Skurriles Thailand
Langzeittouristen und Residenten wissen, dass uns Thailand mit skurrilen Geschichten, seltsamen Begebenheiten und unwillkürlichem – da nicht beabsichtigtem - Witz oder Sarkasmus bisweilen ganz schön auf Trab halten kann. Das fängt bereits beim “unfehlbaren” Premierminister an. Da sagte Herr Thaksin doch neulich, dass er nunmehr Distrikte im vom Terror geplagten Süden in Zonen einzuteilen gedenke. Distrikte, die der “grünen Zone” zugeschlagen werden, erhalten weiterhin Entwicklungsgelder vom Staat, da in ihnen keine Terroristen ihr Unwesen treiben und jene auch nicht von der Bevölkerung in irgendeiner Weise unterstützt werden. Die Distrikte in der “gelben Zone” sind zwar in eingeschränktem Masse böse Buben, aber in ihnen ist Hopfen und Malz noch nicht gänzlich verloren. Deshalb erhalten sie auch weiterhin Staatsgelder, wenn auch beschnitten. Doch, ach, Distrikte, die mit dem Edelprädikat der “roten Zone” versehen werden, sind nach Meinung des Führers hoffnungslos von Terroristenelementen durchsetzt und erhalten daher zukünftig keinen müden Baht mehr. “Bravo, Herr Thaksin!” ruft da der aufgeweckte Leser. “Das ist genau die richtige Strategie!” Kann es noch viel bizarrer kommen? Man dreht den Geldhahn zu und erreicht damit lediglich das Gegenteil, nämlich dass die Regierung in den betreffenden Distrikten weiterhin an Glaubwürdigkeit und Unterstützung verliert und die betroffene Bevölkerung sich noch stärker den islamischen Terroristen zuwendet. Man liebt in Regierungskreisen zwar die Thais, aber verstanden hat man sie deshalb noch lange nicht, zumindest nicht diejenigen im Süden. Und was für eine Art Liebe ist das sowieso, wenn man statt Zuwendung Abwendung praktizieren will? “Wir wollen nicht, dass Staatsgelder für terroristische Zwecke, wie zum Beispiel Bombenbasteln, verwendet werden,” kontert da der Führer, obgleich das Argument nicht richtig zieht. Es scheint, Herr Thaksin hat kein weitreichendes Vertrauen zu südlichen Regierungsbeamten, die ja eigentlich für die korrekte Verteilung von Staatsgeldern verantworlich sind. Vielleicht möchte Herr Thaksin den Süden auch nur bestrafen, weil er ihn während der kürzlichen Nationalwahlen nicht einstimmig unterstützt hat. Der gewitzte Terrorist, derweil, begibt sich nach der Zonierung flugs in einen der grünen Distrikte, wo ihm der Distriktchef auch sogleich einen Batzen zur Besorgung von Dynamit zur Verfügung stellt.
Auch andernorts glänzt man mit ausgefeilter Skurrilität, die die “Benny Hill Show” in den Schatten stellt. Nach dem Unfall in Bangkoks neuer, staatlich betriebener Untergrundbahn im Januar, wuschen sich die verantwortlichen Herren erst einmal die Hände in der – dank Pontius Pilatus – oft besungenen Wasserschüssel der Unschuld. Sodann liess man verlauten, man werde zukünftig möglicherweise DEUTSCHE Zugfahrer einsetzen! Die U-Bahn wurde von der Firma Siemens entwickelt. Na, das ist doch endlich einmal ein Vorschlag mit Hand und Fuss! Wie wäre es, wenn man vielleicht auch noch einen Schritt weitergehen würde und auf Bangkoks verstopfte Strassen deutsche Verkehrspolizisten stellt? Damit wäre das Verkehrsproblem sicherlich in kürzester Zeit behoben oder zumindest zu einem erträglichen Masse geschrumpft. Wenn wir jedoch nochmals auf die U-Bahn zurückkommen und etwas näher analysieren, dann erkennen wir, dass das Hauptmanko keineswegs auf ungeschulte thailändische Fahrer zurückzuführen ist. Das Hauptmanko ist, dass ungeschulte thailändische Fahrer von ignorantenhaften thailändischen Bürokraten angeleitet werden.
