von Gabriels Vorstoß. Es müssten grundsätzliche Lösungen gefunden werden, etwa beim Ausbau der frühkindlichen Bildung, der Ganztagsschulen und einer stärkeren gesellschaftlichen Einbindung von Migranten.

Integrationsgipfel: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lädt am 3. November zum vierten Integrationsgipfel ins Kanzleramt ein (vgl. MuB 9/08, 6/07, 6/06). Das Treffen von Vertretern aus Politik, Migrantenverbänden und gesellschaftlichen Gruppen soll nach der Sarrazin-Debatte ein Aufbruchsignal setzen. „Wir müssen die Integration sehr viel verbindlicher gestalten“, umschreibt Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) das Ziel. Sie will die Beschäftigung von Migranten im öffentlichen Dienst fördern und Defizite bei der gesundheitlichen Versorgung beheben.

Rede des Bundespräsidenten: Beim Festakt zum 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung in Bremen am 3. Oktober sagte Bundespräsident Christian Wulff (CDU), der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland. Wulff betonte, er sei Präsident aller Menschen, die hier in Deutschland leben. Diese Äußerungen lösten in der Union eine Debatte aus, die Oppositionsparteien und der Zentralrat der Juden stellten sich vor Wulff. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte, es gebe keinen Anlass, den Islam in die deutsche Werteordnung einzupassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich wiederholt die Bedeutung der Rede Wulffs, betonte aber zugleich die christlich-jüdischen Wurzeln Deutschlands und forderte von den Muslimen in Deutschland Treue zum Grundgesetz. up

Weitere Informationen:
www.integration-in-deutschland.de
www.bamf.de
spd.de/linkableblob/3848/data/bpt_2010_beschluss_integration.pdf
www.fdp-fraktion.de/files/1228/P_-_Positionspapier_Integration_-_Endfassung.pdf
www.svr-migration.de
www.bundespraesident.de

 

 

 

Deutschland: Sprachkompetenz von Migranten stark verbessert

Ethnische Enklaven schwächen die Sprachkompetenz, mehr Bildung stärkt sie. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Mitte September in Nürnberg vorgestellt wurde. Demnach werden die Deutschkenntnisse von Migranten immer besser.

„Wir beobachten seit 25 Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Sprachkompetenz“, sagte Herbert Brücker, Migrationsexperte am IAB, bei der Vorstellung der Studie „Ethnic concentration and language fluency of immigrants – quasi-experimental evidence from the guest-worker placement in Germany“. Bei der Befragung von Einwandererhaushalten habe die durchschnittliche Sprachkompetenz 1984 bei einem Wert von 2,3 gelegen. Bis 2008 sei sie auf 3,1 gestiegen – dabei gelte die Sprachkompetenz von 4,0 als „sehr gut“ und sei vergleichbar mit der eines deutschen Muttersprachlers.

Für die Studie schätzten 1.018 im Ausland Geborene ihr Schreib- und Sprechvermögen im Deutschen selbst ein. Die Befragung fand in den alten Bundesländern und Berlin statt. Die Herkunftsländer der Befragten waren die ehemaligen Anwerbestaaten Türkei, Italien, Griechenland, Spanien, Kroatien und Serbien-Montenegro. Grundlage für die Analyse der ethnischen Konzentration waren der Mikrozensus aus dem Jahr 2000 und das Sozioökonomische Panel (SOEP) aus dem Jahr 2001.

Die Untersuchung zur Sprachkompetenz und zum Arbeitsmarkt bezieht sich auf das SOEP aus dem Jahr 2008. Die Studie untersucht, wie die Herausbildung von ethnischen Enklaven die Sprachfähigkeiten von Migranten beeinflusst und welche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sich daraus ergeben. Die räumliche Konzentration von Migrantengruppen wirkt sich danach weniger stark auf das Erlernen der deutschen Sprache aus als gemeinhin angenommen. Die Sprachkompetenz von Migranten sei nicht v.a. deshalb gering, weil sie in ethnischen Enklaven leben. Vielmehr leben Migranten in Enklaven, weil ihre Sprachkompetenz gering ist, konstatieren die Forscher.

