Erst vor wenigen Tagen (am 27./28. Januar), bewies uns Ägypten, daß es einfach ist, ein ganzes Land über Nacht aus dem Weltnetz verschwinden zu lassen und nicht nur das, sondern jede unerwünschte Kommunikation nach außen zu unterbinden bzw. einzuschränken. Plattformen wie "Twitter" und "Facebook" waren blockiert, das Versenden von E-Post und SMS-Textnachrichten nicht mehr möglich und auch Mobilfunknetze (Vodafon) wurden abgeschaltet. Für diesen "Kraftakt" war es noch nicht einmal notwendig Gewalt anzuwenden, es mußten keine Sendemasten in die Luft gesprengt oder Sendestationen unter Kontrolle gebracht werden, keine Kabel durchtrennt, Server abgeschaltet oder irgendwelche Stecker gezogen werden, sondern es wurden nur die sogenannten BGP-Routen (Border Gateway Protocol) vom ägyptischen Netz ins Ausland getrennt. Dies war natürlich nur möglich, weil die ägyptischen "Provider" sofort bedingungslos die Befehle der Regierung umsetzten und teilweise im vorauseilendem Gehorsam anboten, auch die Mobilfunknetze abzuschalten, wenn dies die Lage erfordern würde.
Gestern wurde seitens der BRD-Regierung generös die Nachricht verbreitet, daß es "keine Pläne zur Einführung eines sogenannten 'Kill Switch' in der BRD gibt und auch auf EU-Ebene, keine dahingehenden Initiativen für das Weltnetz bekannt seien. Diese Aussage konnten sie ohne übertriebene Skupel tätigen, weil es ja gar keines "Ausschalters" bedarf!
Bild:
© Everaldo Coelho and
YellowIcon/Wikipedia
Für den Fall der Fälle ist längst das G-10-Gesetz von 1968 vorhanden, welches die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste zu Eingriffen in das durch Artikel 10 des BRD-Grundgesetzes garantierte Briefgeheimnis, Postgeheimnis und Fernmeldegeheimnis regelt. [1] Dieses Gesetz wurde neben den sogenannten einfachen Notstandsgesetzen am 30. Mai 1968 in dritter Lesung vom BRD-Bundestag im Zuge der "Notstandsverfassung" verabschiedet, nachdem die drei Westmächte am 27. Mai 1968 erklärten, auf ihr bisheriges Vorbehaltsrecht zum Schutz ihrer Streitkräfte zu verzichten, wenn die Notstandsgesetze in Kraft getreten sind. [In Kraft getreten am 1. November 1968] Im Laufe der Jahre wurde das Gesetz den erweiterten technischen Kommunikationsmöglichkeiten regelmäßig angepasst.
Auf Grund der "Notstandsgesetzgebung" hat die BRD-Regierung im Krisenfall auch die Möglichkeit, ihre Bundeswehr im Innern einzusetzen: "Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, ..., Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zum Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.[2]
2001 wurde das G-10-Gesetz neu gefaßt als Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10; BGBl I 2001, 1254). Durch Artikel 3 Abs. 1 des Siebenunddreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Februar 2005 geändert. Im Hinblick auf die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland, wurde vom Innenausschuss des BRD-Bundestags einer weiteren Änderung des Gesetzes zugestimmt.[3]
A)
Eingriffsmöglichkeiten der Nachrichtendienste
Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen, Auskunft über die Umstände des Postverkehrs zu erteilen und Sendungen auszuhändigen. Voraussetzung für ein solches Verlangen der Nachrichtendienste ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Planung oder Begehung bestimmter Katalogstraftaten, zu denen neben Friedens- oder Hochverrat (§§ 80 bis 83 des Strafgesetzbuches) inzwischen auch Landfriedensbruch oder Volksverhetzung (§§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches) und Straftaten nach § 95 Abs 1 Nr.8 des Aufenthaltsgesetzes (Einschleusen von Ausländern) gehören, gegeben sind. Der Straftatenkatalog deckt sich im wesentlichen mit dem des § 100 a Strafprozessordnung, der die Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke strafrechtlicher Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft regelt, die allerdings unter Kontrolle durch unabhängige Gerichte nach einem anderen Verfahren abläuft.
Im Gegensatz zu den Maßnahmen bei strafrechtlicher Verfolgung sind auch sogenannte „strategische Einschränkungen“, das heißt flächendeckende, im Gesetz „gebündelt“ genannte, Überwachungen einer Vielzahl von Telekommunikationsverbindungen zugleich nach bestimmten Suchbegriffen möglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat die strategische Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in einer Entscheidung von Januar 2008 für zulässig erklärt.
B)
Abschnitt 5 Kontrolle
§ 14 Parlamentarisches Kontrollgremium
(1) Das nach § 10 Abs. 1 für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen zuständige Bundesministerium unterrichtet in Abständen von höchstens sechs Monaten das Parlamentarische Kontrollgremium über die Durchführung dieses Gesetzes. Das Gremium erstattet dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8; dabei sind die Grundsätze des § 10 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten.
(2) Bei Gefahr im Verzuge kann die Zustimmung zu Bestimmungen nach den §§ 5 und 8 durch den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums und seinen Stellvertreter vorläufig erteilt werden. Die Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist unverzüglich einzuholen. [...]
§ 15 G 10-Kommission
Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ über die Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher durch die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes (GG). >>
Wer nun die leise Hoffnung hegt, sich auf seine GRUNDRECHTE berufen zu können, der sollte § 21 beachten:
Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch das neu gefaßte Gesetz eingeschränkt.
Wie ihr seht, wurde bestens für alle Eventualitäten vorgesorgt und genau wie in Ägypten wird es auch in der BRD ein leichtes sein, wenn dies erforderlich wird, jegliche Kommunikation nach außen zu unterbinden. An ausreichend freiwilligen Helfern, welche die Regierungsbefehle dahingehend umzusetzen, dürfte es nicht mangeln.
Alle Änderungen des Gesetzes seit 1.1.1999 können hier eingesehen werden >>
Aktuelle Fassung unter: BRD-Mnisterium d. Justiz http://bundesrecht.juris.de/g10_2001/BJNR125410001.html
[1] Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses [Fassung 1968]
[2] Notstandsgesetze
[3] Innenausschuss macht Weg für Änderung des Artikel-10-Gesetzes frei