Wer öfters nach Thailand kommt oder sogar hier lebt, ist sich bewusst, dass man sich in Situationen wiederfinden kann, die schlichtweg gefährlich für Leib und Leben sind. Ich vernehme bereits wieder ein entferntes Grollen aus dem Lager der sogenannten Advokaten der Toleranz: “Jetzt fängt der Schmid abermals an, über Thailand herzuziehen.”

Keineswegs, und ich will mich auch flugs erklären. Mit “Situationen” meine ich in keiner Weise den Umstand, dass man von einem Polizisten sang- und klanglos über den Haufen geschossen werden kann, wie das einem Touristenpärchen in Kanchanaburi passierte. Gottlob hat aber hier die thailändische Justiz einmal gnadenlos gegriffen und der Polizist wurde trotz Widerrufs seines ursprünglichen Geständnisses zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

Mit “Situationen” spiele ich auch nicht darauf an, dass es passieren kann, dass man einen Katoey ins Condominium mitnimmt, nur um kurz darauf aus dem achten Stock zu segeln und auf dem Bürgersteig zu zerschellen, was die Polizei in den meisten Fällen als “klaren Fall von Selbstmord” beurteilt.

Nein, meine “Situationen” sind solche der ganz alltäglichen, wenngleich ziemlich bizarren Art. Nehmen wir zum Beispiel Bauarbeiten. In Bangkok und anderen grösseren Städten ist man dieser Gefahr praktisch ständig ausgesetzt. Vor Jahren bewohnte einer meiner englischen Kumpels ein kleines Haus in der Asoke Road (Sukhumvit 21). Das Heim besass einen ausgedehnten Hintergarten. Allerdings war das Nachbargrundstück, das an an die rückwärtige Gartenmauer angrenzte seit geraumer Zeit zur Baustelle geworden. Ein Hochhaus wurde in die Höhe gezogen. Eines Morgens bereitete mein Kumpel Kaffee in seiner Küche zu. Plötzlich vernahm er einen dumpfen Knall aus dem Garten. Als er ins Freie trat sah er, dass sich ein Betontrog in seinen Rasen gebohrt hatte. Frischer Zement ummantelte Gras und Büsche, einschliesslich der geliebten Radieschen, die er in einem kleinen Beet zog. Es war ihm sofort klar, woher der tonnenschwere Trog stammen musste Ergo begab er sich ins Büro der Bauverwaltung. Dort entschuldigte man sich für das Malheur. Der Chefingenieur versicherte, dass Arbeiter den Trog sofort entfernen, den Garten säubern und das 50 Zentimeter tiefe Loch auffüllen würden. “Ach, wie schön,” sagte da mein Kumpel. “Ach wie schön, dass ich die Gartenparty, die ich eigentlich heute veranstalten wollte, kurzfristig verschieben musste.” Woraufhin dem Ingenieur die Kinnlade sackte.

Sicherlich, vieles hat sich in den vergangenen Jahren selbst in Thailand hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen am Bau verbessert. Allerdings halten sich nicht alle Unternehmen an die bestehenden Vorschriften und – wie üblich – ist die Überwachung derselben lückenhaft.

Das beste Beispiel ist vielleicht die gegenwärtig voranschreitende zweite Bauphase des Skytrain zwischen Sukhumvit Soi 62 und Bangna. Dort soll es gemäss der Tageszeitung “The Nation” regelmässig Baumaterialien regnen.

Taxifahrer Sommai Saengsawart berichtete zum Beispiel, ein grosses Stück harten Betons hätte seine Windschutzscheibe zertrümmert. Dabei hatte er noch Glück im Unglück. Während der ersten Phase des Skytrain fiel ein ganzer Stahlpfeiler auf das Vehikels eines seiner Kollegen. Der Fahrer wurde zerquetscht.

