"Das fehlt uns gerade noch"
Bosbach sagte, es möge für eine Massenimpfung "sehr, sehr gute Gründe" geben, "aber es ist immer noch die Freiheit des Einzelnen, ob man sich nun impfen lässt oder nicht". Er selbst habe sich entschieden, "mich nicht dagegen impfen zu lassen, und da muss ich mich auch nicht von den Bürgerinnen und Bürgern fragen lassen, ob ich möglicherweise einen Impfstoff de luxe bekommen hätte, nur weil ich Bundestagsabgeordneter bin. Das sind die Debatten, die uns gerade noch fehlen."
Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Aus welchen Gründen der eine Impfstoff so und der andere so bestellt worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis, sagte Schäuble im Bayerischen Rundfunk. "Aber die Darstellung, dass hier eine Privilegierung von politischen Verantwortungsträgern vorgesehen sei, das ist nun wirklich jenseits jeder Realität. Ich weiß gar nicht, ob ich mich jemals impfen lassen werde."
"Nicht besser, sondern anders"
Eine Sprecherin des Innenministeriums hatte der "Berliner Zeitung" zuvor gesagt, das zuständige Beschaffungsamt habe mit dem Hersteller Baxter schon vor vielen Monaten einen Vertrag abgeschlossen, den man einhalten müsse. Zum damaligen Zeitpunkt sei von möglichen Unterschieden der beiden Stoffe keine Rede gewesen. Das Beschaffungsamt hat laut "Spiegel" 200.000 Dosen Celvapan der Firma Baxter gekauft.
Allerdings hatte die Bundeswehr die Tatsache, dass Soldaten mit Celvapan geimpft werden sollen, durchaus mit der besseren Verträglichkeit des Mittels begründet. Zielgruppe für die Impfungen sind vor allem Soldaten im Auslandseinsatz, die eine Vielzahl verschiedener Impfungen brauchen. Deshalb spiele die wechselseitige Verträglichkeit der Seren eine große Rolle, hatte ein Sprecher des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vor einer Woche gesagt: "Wir sind nicht was Besseres, sondern wir sind was Anderes."
Die Rolle der Wirkstoffverstärker
Celvapan enthält keine Wirkstoffverstärker - so genannte Adjuvanzien -, sondern eine höhere Konzentration der deaktivierten Grippe-Viren. Zusatzstoffe erübrigen sich daher. Zur Versorgung der Bevölkerung wird seit dieser Woche der Impfstoff Pandemrix von GlaxoSmithKline ausgeliefert. Pandemrix enthält verstärkende Zusätze. Daher werden pro Impfung weniger deaktivierte Grippe-Viren gebraucht, es können also größere Mengen Impfstoff hergestellt werden.
Die Wirkstoffverstärker werden von einigen Ärzten kritisch gesehen. Zudem wird kritisiert, die Impfstoffe seien nur ungenügend geprüft und ungeachtet des Risikos möglicher Nebenwirkungen im Schnellverfahren freigegeben worden. Dagegen versicherten Regierung und das für die Zulassung von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut, es gebe kein größeres Risiko für die Bevölkerung.
Merkel geht zum Hausarzt
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vertraut bei der Frage nach einer Impfung gegen die Schweinegrippe ganz ihrem Arzt. "Sie wird natürlich, wenn der Impfstoff dann in den Praxen angekommen sein wird in den nächsten Tagen, mit ihrem Hausarzt sprechen", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Wenn er ihr sagt, es ist richtig, sich jetzt impfen zu lassen, dann wird sie das machen." Falls sie sich dann für eine Impfung entscheidet, wird sie nach Angaben von Wilhelm keinen besonderen Impfstoff wählen, sondern den üblichen, der in allen Hausarztpraxen verwendet wird.
Auch die scheidende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) will sich mit Pandemrix impfen lassen. Der "Bild"-Zeitung sagte sie: "Ich lasse mich mit dem Impfstoff impfen, mit dem auch die Bevölkerung geimpft wird. Der ist genauso wie die anderen zugelassen, sicher und wirksam."