Stärkeren Einfluss auf den Spracherwerb habe der Faktor Bildung, heißt es in der Studie. So würde beispielsweise eine um ein Jahr verlängerte Bildungs- oder Ausbildungsphase den Anteil der Einwanderer mit guten Deutschkenntnissen um mehr als 6 Prozentpunkte erhöhen, sagten die Forscher: „Früh ansetzende Bildungsanstrengungen könnten zudem der Entstehung von Enklaven entgegenwirken.“ Die Wissenschaftler warnten vor einer zu hohen Ballung von Migranten in bestimmten Regionen oder Stadtteilen. In ethnischen Enklaven sinke die Häufigkeit des Kontakts zu Muttersprachlern und damit gleichzeitig der Anreiz, die Landessprache zu lernen.

Eine selektive Einwanderungspolitik zur gezielten Anwerbung von gut gebildeten Migranten würde auch die Sprachlernkapazität der Einwanderer erheblich erhöhen, heißt es in der Studie. Mit der allgemeinen Bildungsunterstützung bereits hier lebender Einwanderer könnten sowohl deren Sprachkompetenz als auch ihre Arbeitsmarktchancen verbessert werden. So kann zum Beispiel ein Einwanderer, der sehr gut Deutsch spricht, einen um bis zu 9 % höheren Lohn erzielen, als einer, der keine Deutschkenntnisse hat.

Außerdem empfehlen die Forscher einen frühen Spracherwerb. Maßnahmen, die erst nach dem Bildungsabschluss der Immigranten ansetzen, haben geringere Erfolgsaussichten. up

Weitere Informationen:
Zusammenfassung der Studie von Alexander M. Danzer und Firat Yaman im IAB-Kurzbericht 17/2010: doku.iab.de/kurzber/2010/kb1710.pdf

 

 

 

Deutschland: Chipkarte für Nicht-EU-Ausländer

Das Bundesinnenministerium plant die Einführung einer elektronischen Aufenthaltskarte für Nicht-EU-Ausländer. Auf dem Dokument soll neben Fingerabdrücken auch ein digitales Foto gespeichert werden. Migrantenverbände und Oppositionspolitiker kritisieren die Pläne.

Die Chipkarte soll im Mai 2011 eingeführt werden. Das Dokument soll bisherige Aufenthaltsdokumente ablösen, die momentan noch als Klappkarte ausgegeben werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis zu 4,3 Mio. Nicht-EU-Bürger in Deutschland dieses neue Dokument erhalten werden. Das Bundesinnenministerium sieht in der Aufenthaltskarte auch ein Mittel, illegale Einwanderung zu bekämpfen. Bisher müssen nur Asylbewerber für ihr Aufenthaltsdokument bei der Einreise Fingerabdrücke abgeben.

Die Regierung setzt mit der Karte eine EU-Verordnung vom 18. April 2008 um, mit der die Aufenthaltstitel vereinheitlicht werden sollen, die die 27 EU-Mitgliedstaaten Angehörigen von Drittstaaten erteilen. Laut der Verordnung ist die Erfassung von Fingerabdrücken „ab dem sechsten Lebensjahr obligatorisch“.

Die Karte mit einer maximalen Gültigkeitsdauer von zehn Jahren soll noch in diesem Jahr in 19 Ausländerbehörden getestet werden. Eine zentrale Speicherung von Fingerabdrücken im Ausländerzentralregister ist laut Bundesinnenministerium nicht vorgesehen.

Das Kartensystem soll einen besseren Gesamtüberblick darüber ermöglichen, wie viele Menschen aus Drittstaaten in der EU leben und welchen Aufenthaltsstatus sie haben, so der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl. „Es wird verlässlichere Zahlen darüber geben, wie viele Ausländer doppelt und dreifach gemeldet sind und wie viele unser Land wieder verlassen haben“, sagte Uhl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht davon aus, dass es eine hohe Zahl von mehrfach gemeldeten Drittstaatenangehörigen bzw. unangemeldeten Fortzügen von Ausländern gibt.

