Frau Bundeskanzlerin is not amused
In seinem Buch "Stupid White Men" wünschte der Filmemacher Michael Moore in einem sarkastischen Gebet ("A Prayer to Afflict the Comfortable") diversen konservativen Politikern alle denkbaren Plagen an den Hals. Nicht etwa aus Bosheit, sondern weil er erkannte, dass sie nur dann lernen und sich mit Minderheiten solidarisieren, wenn ein Problem sie selbst betrifft. So befürwortete Nancy Reagan Stammzellenforschung, nachdem Präsident Ronald Reagan an Demenz erkrankt war. Rudi Giuliani änderte seine ablehnende Einstellung zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge, als an ihm selbst Krebs diagnostiziert wurde. George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney äußerte sich deutlich moderater über Homosexuelle, seit seine Tochter offen lesbisch lebte.
Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Snowden-Enthüllungen nahezu ignorierte, Innenminister Friedrich zum Bedanken über den Atlantik schickte und Präsident Obama freundlich in Berlin empfing, wurde nun offenbar ein Gebet er- und ein Telefon abgehört: das Privathandy der Kanzlerin. Wie SPIEGEL ONLINE am Mittwoch Abend meldete, gibt es "ernstzunehmende Hinweise" auf einen entsprechenden Angriff der NSA auf Angela Merkels Mobilfunktelefon. Nach einer Überprüfung durch den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik habe die Regierung den Verdacht offenbar für ausreichend plausibel gehalten, um die US-Regierung damit zu konfrontieren. Offenbar hat es sogar ein Gespräch zwischen den Staatschefs gegeben.
Das Abhören von Bundeskanzlern hat Tradition. So war den USA als Siegermacht in Deutschland jahrzehntelang beliebiges Abhören gestattet, eingeschlossen auch private Telefonate deutscher Spitzenpolitiker. Auch das DDR-Ministerium für Staatssicherheit hörte die privaten Gespräche ab und war in Bonn sogar zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Kanzlerbungalow in der Leitung. Als ehemalige DDR-Bürgerin, die sich in den letzten Tagen der DDR zum Neuen Forum bekannte, dürfte Merkel das Thema Überwachung durchaus nicht fremd sein. Nach nunmehr fast einem halben Jahr seit Beginn der Snowden-Leaks hat nun auch Kanzlerin offenbar das Problem verstanden. Möglicherweise wird sie Ronald Pofalla anrufen, um sich zu erkundigen, ob die NSA-Affäre denn auch tatsächlich beendet wurde. Für einen solchen Anruf wäre aber nicht ihr privates Handy das Gerät der Wahl, sondern das dienstliche, angeblich abhörsichere Merkelphone.
[Update:] Dem aktuellen Stand nach handelte es sich bei dem angezapften Telefon nicht um Merkels Privatgerät, sondern um ihr Diensthandy.
[2. Update:] Nunmehr soll es nicht das Diensthandy, sondern das Parteihandy sein.