Ausflug ins Unbekannte und Rückkehr zum alten Trott

Für die letzte Woche hatte ich einen alten Schulfreund zum ersten Mal hier auf Besuch in Thailand. Ich überlegte mir deshalb rechtzeitig vor seiner Ankunft, was ich ihm während seiner sieben Tage bieten könnte. Selbstverständlich wollte ich nicht, dass er die ganze Zeit in Bangkok herumsitzt, sondern auch einen anderen Teil des Landes kennenlernt. Damit fiel auch sogleich Pattaya flach, denn ich wollte ihn auch nicht nur von einer Bar zur anderen schleppen. Er ist sowieso kein Trinker. Hua Hin erschien mir zu ruhig und Ko Samed oder Ko Chang wurden verworfen, weil Ralf, so heisst mein Freund, kein Strandtyp ist. Letzendlich versteifte ich mich dann auf die westlich von Bangkok gelegene Provinz Kanchanaburi. Eine gute Wahl, wie sich später herausstellen sollte. Mit dem Auto erreichten wir die gleichnamige Provinzhauptstadt auf gut ausgebauten Strassen innerhalb von zwei Stunden. Ausser der berühmt-berüchtigten “Brücke am Kwai” und einigen Soldatenfriedhöfen und Tempeln gab es dort zwar nicht viel zu sehen, aber der Abend an der Flusspromenade gestaltete sich wegen der ausgezeichneten, auf Flössen schwimmenden Restaurants und des bescheidenen aber ausreichenden Angebots an kleinen Bars sehr angenehm. Am nächsten Morgen ging es weiter in Richtung der burmesischen Grenze. Kanchanaburi ist Thailands viertgrösste Provinz und zugleich eine der am dünnsten besiedelten. Ergo besitzt der Landstrich eine Fülle von nahezu jungfräulichem Urwald inmitten einer beständig grandioser werdenden Bergszenerie. Bei ausgedehnten Wanderungen über Dschungelpfade besuchten wir etliche Wasserfälle und trafen fast während der gesamten Tour auf praktisch keine Touristen, weder Thais noch Ausländer. Wir dinierten augiebigst in netten Thai-Restaurants und gaben dabei jedes Mal kaum 5 bis 6 Euro pro gemeinsamem Mahl aus, einschliesslich Bier. Je weiter es in die Pampa ging, desto billiger wurde es. Übernachtet wurde in kleinen, gutausgestatteten Hotels, die mit durchschnittlich 500 Baht pro Nacht zu Buche schlugen. In der Grenzstadt Sangkhlaburi waren wir gar die einzigen Gäste im dortigen Hotel und machten einen Abstecher zum sogenannten “Drei-Pagoden-Pass”, dem einzigen Grenzübertritt nach Myanmar in der Region. Dort verursachte Ralf fast einen internationalen Zwischenfall, als ihn die Blase drückte. Er verzog sich hinter eine Reihe von Bambushütten auf der Suche nach einem stillen Plätzchen, war sich aber nicht bewusst, dass direkt dort die Grenzlinie verlief. Glücklicherweise wurde er von einem thailändischen Jungen rechtzeitig zurückgepfiffen. Die burmesischen Grenzposten hatten bereits die Sturmgewehre im Anschlag. Am letzten Abend kehrten wir auf dem Rückweg nach Bangkok in einer romantischen Flosshausanlage im Sai Yok-Nationalpark ein, wo wir dann letztendlich doch noch auf eine Gruppe englischer Touristen stiessen. Die Anlage besass keinerlei Strom, was die Atmosphäre nach Einbruch der Nacht noch unterstrich. Nachdem Ralf und die meisten anderen Gäste sich um ca. 23 Uhr bei absoluter Dunkelheit zurückgezogen hatten, sass ich beim Schein einer Petroleumfunzel noch mit zwei Engländern für ein paar Biere zusammen. Ich holte weitere drei Flaschen aus einer Plastiktüte, die wir mit dem Bier zur Kühlung in den eiskalten Fluss gehängt hatten, da es weder einen Kühlschrank noch Eis zu kaufen gab. Als ich mich wieder setzen wollte, geschah es dann: Unter meinem zusätzlichen Gewicht gab die Bank, die bislang gute Dienste geleistet hatte, urplötzlich ihren Geist auf. Zwar versuchten wir alle drei uns noch am Tisch festzuhalten. Das hatte aber lediglich den Effekt, dass wir diesen auch noch mit umrissen. Die Flaschen und die Ölfunzel und drei Trunkenbolde kugelten am Boden. Das fasste ich als ein göttliches Zeichen dafür auf, dass wir nunmehr genug getrunken hatten. Demnach begaben wir uns also ebenfalls zur Nachtruhe. Am nächsten Morgen bot sich das Bild eines Schlachtfeldes. Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man denken können, auf der Veranda hätte eine ganze Fussballmannschaft gefeiert. Nach eiligem, etwas beschämtem Aufräumen flohen wir. Glücklich aus dem Dschungel zurückgekehrt führte ich Ralf am letzten Abend noch ein wenig durch die Bangkoker Rotlichtszene, was selbst ihm, dem eingeschworenen Nichttrinker, sichtlich zusagte. Ich sinnierte, ob wir doch nicht besser in Bangkok hätten bleiben sollen, denn meine untrainierten Oberschenkel litten nach den ungewohnten Waldwanderungen zu unberührten Wasserfällen an erheblichem Muskelkater. Nichtsdestotrotz war es dann aber auch an der Zeit, dass Ralf abreiste, denn auf meinem Schreibtisch hatte sich doch etliche Arbeit angehäuft. Darunter befanden sich auch etliche Mails mit den seltsamsten Nachrichten. Mit einer Auswahl der besten beglücke ich den Leser hier.