Der integrationspolitische Sprecher der Grünen Memet Kilic kritisierte: „Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, speziell Ausländern Fingerabdrücke abzunehmen, während auch im neuen deutschen Personalausweis ein biometrisches Foto ausreicht.“ Vor allem kritisierte Kilic, dass bereits Kinder massenhaft erfasst würden. Auch der Datenschutzbeauftragte der Linken im Bundestag Jan Korte hält die Erfassung der Fingerabdrücke von Kindern für „inakzeptabel und skandalös“. Mit dem Vorhaben werde eine Gruppe diskriminiert, die bereits jetzt am stärksten überwacht und kontrolliert werde. Auch einige Vertreter der SPD lehnen das Projekt ab.

Zustimmung für die Regierungspläne kam von SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. Er sehe darin „keine diskriminierende Wirkung“ - vielmehr sollten Fingerabdrücke und ein biometrisches Foto Standard für die Ausweisdokumente jedes Menschen sein, der in Deutschland lebt. Deutsche Staatsbürger können allerdings bei der Einführung des neuen Personalausweises im November dieses Jahres frei entscheiden, ob sie ihren Fingerabdruck erfassen lassen oder nicht.

Auch in den Migrantenverbänden sorgt die Ankündigung für harsche Kritik: „Gerade vor dem Hintergrund der rauen Integrationsdebatte ist es fatal, jetzt einen Generalverdacht gegen ganze Bevölkerungsgruppen auszusprechen“, sagte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland Kenan Kolat. Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats Karamba Diaby sagte: „Mit der geplanten Maßnahme werden Menschen aus Drittstaaten zunehmend als potenzielle Kriminelle gesehen. Auch wenn dies eine Maßnahme ist, die nicht von der Bundesregierung initiiert wurde, hätten wir von der Regierung erwartet, sich gegen diese Abschottungspolitik stark zu machen.“ chw

Weitere Informationen:
http://www.bmi.bund.de
http://www.tgd.de
http://www.bundesauslaenderbeirat.de

 

 

 

Kurzmeldungen – Deutschland

Schwierigkeiten bei Existenzgründung
Migranten, die sich selbständig machen, kennen die zahlreichen Beratungs- und Unterstützungsangebote zur Existenzgründung entweder nur unzureichend oder nehmen sie nicht als hilfreich wahr. Dies ist das Ergebnis der Studie „Wirtschaftliche Selbständigkeit als Integrationsstrategie“, die der Sachverständigenrat der deutschen Stiftungen für Migration und Integration (SVR) am 9. September in Berlin vorgestellt hat.
Die meisten Schwierigkeiten bei der Unternehmensgründung haben Migranten demzufolge im Umgang mit Behörden (37 %), aufgrund sprachlicher Defizite (28 %) sowie beim Überwinden finanzieller Hürden (28 %). Aktuell gibt es rund 587.000 Selbständige mit Migrationshintergrund.
www.svr-migration.de

Deutlich mehr Bildungsausländer
Fast jeder zehnte Studierende an deutschen Universitäten im Wintersemester 2008/09 hat seine Hochschulreife im Ausland erworben und ist zum Studium nach Deutschland gekommen. Damit hat sich der Anteil der so genannten Bildungsausländer seit Mitte der 1990er Jahre nahezu verdoppelt (2008/09: 9 %, 1995/96: 5 %). Dies geht aus einer Auswertung der Daten der Statistischen Landesämter hervor, die diese anlässlich des 20. Jahrestags der Wiedervereinigung herausgaben. Unter den Bundesländern hatten im Wintersemester 2008/09 Bremen (13,2 %), Berlin und das Saarland (jeweils 12,6 %) die höchsten Anteile von Bildungsausländern an den Studierenden, Mecklenburg-Vorpommern (3,3 %), Thüringen (3,1 %), Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein (jeweils 3 %) die niedrigsten.
www.statistik.baden-wuerttemberg.de/Statistik-Portal/20JahreDeutscheEinheit.pdf

Integrationskurse: Nicht genügend Plätze
Etwa 9.000 Zuwanderer warten derzeit auf die Teilnahme an einem Integrationskurs. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) handelt es sich jedoch um Zuwanderer, die freiwillig teilnehmen können (vgl. MuB 7/09). Wer einen Anspruch hat oder zur Teilnahme verpflichtet wurde, bekomme sofort einen Platz. Wegen der starken Nachfrage sei der Etat für die seit 2005 stattfindenden Kurse in diesem Jahr einmalig mit einem Betrag von 15 Mio. Euro auf 233 Mio. Euro aufgestockt worden. Mit der Bekanntgabe der Zahlen Ende September reagierte das BAMF auf Kritik an Qualität und Angebot der Integrationsseminare. Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) würden die Kurse insgesamt sehr gut genutzt.
www.bamf.de

