Kinzel
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus,
dass es die vermeintliche Attacke gegen
Kinzel nicht gegeben hat. (Archivbild)

Im Fall der angeblichen Messerattacke von Rechtsradikalen auf den Schweriner Linken-Politiker Julian Kinzel hat die Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen Kinzel eingeleitet. Es gehe um den Verdacht auf Vortäuschung einer Straftat, sagte ein Behördensprecher am Montag in Schwerin. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse ließen die Ermittler zu dem Schluss kommen, dass Kinzel den Überfall auf sich erfunden hat, teilte Staatsanwalts-Sprecher Stefan Urbanek mit.

Nazi-Überfall frei erfunden?

Eigenen Angaben zufolge war Kinzel vor einer Woche in Wismar von drei unbekannten, der rechten Szene angehörenden Männern angegriffen, als "schwule Kommunistensau" beschimpft und mit einem Messer mehrfach verletzt worden. Nur durch seinen dicken Mantel sei er schweren Verletzungen entgangen, wie Kinzel dem NDR berichtete. Doch an dieser Darstellung hat die Staatsanwaltschaft erhebliche Zweifel.


 

Staatsanwaltschaft: "Selbstbeibringung wahrscheinlich"

Ausschlaggebend dafür sei das Gutachten eines Rechtsmediziners, der die Verletzungen Kinzels untersucht hatte. Dabei sei herausgekommen, dass "die Art der Verletzungen nicht mit dem behaupteten Verlauf des Überfalles in Übereinstimmung zu bringen seien, eine Selbstbeibringung dagegen hinreichend wahrscheinlich ist", wie es weiter hieß. NDR Recherchen hatten zuvor bereits ergeben, dass die Wunden Kinzels am Arm Schnitte zeigten, die kreuz und quer über den Unterarm verliefen. Dies sei nur schwerlich mit dem behaupteten Tathergang in Einklang zu bringen, sagte eine Gerichtsmedizinerin dem NDR Nordmagazin.

Kinzel konnte ramponierten Mantel nicht vorzeigen

Die Staatsanwaltschaft verwies am Montag noch auf weitere Ungereimtheiten. So sei Kinzel nicht in der Lage gewesen, den bei dem vermeintlichen Überfall beschädigten Mantel bei der Polizei vorzulegen. Der Jungpolitiker habe als Erklärung angegeben, dass der Mantel nach der Tat gestohlen worden sei. Die Vortäuschung einer Straftat wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet.

Von Beginn an Ungereimtheiten

Von Anfang an gab es Verwunderung darüber, dass das Opfer nicht sofort die Polizei gerufen hat, sondern erst einen Tag später eine Anzeige aufgab. Die Meldung geschah wiederum auch nur über die sogenannte Internet-Wache, also nicht persönlich bei der Polizei. Selbst für die Polizei war dann eine Kontaktaufnahme mit Kinzel lange nicht möglich. Julian Kinzel ist für den NDR seit Tagen nicht zu erreichen.

Linken-Kreisvorsitzender: "Keine anderen Erkenntnisse"

Der Schweriner Linken-Kreisvorsitzende Peter Brill, der in der Vorwoche mit einer Pressemitteilung den Fall öffentlich gemacht hatte, wollte sich zu dem nun gegen seinen Vorstandskollegen eröffneten Verfahren nicht äußern. "Mir liegen keine anderen Erkenntnisse vor als in der vorigen Woche", sagte Brill. An den Angaben habe es für ihn keine Zweifel gegeben.


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