Selbstorganisation im Internet

In Anbetracht der Teilnehmerzahl im Internet ist der Verwaltungsaufwand im Netz vergleichsweise klein. Die meisten Endanwender wissen nicht einmal, dass es solche Verwaltungsstellen überhaupt gibt.

Eine gesetzgeberische Institution, wie es sie etwa innerhalb des Verfassungsbereichs eines Staates gibt, gibt es im Internet als weltweitem Verbund nicht. Der Versuch, die ICANN-Behörde als oberste Vergabestelle für Domains und IPs zu etablieren, hat viel Staub aufgewirbelt, aber die Befürchtungen, dass da eine zentralistische Internet-Diktatur entsteht, haben sich bislang nicht bestätigt. Viele Bereiche im Internet beruhen faktisch auf Selbstorganisation. Bei Diensten wie E-Mail galt beispielsweise lange Zeit das stille Abkommen, dass jeder beteiligte Gateway alle E-Mails weiterleitete, auch wenn weder Sender noch Empfänger dem eigenen Subnetz angehörten. In der Anfangszeit des Internets konnten nämlich noch nicht alle angeschlossenen Server jederzeit jeden anderen Server direkt erreichen - diese Weiterleitung galt als eine Art freundlicher Nachbarschaftshilfe. Die Kosten trug der weiterleitende Netzbetreiber, der aber seinerseits von der Weiterleitung anderer Server auch für die eigenen E-Mails profitierte. Heutzutage ist das unkontrollierte Weiterleiten beliebiger E-Mails zu einem ernsten Ärgernis geworden, weil Spammer diesen Mechanismus zur Verbreitung ihrer unerwünschten Werbebotschaften mißbrauchen - und da mittlerweile jeder Mailserver direkt jeden anderen Mailserver erreichen kann, ist es zum Glück überflüssig geworden, die E-Mails auf diese Weise über mehrere Stationen weiterleiten zu müssen.

Die Funktionsfähigkeit des Internet basiert also auf der Bereitschaft der Beteiligten, keine Pfennigfuchserei zu betreiben! Großzügigkeit hat das Internet geschaffen, und Kleingeisterei ist der größte Feind der Internet-Idee.

Das Usenet, also der größte Teil der Newsgroups, organisiert sich sogar vollständig selbst, weshalb leidenschaftliche Anhänger dieses System gerne als real existierendes Beispiel für Herrschaftsfreiheit anführen. Die "Verwaltung" findet im Usenet in speziellen Newsgroups statt (solchen, die mit news. beginnen). Dort können beispielsweise Vorschläge für neue Gruppen eingebracht werden, und in Abstimmungen wird darüber entschieden, ob eine Gruppe eingerichtet oder abgeschafft wird.

Offizielle Anlaufstellen gibt es für die Vergabe von Netzwerkadressen (IP) und für Namensadressen (DNS). Für die Vergabe von IP-Adressen innerhalb eines Netzwerks ist der jeweilige Netzbetreiber verantwortlich. Dazu kommen Organisationen, die sich um Standards innerhalb des Internets kümmern.

Die Kosten für die Datenübertragungen im Internet tragen die Betreiber der Subnetze. Diese Kosten pflanzen sich nach unten fort zu Providern innerhalb der Subnetze bis hin zu Endanwendern, die über Provider Zugang zum Internet haben oder Internet-Services wie eigene Web-Seiten nutzen.

Die folgende Liste enthält einige Verweise zu den wichtigsten internationalen und nationalen Organisationen im Internet:

Deutsches Network Information Center (DENIC)
Vergabestelle für Domain-Namen unterhalb der Top-Level-Domain .de

International Network Information Center (InterNIC)
Zentralstelle für diverse Top-Level-Domains, geführt von der ICANN.

The Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN)
Oberste Organisation für die technische Regulierung des Internets (z.B. Schaffung von neuen Top-Level-Domains).

Internet Architecture Board (IAB)
Organisation zur Dokumentation der Netzstruktur und der grundsätzlichen Abläufe im Internet.

Internet Assigned Numbers Authority (IANA)
Zentrale Koordinationsstelle für Internet-Protokolle und die Vergabe von IP-Adressräumen an regionale Verwaltungen (z.B. ARIN (Nordamerika), RIPE (Europa), APNIC (Asien)).

Internet Engineering Task Force (IETF)
Internationale Gemeinschaft von kommerziellen und nichtkommerziellen Aktiven im Internet mit dem Ziel, technische Standards im Internet vorzuschlagen.

Internet Society
Internationale Organisation für die Kooperation und Koordination von Technologien und Anwendungen im Internet.

W3-Konsortium
Organisation, die speziell die Weiterentwicklung technischer Standards des World Wide Web koordiniert, etwa HTML oder das HTTP-Protokoll.

Vor allem jene Organisationen, die sich um die technische Weiterentwicklung im Internet kümmern, werden zunehmend von großen Software-Firmen wie Microsoft, Netscape oder Sun bestürmt, da diese Firmen ein Interesse daran haben, ihren Software-Produkten und hauseigenen Standards bei Server-Technologien, Programmiersprachen usw. zum Status weltweiter Internet-Standards zu verhelfen. Ob und wie weit es gelingt, im Internet angesichts des entstehenden Milliardenmarkts neue, firmenunabhängige Standards durchzusetzen, die so erfolgreich werden wie HTML oder HTTP, muss die Zukunft zeigen. Derzeit sieht es gar nicht schlecht aus. Die meisten Computer-Konzerne haben begriffen, dass firmenunabhängige Standards ihnen selber letztlich auch mehr bringen. Und der Druck aufgeklärter Anwender, die keine Lust mehr haben, wegen allem und jedem eine neue, proprietäre Software kaufen zu müssen, die nach ein paar Jahren wieder "out" ist und vom Markt verschwindet, wächst ebenfalls.