Ermittlungen eingestellt
Die Staatsanwaltschaft München hat Mitte September nach anderthalb Jahren das Ermittlungsverfahren gegen den Generalsekretär der muslimisch-konservativen Gemeinschaft „Milli Görüs“ Oguz Ücüncü eingestellt. Ihm war die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrug, Urkundenfälschung, Geldwäsche und die Unterstützung des Al-Aqsa-Vereins vorgeworfen worden. Der Al-Aqsa-Verein mit Verbindungen zur palästinensischen Hamas ist seit acht Jahren in Deutschland verboten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will den von „Milli Görüs“ dominierten Islamrat trotz der Einstellung der Ermittlungen weiterhin von der Islamkonferenz ausschließen, weil er möglicherweise dennoch von verfassungsfeindlichen Kräften unterwandert sein könnte. Die Büros von „Milli Görüs“ waren mehrfach durchsucht worden. Der Ausschluss hatte im Vorfeld des letzten Treffens der Islamkonferenz für Kritik von den Migrantenverbänden gesorgt (vgl. MuB 4/10).
www.justiz.bayern.de/sta/sta/m1

 

 

 

Vereinigtes Königreich: Einwanderungsquote in der Kritik

Großbritannien diskutiert über eine Einwanderungsquote für Fachkräfte. Während die Regierung die Einwanderungszahlen auf das Niveau der 1990er Jahre drücken will, sorgen sich Unternehmensverbände und Universitäten um den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Großbritannien.

Ende Juni hatte die neu gewählte liberal-konservative Regierung Großbritanniens bekannt gegeben, dass sie die Einwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften und Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern über ein Kontingent regulieren wolle. Ab April 2011 soll ein festes Jahreskontingent von Arbeitsvisa die Einwanderung dieser Personen in den Arbeitsmarkt begrenzen. Eine unabhängige Expertenkommission aus Wirtschaftswissenschaftlern und Arbeitsmarktexperten (Migration Advisory Committee, MAC) soll für die Regierung diese Zahl berechnen.

Um einen Ansturm von Fachkräften vor Inkrafttreten der jährlichen Quotenregelung im April 2011 zu verhindern, werden bis dahin maximal 24.100 Arbeitsvisa an Fach- und Spezialkräfte vergeben. Mit dieser Interimsquote soll das Einwanderungsniveau für diese Personengruppe knapp unter dem des Vorjahres (2009: 25.400) gehalten werden.

Erklärtes Ziel der Regierung ist es, mithilfe des Einwanderungskontingents den Saldo für die gesamte Zuwanderung auf das Niveau der 1990er Jahre zu reduzieren (vgl. MuB 4/10). Dies würde bedeuten, die Nettoeinwanderung mehr als zu halbieren (2009: ca. 196.000; 1995: 75.400).

Im Gegensatz zu Deutschland hatte das Vereinigte Königreich darauf verzichtet, die Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer nach der EU-Erweiterung im Jahr 2004 vorübergehend zu beschränken (vgl. MuB 3/04). In der Folge waren die Einwanderungszahlen deutlich gestiegen (vgl. MuB 3/08). Schätzungen des britischen Statistikamts hatten ergeben, dass die Bevölkerung bei anhaltend hoher Einwanderung bis 2029 von momentan etwa 61,4 Mio. auf ca. 70 Mio. Personen anwachsen würde und dies aufgrund des steigenden Bedarfs an Sozialleistungen enorme Folgekosten nach sich zöge (vgl. MuB 9/09, 10/09). Infolge der Wirtschaftskrise und einiger restriktiver Maßnahmen der Labour-Regierung unter Gordon Brown (vgl. MuB 10/09, 10/08, 9/08, 2/08) ist die Einwanderung in den letzten Jahren bereits gesunken, 2009 jedoch wieder leicht angestiegen. Im Wahlkampf hatten Konservative und die Labour-Partei dennoch für weitere Restriktionen geworben (vgl. MuB 4/10).