Vorteil von Pandemrix
Die Bundesregierung habe für sich keinen besseren Impfstoff gegen Schweinegrippe als für den Rest der Bevölkerung bestellt, sagte Wilhelm. Entsprechende Meldungen wies er entschieden zurück. "Sie entbehren jeder Grundlage", sagte Wilhelm. "Richtig ist, es gibt keinen besseren oder schlechteren Impfstoff." Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, sagte, der Impfstoff für die Mehrheit habe entscheidende Vorteile, weil er in größerer Menge zu produzieren sei sowie breiter wirke.
Die Schweinegrippe-Impfungen sollen am 26. Oktober starten. Die Länder haben bisher 50 Millionen Dosen Pandemrix geordert. Zudem haben sie die Option für den Nachkauf von weiteren 18 Millionen Dosen Focetria des Pharmaherstellers Novartis. "Alle drei bisher zugelassenen Impfstoffe sind wirksam und verträglich, es gibt keinerlei gefährliche Nebenwirkungen", betonte eine Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts am Wochenende. Sie widersprach einer "Spiegel"-Meldung, nach der die Mitarbeiter des Instituts mit Celvapan geimpft würden. Stattdessen werde Pandemrix verwendet. "Wir sind der Meinung, das ist ein guter Impfstoff", sagte die Sprechern. "Wir haben ihn für die Bevölkerung empfohlen und wollen ihn auch für uns." Das Paul-Ehrlich-Institut ist dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt.
Schwangere als Sonderfall
Schwangere zählen zur Risikogruppe, weil die Schweinegrippe zu Komplikationen führen kann. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden ist nicht bekannt, dass für Schwangere durch die Impfungen eine Gefährdung besteht. Allerdings gibt es bisher keine Erfahrungen und Daten, auf die sich die Experten stützen können. So birgt Pandemrix unter Umständen das Risiko einer fiebrigen Reaktion, die das ungeborene Kind gefährden könnte.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, bei Schwangeren einen zusatzfreien Spaltimpfstoff zu verwenden, der inaktive Teile des Krankheitserregers enthält und deshalb als verträglicher gilt. Ein solcher Impfstoff ist hierzulande aber bislang noch nicht zugelassen. Nach Angaben des Thüringer Gesundheitsministeriums soll ein solches Präparat voraussichtlich bis Mitte oder Ende November zur Verfügung stehen. Bis dahin, so die Stiko, könne auch "die Anwendung von einer Erwachsenendosis Pandemrix" sinnvoll sein.
Genug Zeit für beide Impfungen
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gibt es "noch keine klinischen Daten zur zeitgleichen Gabe saisonaler Influenza-Impfstoffe und pandemischer Influenza A (H1N1)-Impfstoffe". Bei Pandemrix werde eine gleichzeitige Impfung zwar nicht ausgeschlossen, doch solle "bedacht werden, dass bei einer gleichzeitigen Gabe der beiden Impfstoffe eine eindeutige Zuordnung von unerwünschten Wirkungen zu einem der beiden Impfstoffe nicht erfolgen kann".
In der Praxis sollte eine Impfung bis Ende November erfolgen. Es dauert etwa zwei Wochen, bis der Impfschutz entwickelt ist - wer zwei bis drei Wochen zwischen beiden Impfungen verstreichen lässt, umgeht das Problem der Zuordnung der Nebenwirkungen.
Im Übrigen sind die Risikogruppen bei Schweinegrippe und der "Wintergrippe" nicht identisch. Anders als bei der "Wintergrippe" erkranken an der Schweinegrippe vorwiegend jüngere Menschen. Ältere Menschen erkranken weniger häufig.
Pandemrix auch für Privatpatienten
Privatversicherte erhalten Impfstoffe gegen Schweinegrippe mit Wirkstoffverstärker wie gesetzlich Versicherte auch. "Privatversicherte bekommen dasselbe wie alle", sagte der Sprecher des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV), Stefan Reker.
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