Ende Februar führte die Kasetsart-Universität auf allerhöchsten Befehl vom Polizeipräsidium einen Test auf Verkehrsregeln unter Bangkoks Schupo-Phalanx durch. Nun wurden die Ergebnisse bekannt. Von 4.500 teilnehmenden Verkehrspolizisten fielen 665 (fast 15 Prozent) sang- und klanglos durch. Weitere 763 bestanden mit Ach und Krach. Als Strafe wurde es den Durchgefallenen bis “auf weiteres” untersagt, Strafzettel auszustellen. Man darf jedoch annehmen, dass das Abkassieren von “Geldspenden ohne Quitung” auch unter den Durchfallern dennoch weiterhin wie bisher betrieben wird. Ausserdem frage ich mich, ob vielleicht die Testfragen nicht schlichtweg zu anspruchsvoll für den durchschnittlichen Verkehrspolizisten waren. Deshalb habe ich über ein paar “Multiple Choice”-Fragen nachsinniert, die die Universität vielleicht in den nächsten Test eingliedern mag, da die richtige Beantwortung jener kaum Probleme bereiten dürfte:

  1. Welche Nebenberufe darf ein Verkehspolizist ausser Dienst ausführen?
    1. Schuldeneintreiber für einen Lohnhai
    2. Angeheuerter Killer für einen einflussreichen Politiker
    3. Rausschmeisser und Schläger in einer populären Disko
    4. Betreiber eines Karaokeschuppens oder Massagesalons
    5. Alle vier (A bis D)
  2. Was wird gemacht wenn man irrtümlicherweise einen Mercedes Benz an den Strassenrand winkt?
    1. Man entschuldigt sich und lässt den einflussreichen Fahrer weiterziehen
    2. Man entschuldigt sich nicht, schreibt einen Strafzettel und riskiert damit eine Strafversetzung nach Nakhorn Nirgends
    3. Man bietet seine unentgeldichen Dienste als angeheuerter Killer an
    4. Nur A und C
  3. Auf welchen Verkehrswegen dürfen sich Polizeimotorräder jederzeit bewegen?
    1. Auf Gehsteigen, besonders wenn diese mit Passanten völlig überfüllt sind
    2. Auf Einbahnstrassen, besonders gegen den Verkehrsstrom
    3. Auf Überführungsbrücken, auch wenn diese für andere Motorräder gesperrt sind
    4. All drei (A bis C)
  4. Welche Strafe ist fällig für Zivilpersonen, die Zigarettenstummel auf öffentlichen Strassen und Plätzen fallenlassen?
    1. 200 Baht für Thais, 2.000 Baht für Ausländer
    2. Nichts für Thais, 2.000 Baht für Ausländer

Genug gelästert. Manchmal muss man eben auch ein Auge zudrücken. Darüber kann Ihnen der Abt eines Klosters in Ang Thong (ca. 70 km nördlich von Bangkok) Bände erzählen. Jener griff nämlich neulich irrtümlich zu einer Tube Superkleber anstatt seiner üblichen Augentropfen und seine zugekleisterten Augenlider mussten ihm chirurgisch wieder geöffnet werden. Der Weg zum Nirwana ist mit etlichen Stolpersteinen versehen. Möglicherweise hat der Abt das aber auch absichtlich gemacht angesichts der leider zu oft zu lesenden Fisematenten, die seine safranberockten Religionsbrüder begehen.