Das nun vorgesehene Einwanderungskontingent gilt ausschließlich für hoch qualifizierte Arbeitskräfte und Facharbeiter. Studierende und Saisonarbeitskräfte sind von der Regelung ausgenommen. Niedrig qualifizierte Arbeitskräfte können bereits seit Einführung des punktebasierten Einwanderungssystems nicht mehr nach Großbritannien einreisen (vgl. MuB 10/09).

Zwei Monate nachdem die Interimsquote am 19. Juli in Kraft trat, steht die Kontingentierungspolitik der Regierung in der Kritik. Unternehmens- und Industrieverbände sowie Wirtschaftsvertreter erklärten, die Einwanderungsbeschränkung für Nicht-EU-Bürger führe dazu, dass Großbritannien für internationale Unternehmen an Attraktivität verliere und britische Arbeitgeber nicht mehr die notwendigen Fachkräfte rekrutieren könnten. Medienberichten zufolge greifen Unternehmen seit Inkrafttreten der Quote zunehmend auf temporäre Arbeitsvisa zurück, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. Insbesondere sozialpädagogisches Personal sowie Spezialisten im Gesundheits- und Krankenpflegewesen werden in Großbritannien gesucht (vgl. MuB 8/08).

Starke Kritik erntete die Regierung auch von den Universitäten. Der Präsident des University College London Malcolm Grant warnte: „Wenn hoch qualifizierte Wissenschaftler Probleme haben, nach Großbritannien einzureisen, dann gehen sie mit ihren Fähigkeiten einfach woandershin.“ Mit ihren Plänen gefährde die Regierung den Wissenschaftsstandort Großbritannien, sagte auch Lord Martin Rees, Präsident der Royal Society.

Auch innerhalb der Regierungskoalition wird die Kontingentierung kontrovers diskutiert. Wirtschaftsminister Vince Cable (Konservative) forderte mehr Flexibilität. Ein Sprecher von Ministerpräsident David Cameron (Konservative) sagte hingegen, er fürchte keinen großen Schaden für die britische Wirtschaft. Auch Einwanderungsminister Damian Green und Innenministerin Theresa May (Konservative) halten an der Einwanderungsquote fest. Der Vorsitzende des unabhängigen Expertengremiums (MAC) David Metcalf sagte, dass die Einwanderungsbeschränkungen für Fachkräfte nicht das geeignete Mittel sind, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn die Regierung tatsächlich die Einwanderung um mehrere zehntausend Migranten mindern wolle, müsse sie den Familiennachzug stärker kontrollieren, sagte Metcalf Mitte September. th

Weitere Informationen:
www.homeoffice.gov.uk/media-centre/press-releases/coalition-immigration-limit11
www.ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/newsarticles/2010/sept/66-immigration-limit
www.ukba.homeoffice.gov.uk/aboutus/workingwithus/indbodies/mac
www.statistics.gov.uk/pdfdir/mig0810.pdf

 

 

 

Kurzmeldungen – Europa

EU: Rückübernahmeabkommen mit Pakistan
Am 21. September hat das Europäische Parlament dem Rückübernahmeabkommen mit Pakistan zugestimmt. Es verpflichtet das Land, eigene Staatsbürger aufzunehmen, die sich irregulär in der EU aufhalten. In Ausnahmefällen muss Pakistan auch Angehörige von Drittstaaten und Staatenlose aufnehmen, die aus Pakistan eingereist sind. Die EU leistet im Gegenzug technische Hilfe bei der Umsetzung des Abkommens und versprach einen Dialog über legale Einwanderung und Visaerleichterungen. Europaabgeordnete der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke, der Grünen und der Sozialdemokraten stimmten gegen das Abkommen, da Pakistan grundlegende Menschenrechte missachte und die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet habe.
www.europarl.europa.eu/en/pressroom/content/20100920IPR82938

EU: Visafreiheit für Bürger Albaniens und Bosnien-Herzegowinas
Das Europäische Parlament hat am 7. Oktober die Abschaffung der Visumspflicht für Staatsangehörige Albaniens und Bosnien-Herzegowinas bei Aufenthalten in der EU von bis zu drei Monaten beschlossen. Im Mai hatte die EU-Kommission die Aufhebung empfohlen, da beide Länder die entsprechenden Sicherheitskriterien erfüllten. Die Visumspflicht für Serben, Montenegriner und Mazedonier war bereits im Januar aufgehoben worden. Die Bürger der Republik Kosovo brauchen auch weiterhin ein Visum für die Einreise in die EU, u. a. weil die EU-Mitgliedstaaten Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen.
www.europarl.europa.eu/en/pressroom/content/20101006IPR85242