Pongsak Sangratanachaikul, glücklicher Besitzer eines Merzedes, geriet auf derselben Strecke in einen unerwarteten Schauer flüssigen Zements, was dem Lack des Luxusautos natürlich schlecht bekam. Er fügte hinzu, dass dasselbe wenige Tage zuvor einem seiner Bekannten zustiess. Die Baufirma leistete unbürokratische Erstattung des Schadens aus nicht so sehr an den Haaren herbeigezogenen Gründen.

Lakonischer Kommentar der Expressway and Rapid Transit Authority, die das Projekt in Auftrag gab? “Wir haben die Baufirma ständig dazu ermahnt, den Sicherheitsvorschriften Folge zu leisten.” So kann man sich auch aus der Affäre ziehen. Wir haben ja ermahnt.

Dass man die wohlgemeinten Ermahnungen über Sicherheitsvorschriften auf gut deutsch ganz allgemein in den Wind schiesst, ergibt sich aber aus der Aussage der Redakteurin des Radiosenders FM91, der rund um die Uhr Verkehrsdurchsagen sendet. Laut Jaithana Sriwangpon hat ihr Sender “seit Beginn des Jahres mindestens 2.000 Beschwerden über Konstruktionsprojekte überall in Bangkok erhalten.” Diese Beschwerden rangierten von fahrlässiger Gefährdung der Öffentlichkeit bis hin zu simpler Beeinträchtigung des Verkehrsflusses.

Unsere thailändischen Gastgeber verstehen es aber auch allzu leicht, die einfachsten Sicherheitsregeln ausser acht zu lassen. Das führt dann dazu, dass Gebäude mehr Stockwerke erhalten, als die zugelassene Konstruktion unterstützen kann. Das Resultat: Man erinnert sich vielleicht noch an den Kollaps des Hotels in Korat oder an das Kaufhaus in Bangkok.

Oder wie wäre es mit diesem: In meiner früheren Nachbarschaft an der Petchburi Road brannte eines Nachts ein Geschäftshaus bis auf die Grundmauern nieder. Aufgrund einer grosszügig ausgeschütteten Versicherungssumme begannen die Besitzer schon bald mit der Neuerrichtung. Das Resultat war ein supermodernes, neues Geschäft, das auch zünftig eingeweiht werden sollte. Eine Menge Gäste fanden sich ein. Eine Kapelle spielte auf. Das gesamte Haus war mit bunten Stanniolstreifen und Kreppgirlanden dekoriert. Was man natürlich völlig ausser acht gelassen hatte, war der Umstand, dass sich direkt an der Hausecke ein Strompfosten mit Transformator befand. Während sich der Ringelpiez am Fusse des Pfeilers seinem Höhepunkt näherte, begann ein leichter Wind zu wehen. Ich beobachtete das Treiben aus gehörigem Abstand. Denn ich wusste, was folgen würde, obgleich ich keineswegs hellseherisch begabt bin. Kurzum: Stanniolstreifen trieben in den Transformator. Funken sprühten. Der Transformator explodierte und fing Feuer. Dank der reichlichen Dekoration befand sich auch sogleich das erste Stockwerk erneut in Flammen. Der Brand wurde zwar rasch gelöscht, aber mein Vertrauen in ein rudimentäres Sicherheitsverständnis unter Thailands Mitbürgern war doch etwas erschüttert.

Auch das Reisen innerhalb des Landes scheint unter Umständen recht gefährlich zu sein. Ich möchte hier auch gar nicht auf überladene, gesunkene Fähren, die über keine Schwimmwesten verfügten, eingehen. Auch nicht auf Phuket Air, deren Flugzeuge in einem derart schlechten Zustand sein müssen, dass die Fluglinie inzwischen Verkehrsverbot erhalten hat und vor allem etliche europäische Länder nicht mehr anfliegen darf.

