Forschern des IBM-Labors in Rüschlikon bei Zürich ist in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universitäten Regensburg und Utrecht ein Durchbruch auf dem Gebiet der Nanotechnologie gelungen. Sie konnten zum ersten Mal den Ladungszustand von einzelnen Atomen direkt mittels Rasterkraftmikroskopie (RKM) messen - eine Voraussetzung für molekulare Chips.
Die Präzision, mit der sie dabei zwischen ungeladenen bzw. positiv oder negativ geladenen Atomen unterscheiden konnten, betrug eine einzelne Elektronenladung bei einer nanometergenauen räumlichen Auflösung. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Erforschung von Nanostrukturen und Bausteinen auf atomarer und molekularer Skala in Anwendungsbereichen wie etwa der molekularen Elektronik, der Katalyse oder der Photovoltaik.
Die Arbeit von Leo Gross, Fabian Mohn und Gerhard Meyer vom IBM Forschungslabor Zürich und Kollegen der Universitäten Regensburg und Utrecht ist in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Science erschienen. Sie berichten darin, wie sie einzelne, unterschiedlich geladene Gold- und Silberatome abbilden und deren Ladungszustand aufgrund kleinster Unterschiede in der Kraft zwischen der Spitze eines Rasterkraftmikroskops und diesen Atomen exakt bestimmen konnten.
Für ihre Experimente verwendeten die Forscher eine Kombination aus Rastertunnel- (RTM) und Rasterkraftmikroskop (RKM), betrieben im Ultrahochvakuum und bei tiefen Temperaturen (5 Kelvin), um die für die Messungen notwendige Stabilität zu erreichen.
Dadurch konnten die IBM Forscher die minimalen Unterschiede in der Kraft messen, die zwischen einem neutralen Goldatom und einem Goldatom mit einem zusätzlichen Elektron herrschen. Die Differenz beträgt nur etwa 11 Pikonewton. Die Forscher bestimmten zudem, wie sich die Kraft mit der zwischen Spitze und Probe angelegten Spannung veränderte. Dies erlaubte die Unterscheidung, ob das entsprechende Atom negativ oder positiv geladen war.
Dieser Durchbruch ist ein weiterer, wichtiger Fortschritt auf dem Gebiet der Nanoforschung. Im Gegensatz zum RTM, das auf elektrisch leitfähige Proben angewiesen ist, kann das RKM auch für nichtleitende Proben verwendet werden. In der molekularen Elektronik, in der die Verwendung von Molekülen als funktionale Bausteine in zukünftigen Schaltkreisen und Prozessoren erforscht wird, werden nichtleitende Trägersubstanzen (Substrate) benötigt. Deshalb würde bei solchen Experimenten bevorzugt die Rasterkraftmikroskopie zum Einsatz kommen.
“Das Rasterkraftmikroskop mit einer Messgenauigkeit von einer Elektronenladung ist hervorragend dazu geeignet, den Ladungstransfer in Molekülkomplexen zu untersuchen, was uns wertvolle, neue Erkenntnisse und physikalische Grundlagen liefern könnte und zudem eines Tages zu neuen Bauelementen in der Informationstechnologie führen könnte”, erklärt Gerhard Meyer, der die Forschung im Bereich Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskopie am IBM Forschungslabor Zürich leitet. Computerbausteine auf der molekularen Skala haben das Potenzial, um Grössenordnungen kleiner, schneller und auch energieeffizienter zu sein als heutige Transistoren und Speicherbausteine.
Für zukünftige Experimente können sich die Forscher vorstellen, Verbindungen aus einzelnen metallischen Atomen und Molekülen herzustellen, diese mit Elektronen zu laden und deren Verteilung direkt mit dem RKM zu messen.