Schweden: Erstmals rechtspopulistische Partei im Parlament 
Nach den Wahlen am 19. September zieht erstmals eine rechtspopulistische Partei in den schwedischen Reichstag ein. Die Schwedendemokraten hatten im Wahlkampf Verschärfungen bei der Ausländerpolitik gefordert und den Islam als die „größte ausländische Bedrohung seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet. Sie kamen auf 5,7 % der Stimmen und stellen damit 20 von insgesamt 349 Abgeordneten. Die konservativ-bürgerliche Regierungskoalition unter der Führung von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt (Moderata samlingspartiet, gemäßigte Sammlungspartei) verfehlte mit 49,3 % knapp die absolute Mehrheit (172 Sitze). Das Bündnis der Opposition, bestehend aus Sozialdemokraten, Linkspartei und Grünen, erhielt 43,6 % der Wählerstimmen (156 Sitze). Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten schloss Reinfeldt aus. Medienangaben zufolge strebt er eine Minderheitsregierung an. Der neu gewählte Reichstag ist erstmals am 5. Oktober zusammengetreten.
www.val.se/in_english/index.html

Niederlande: Regierung von rechtsextremer Partei toleriert
Nach der Parlamentswahl in den Niederlanden im Juni haben sich die Rechtsliberalen (VVD) und die Christdemokraten (CDA) mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders auf ein Minderheitskabinett verständigt. Die „Partei für die Freiheit“ (PVV) des Islamgegners Wilders will die neue Regierung, die über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügt, dulden. Das erklärten Sprecher der Parteien Ende September in Den Haag. Die Entwürfe eines Koalitionsvertrages zwischen VVD und CDA sowie eines Duldungsvertrages beider Parteien mit Wilders PVV sollen im nächsten Schritt den Parlamentsfraktionen zur Begutachtung vorgelegt werden. Deren Zustimmung gilt als sicher. Es wird erwartet, dass die PVV somit auch Einfluss auf die künftige Zuwanderungspolitik nehmen wird.
www.government.nl

 

 

 

USA: Senat stoppt DREAM Act

Die republikanische Minderheit im US-amerikanischen Senat hat einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung junger Zuwanderer blockiert. Der so genannte DREAM Act sollte diesen Migranten einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft eröffnen.

Auf einer Sitzung des US-amerikanischen Senats am 21. September stimmten 43 Senatoren für die Blockade einer weiteren Debatte des Gesetzesentwurfs, darunter alle anwesenden 41 Republikaner sowie zwei Senatoren der Demokraten. 56 demokratische Senatoren stimmten für den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens. Dafür wären 60 Stimmen bzw. eine 3/5-Mehrheit nötig gewesen.

Ziel des Gesetzesentwurfs ist eine Teillegalisierung junger Zuwanderer im Alter von bis zu 35 Jahren. Personen, die seit mindestens fünf Jahren in den USA leben, vor Abschluss des 16. Lebensjahres eingereist sind sowie eine Hochschulzugangsberechtigung besitzen, sollten dem Entwurf zufolge einen „bedingten dauerhaften Aufenthaltstitel“ („conditional permanent residency“) erhalten. Mit diesem hätten sie die Möglichkeit, an einem College zu studieren oder im Militär zu dienen. Außerdem wären sie vor Abschiebungen geschützt und könnten sowohl Studiendarlehen als auch Stipendien in Anspruch nehmen. Langfristig wäre auch eine Einbürgerung möglich.

Der als DREAM Act (Development, Relief and Education for Alien Minors Act) bekannte Gesetzesentwurf wurde seit 2001 bereits mehrfach in den Senat eingebracht, scheiterte aber bislang immer (vgl. MuB 1/04). Kritiker lehnen den Dream Act ab, da er „illegalen Aufenthalt belohne“. Die Befürworter halten dagegen, dass die meisten Begünstigten in sehr jungem Alter mit ihren Eltern eingereist sind und daher nicht für etwas bestraft werden sollten, woran sie selbst keine Schuld tragen.