Falls Sie selber in Thailand Auto fahren, wollen Sie mir sicherlich Recht geben, dass es bei den Thais in der absolut überwiegenden Mehrzal an einem zumindest in Ansätzen erfassten Vekehrsverständis mangelt. Das beginnt schon damit, wenn Sie versuchen eine dreispurige Fahrbahn auf einem Zebrastreigen zu überqueren. Wenige Autos werden wegen Ihnen anhalten. Die beste Strategie ist, sich mit anderen Passanten zusammen zu tun und die Stasse gemeinsam zuüberqueren. Es ist (psychologisch) problematischer, zehn Menschen über den Haufen zu fahren anstatt einen einzelnen.

Busfahrten in lokalen Bussen sind die Hölle. Ständig hat man den Eindruck, dass der Fahrer so rast, weil er rechtzeigig zu Hause sein möchte um sich das neueste Boxing Match anzuschauen. Da wird in nullkommanix und in Ignoranz des Verkehrs von einer Spur auf die andere umgewechselt. Angehalten wird sowieso nur in der dritten Reihe, um Passagiere ein- und aussteigen zu lassen.

Falls Sie wirklich Pech haben, befinden sich an Bord Ihres Busse gar einige dieser unrühmlich bekannten Berufsschüler, die mit Messern und selbstgefertigten Pistolen aufeinander losgehen. Wohl dem, der sich aus der Angriffsfront heraushalten kann. Ach, der Buddhismus ist halt schon eine friedfertige Religion.

Ein Sicherheitsabstand zwischen Autos scheint auch nicht bekannt zu sein. Jedes Vehikel, das mit 90 Stundenkiometern dahinrast, hält höchstens einen Abstand von 12 Zentimetern zum Vordermann ein.

Die Überlandbusse sind die schlimmsten. Zehntonnenlaster werden im Schneckentempo überholt, während es in steilen Bergkurven mit 70 kmh zur Sache geht. Es verwundert nicht, dass manche dieser Busse in Schluchten stürzen.

Alkoholkonsum ist ein weiteres Problem. Obgleich es in Thailand verboten ist, sich mit mehr als 0.5 Promille hinter das Steuer zu setzen, erscheint es zu vielen Zeitgenossen ein gegebenes Recht. Ein thailändischer Popstar, der seinen Merzedes unter Alkoholeinfluss in ein Taxi rammte, kam dereinst mit 250.000 Baht (5.000 Euro) davon. Das schloss die Beerdigung des Taxifahrers mit ein. Wie billig ist ein Menschenleben?

Travel for your Life

In wieweit das Reisebüro, das seine Dienste mit dem Schaufensterslogan “Travel For Your Life” (siehe Foto) anbiedert, Tickets für Phuket Air anbietet, ist mir nicht bekannt. “Travel For Your Life” übersetzt sich allerdings als “Reisen Sie um Ihr Leben”. Ich rannte lieber, denn als ich die Kamera ansetzte, erhob sich jedermann im Büro und rannte zur Tür. Ich rannte um mein Leben. Deshalb ist das Foto unscharf.

Und um noch einmal auf Baukonstruktionen zurückzukommen. In einem internationalen Magazin fand ich folgende Nachricht: Eine Brücke auf der indonesischen Insel Sumatra ist kurz vor dem Einsturz. Nein, nicht wegen schlechten Baumaterials. Das Problem ist, dass zu viele Autofahrer in der Suche nach flinker Erleichterung (englisch: searching for quick relief) an die Stahlpfeiler der Brücke pinkeln. Als Folge sind die Pfeiler mittlerweile so stark korrodiert, dass es befürchtet wird, die Brücke könnte darnieder gehen. Obschon ich mit indonesischer Küche einigermassen vertraut bin, scheinen mir einige der schärfer gewürzten Gerichte entgangen zu sein.

Zu scharf zu sein kann man den Thais allerdings zumindest nicht in der Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften, die der allgemeinen Sicherheit dienen, nachsagen. Vielleicht sind wir deshalb so gerne hier.