Einem der bekanntesten Geisterhäuser der Schweiz soll der Garaus gemacht werden
– für ein Shopping-Center.
Niemand hat je verstanden, was sich im Herbst 1862 abgespielt hat in der Spychermatt kurz vor Stans, in jenem stattlichen Bauernhaus, das heute eingeklemmt dasteht zwischen Gotthardautobahn und Einkaufszentrum. Verbürgt ist aber, dass es damals im Haus zu poltern begann. Und zwar so laut, dass die Leute auf der Strasse stehen blieben und gar die Zeitungen darüber schrieben – worauf Schaulustige in Massen herbeiströmten, um einen Blick auf das Haus zu werfen, von dem es hiess, es spuke darin. Verbürgt ist auch: Hausherr Melchior Joller, liberaler Nationalrat und angesehener Anwalt, glaubte nicht an einen Spuk.
Joller, ganz Vernunftmensch, durchsuchte das Haus, zog Wissenschaftler und Baumeister zu Rate, suchte nach rationalen Erklärungen für das Gepolter gegen Wände und Böden, für die herumfliegenden Äpfel, die Möbel, die sich von alleine bewegten, und die weisse Gestalt, bei deren Anblick Sohn Oskar in Ohnmacht gefallen war.
Der Erfolg blieb aus, der Polter-Terror hielt an. Bald hiess es, Joller habe mit seinen liberalen Ideen den Zorn seiner verstorbenen Grossmutter Veronika Gut auf sich gezogen, die einst erbittert gegen Napoleons Soldaten gekämpft hatte. Jollers Kanzlei liefen die Mandanten davon, politische Freunde und Gegner spotteten gleichermassen über seine Geistergeschichten. Nervlich zerrüttet, floh Joller mit seiner Familie nach Rom, wo er wenig später starb, gebrochen und erst 47 Jahre alt. Seither, heisst es, ist es ruhig in der Spychermatt.
Doch nun droht dem Spukhaus Gepolter der anderen Art: Es soll einem 70 Meter hohen Hotel und Einkaufszentrum weichen. Der Unternehmer und Kunstmäzen Hermann Beyeler, Initiant des Projekts, scheint zwar durchaus ein Herz für Gespenster zu haben. «Wenn man das Haus betritt, ergreift einen eine gewisse Ehrfurcht», sagt er. «Deshalb bat ich die Behörden um ein Stück Land – ich hätte das Haus dort auf eigene Kosten originalgetreu wieder aufgebaut.» Doch die Behörden gingen auf den Vorschlag nicht ein. Ohnehin hat ihr Interesse am 1798 erbauten Spukhaus merklich nachgelassen: Während des Gepolters von 1862 liessen sie es noch von einer Kommission auf Gespenster untersuchen, mittlerweile halten sie es nicht einmal mehr für schutzwürdig.
Die Tage des Spukhauses sind also gezählt. Doch was passiert mit seinem Geist? Wird er nach temporärer Obdachlosigkeit ins neue Einkaufszentrum einziehen? Dort in der Möbelabteilung Radau schlagen und im Lebensmittelbereich mit Äpfeln um sich werfen? «Da mache ich mir keinen Kopf», sagt Beyeler. «Sollte es tatsächlich einen Geist geben, dann haben wir uns ihm gegenüber nie respektlos verhalten. Wir haben also nichts zu befürchten.»