Die Debatte ist durch den politischen Streit im Vorwahlkampf zu den Kongresswahlen im November geprägt. Als der Entwurf 2001 zusammen mit einer umfassenden Einwanderungsreform eingebracht wurde, galten die Inhalte des DREAM Act als der einzig konsensfähige Teil des letztlich abgelehnten Reformpakets (vgl. MuB 6/07).

Als Unterstützer des DREAM Act zeigte sich Präsident Barack Obama (Demokraten) von dem Abstimmungsergebnis enttäuscht. Einwandererverbände sowie die bundesweite Kampagne für eine Einwanderungsreform wollen nun den Mehrheitsführer im Senat Harry Reid (Demokraten) überzeugen, den Gesetzesentwurf nochmals als Einzelgesetz einzubringen. Angesichts der derzeitigen Brisanz der Zuwanderungspolitik gilt dies als unwahrscheinlich.

Die Legalisierung eines Teils der etwa 11 bis 12 Mio. undokumentierten Einwanderer in den USA steht seit etwa zehn Jahren auf der politischen Tagesordnung (vgl. MuB 5/01), bisher ist sie jedoch stets am Widerstand konservativer Kreise gescheitert (vgl. MuB 6/07). Zuletzt hatte Obama im Juli eine umfassende Reform des Einwanderungsrechts angekündigt, eine Legalisierung des Aufenthaltsstatus aller irregulärer Migranten jedoch ausgeschlossen (vgl. MuB 6/10). sta

Weitere Informationen:
dreamact.info
reformimmigrationforamerica.org
www.immigrationforum.org

 

 

 

Kurzmeldungen – Welt

Mexiko: Rücktritt
Nach der Ermordung von 72 undokumentierten Migranten im nordmexikanischen Bundesstaat Tamaulipas (vgl. MuB 7/10) ist die Leiterin der Einwanderungsbehörde Cecilia Romero (PAN, Konservative) Mitte September von ihrem Amt zurückgetreten. Damit zog sie die Konsequenzen aus der Kritik, die Einwanderungsbehörde (INM) schütze durchreisende Migranten nicht ausreichend. Auf ihrem Weg in die USA werden viele der zumeist zentralamerikanischen Migranten von kriminellen Banden, der Drogenmafia oder auch der Polizei ausgeraubt, entführt, vergewaltigt oder ermordet. Eine strafrechtliche Verfolgung findet selbst bei bekannt gewordenen Fällen selten statt. Menschenrechtsorganisationen werfen der INM vor, dass auch Beamte dieser Behörde in die Straftaten verwickelt seien.
www.inm.gob.mx (Spanisch)

Nigeria: Elektronische Registrierung
Nigeria will ausländische Einwohner aus anderen afrikanischen Staaten elektronisch registrieren. Das wurde Ende September bekannt. Ziel ist eine statistische Erfassung der Einwanderer. „Es gibt andere afrikanische Länder, in denen auch Menschen aus Nigeria registriert werden. Wir passen uns also nur den Gepflogenheiten an“, sagte David Paradang, der von der Regierung als Koordinator für die Erfassung in 44 Provinzregierungen des Landes eingesetzt wurde. Jeder soll ein Dokument mit einem biometrischen Foto und Fingerabdrücken erhalten, darunter auch jene Afrikaner, die bereits einen Reisepass ihres Herkunftslandes besitzen. Anlass für die Registrierung war u. a. ein Anstieg der Ausländerkriminalität.
www.nigeria.gov.ng

VAE: Amnestie für Arbeitsmigranten
Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hat Mitte September eine Amnestie-Regelung für indische Arbeitsmigranten bekannt gegeben. Migranten, die in den vergangenen Jahren eingewandert sind und v. a. in der Ölbranche sowie im Bau- und Hotelgewerbe tätig waren, können Medienangaben zufolge seit Monaten nicht aus dem Golfstaat ausreisen. Ihnen drohen Haft- und Geldstrafen aufgrund ihrer ungültigen Aufenthaltstitel oder wegen eines illegalen Grenzübertritts. In den nächsten sechs Monaten können sie straffrei nach Indien zurückkehren. Etwa 30.000 Inder profitieren von der Regelung.
Rund 80 % der etwa 6 Mio. Einwohner in den Emiraten sind Ausländer, 29 % bzw. 1,75 Mio. sind Inder (vgl. MuB 8/09). Seit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist der Wirtschaftsboom in den VAE eingebrochen und der Staat überwacht die Einhaltung der Einwanderungsgesetze strenger.