Mittlerweile verlautbarte eine Forschungsgruppe in Nakhorn Ratchasima (Korat), dass es ihr gelungen wäre, durch Gentechnik eine neue Kuhrasse zu züchten, die bis zu 8.000 Liter Milch pro Jahr abgeben solle. Aus suspekten Gründen wurde das erste Kalb auf den Namen “Benz 3” getauft. Ich vermute nämlich, dass nach diesem Erfolg die Forschungsgelder vom Wissenschaftsministerium nur so fliessen werden und man sich dann endlich doch noch die so lange entbehrten Vehikel zulegen kann. Schon alleine, um damit den Häschern unter der Verkehrspolizei zu entwischen (siehe obige Testfrage).

Den neuen Mercedes kann man dann möglicherweise auch in einer der neuen “vollautomatischen” Parkgaragen abstellen. Von jenen will die Bangkoker Stadtverwaltung vier Stück zum Preis von jeweils 226 Millionen Baht einrichten. Jede hat eine Kapazität von 100 Autos. Die mit dem Projekt betrauten Herren geben allen Ernstes an, dass die zusätzliche Einrichtung von 400 Parkplätzen zur “Erleichterung der städtischen Verkehrssituation” beitragen wird. Da wir aber immer nur Schlechtes denken, stellen wir einmal in den Raum, dass jene Herren vielleicht nur eine “Erleichterung ihrer persönlichen finanziellen Situation” ins noch nicht vollends verklebte Auge gefasst haben.

Das Zitat der Woche kommt vom ehemaligen Massagehauskönig Chuwit Kamolwisit, seit neuestem Parlamentsmitglied der Chart Thai-Partei: “Es tut mir leid, dass ich Massagesalone betrieben habe. Viele Leute haben das als unmoralisch aufgefasst.” (Bangkok Post, 19 Februar). Das Zitat kam im Zusammenhang mit einer kürzlichen Aktion des Herrn Chuwit, der auf dem Platz vor dem Bangkoker Rathaus in aufmerksamkeitshaschender Manier mit seinem – dank Wahlposter – fast zum Markenzeichen geworden Schlaghammer eine Badewanne zertrümmerte, die aus einem der von ihm verkauften Badehäuser stammte. Ausserdem befindet sich Herr Chuwit derzeit auf einem Kreuzzug gegen einen gewissen Polizeioffizier, der angeblich ein Massaghaus direkt neben einer Schule betreiben soll. Es wurde nicht bekannt, ob der besagte Polizist seinen Laden von Herrn Chuwit erworben hat. Na, wenn wir es da nicht mit einem wirklich Bekehrten zu tun haben!

Zum Abschluss noch ein Aufruf an alle Leser: Die Deutsche Andrea Leger sucht nach ihrem dreijährigen Sohn Tim (siehe Fotos), der seit der Flutwellenkatastrophe im Dezember vermisst wird. Frau Leger hat bereits vergeblich Kranken- und Waisenhäuser in Thailand abgesucht und hat ausserdem die verschiedenen Botschaften angegangen, ohne ihren Sohn ausfindig machen zu können. Auch in den Leichenschauhäusern ist sie bislang nicht fündig geworden. Vielerorts wurde sie gar rüde abgekanzelt mit Worten wie z. B.: “Es gibt in Thailand keine unidentifizierten, ausländischen Kinder mehr, weder tot noch lebend.” Wer den Jungen erkennt oder auch nur einen wie so immer gearteten Hinweis geben kann, wendet sich bitte an den TIP. In ihrer Verzweiflung spekuliert Frau Leger gar, dass Tim in den Fängen von “Organhändlern” gelandet ist oder von einem obskuren Kinderhändlerring als Sexobjekt oder Adoptivkind verschachert wurde.