Australien: Unruhen in Flüchtlingslagern
In einem Flüchtlingslager in Sydney ist es Ende September zu Protesten gekommen. Neun chinesische Einwanderer, die teils mit Studentenvisa, teils illegal ins Land eingereist waren, drohten damit, vom Dach des Villawood Detention Centres zu springen, wenn ihnen kein dauerhafter Aufenthaltsstatus gewährt werde. Einwanderungsminister Chris Bowen (Labor Party) stellte klar, dass sich die Regierung keinesfalls erpressen ließe: „Proteste beeinflussen die Visa-Vergabe nicht.“ Zuvor war ein Einwanderer von den Fidschi-Inseln tatsächlich von dem Dach gesprungen und gestorben. Nach den chinesischen Einwanderern stieg noch eine Gruppe von Tamilen aus Sri Lanka auf ein Dach im Lager, das sie nach Verhandlungen mit Beamten schließlich wieder verließen. Die rebellierenden Ausländer sollen nun ausgewiesen werden. Die Lebensbedingungen in australischen Einwanderungslagern werden seit langem von Menschenrechtsorganisationen kritisiert (vgl. MuB 3/02).
www.immi.gov.au

 

 

 

Literatur & Veranstaltungen

Literatur
Katharina Inhetveen: Die politische Ordnung des Flüchtlingslagers. Akteure – Macht – Organisation. Eine Ethnographie im Südlichen Afrika. September 2010, Bielefeld, ISBN 978-3-8376-1378-0, 35,80 Euro, Online-Bestellung: www.transcript-verlag.de

Weltbank (Hg.): Weltentwicklungsbericht 2010. Erschienen bei der Bundeszentrale für politische Bildung, 2010, Bonn, Bestellnummer 2192, 7 Euro Bereitstellungspauschale, Online-Bestellung: www.bpb.de/shop

[bpb-Logo]
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Interkultur. 2010, Bonn, Autor: Mark Terkessidis, Bestellnummer 1074, 4,50 Euro Bereitstellungspauschale, Online-Bestellung: www.bpb.de/shop

 

Veranstaltungen
Ich bin anders als du - Interkulturelle Kompetenz in Ganztagsschulen
Veranstalter: Akademie Remscheid
Termin / Ort: 18.-22.10.2010, Akademie Remscheid, Küppelstein 34, 42857 Remscheid
Teilnahmegebühr: 150 Euro
Kontakt: Mariam-Tatu Katongole, Tel.: +49 (0)2191 794-273, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Weitere Informationen:www.akademieremscheid.de

Fachtagung: Migrantenselbstorganisationen in der Sozialen Arbeit
Veranstalter: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS-Frankfurt a. M.)
Termin / Ort: 28.10.2010, Frankfurt/Main
Kontakt: Tel.: +49 (0)69 95789-138; Sybille Münch: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Weitere Informationen:www.iss-ffm.de

Jahrestagung: Migration - Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen
Veranstalter: Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf
Termin / Ort: 28.10.2010, Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, Kanzlerstraße 4, 40472 Düsseldorf
Kontakt: Tel.: +49 (0)211 31096-30, Erika Sievers: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Weitere Informationen:www.akademie-oegw.de

Fachtagung: Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus – Einzelmeinungen oder Trend? Extrem rechte politische Weltanschauungen von Migrantinnen
Veranstalter: Fachinformationsstelle Rechtsextremismus & Landeshauptstadt München
Termin / Ort: 28./29.10.2010, Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, c/o Feierwerk, Hansastraße 39-41, 81373 München
Kontakt: Tel. +49 (0)89 72488-109, Martina Ortner: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Konferenz: Migration and the Global City
Veranstalter: Ryerson University, Kanada
Termin: 29.-31.10.2010
Ort: Ryerson University, Toronto, Kanada
Kontakt: Harald Bauder: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Weitere Informationen:www.riis.ryerson.ca