Ignoranz. Darüber weiss wahrscheinlich keiner in Thailand mehr als der Chef der Chart Thai-Partei, Banharn Silpa-archa. Nach dem lawinenmässigen Wahlsieg der Partei der Thai-liebenden-Thais, machte sich Herr Banharn, eigentlich der engste Verbündete der Sieger, richtig Luft. Er beschuldigte die Führerpartei, sie hätte während des Wahlkampfes Staatsorgane zur Erlangung parteieigener Ziele missbraucht, was unstatthaft und illegal gewesen wäre. Obschon wir dem Herrn Banharn in dieser Hinsicht durchaus rechtgeben wollen, möchten wir ihn aber zur selben Zeit dazu ermahnen, sich doch bitte zuerst einmal an der eigenen Nase zu zupfen. Während seiner Amtszeit als Premierminister vor – lassen Sie mich mal nachrechnen – zweihundert oder dreihundert Jahren wurde Herr Banharn nämlich von Regierungskritikern genau desselben Vergehens beschuldigt. Ein typischer Fall von Heuchelei also, solange man darüber lachen kann.
Die meisten von uns haben schon einmal Erfahrungen mit der oft aus dem Nichts materialisierenden Eifersucht unserer thailändischen G’spusis gemacht. Ein englischer Kumpel meiner Wenigkeit kann hierzu seine hauseigene Version auftischen. Seine Frau war seit einigen Tagen unansprechbar und bockig. Letztendlich stellte er sie zur Rede und sie offenbarte ihm den Grund für ihre Zickigkeit. Sie hatte einige Zeit zuvor heimlich die SMS-Nachrichten auf dem Handy meines Kumpels durchforstet. Was für ein Vertrauensbruch! Auf jeden Fall stolperte sie dabei über eine SMS, die mein Kumpel von einer seiner weiblichen Angestellten erhielt. Darin hiess es: “Can you go to sanook with me, please?” Die spionierende Ehefrau interpretierte das als: “Können wir beide uns treffen und ein wenig Spass miteinander haben?” Ergo das tagelange Schmollgehabe. Es bedurfte ellenlanger Erklärungen bis mein Kumpel seine “Mia” davon überzeugen konnte, dass sie die Mitteilung missverstanden und keinen Grund zur Eifersucht hätte. Das Wort “sanook” bezog sich nämlich auf die Internetfirma “sanook.com”. Die Angestellte fragte lediglich an, ob mein Kumpel sie zu einem anstehenden Geschäftstreffen mit eben jener Firma begleiten könnte. Davon abgesehen hätte ich meiner Angetrauten zuerst einmal die Leviten gelesen, wie es ihr überhaupt einfiele, hinter meinem Rücken in meinen SMS herumzuschnüffeln. Da wäre die Hehre aber wahrscheinlich nur noch schmolliger geworden, denn mit diesem Vorwurf hätte ich sie ihr Gesicht verlieren lassen. Im Endeffekt wäre ich dann der absolute Böse gewesen.
Wir wollen uns noch etwas weiter aufs Glatteis wagen, denn auch das Kulturministerium, zuständig für die archaischen Traditionen Thailands und die Erhaltung der Ehre der Thaifrauen, tritt immer einmal wieder in ein skurriles Fettnäpfchen. Eine einheimische Kosmetikfirma warb in Zeitschriften und Magazinen für eine Crème, die angeblich weibliche Brüste nicht nur schöner sondern auch nullkommanix grösser machen solle. Die Kundenschutzkommission fand diese Behauptung übertrieben und verlangte, dass die Anzeigen verschwinden müssten. Die Kosmetikfirma St. Herb Co., Ltd. fand dies unerhört und organisierte kurzerhand eine Vorführungsveranstaltung für das Produkt im gediegenen Emerald Hotel. Anscheinend fanden sich zu der Vorführung auch einige Herren vom Kulturministerium ein, und es ist erst hier, dass sich meine Geschichte kristallisiert. Die wundersamen Fähigkeiten der Crème wurden nämlich an den lebensechten Brüsten einiger angeheuerter Fotomodelle demonstriert. Zwar wurden die Brustwarzen der Holden mit Aufklebern kaschiert, aber ansonsten war offensichtlich alles … ahem … hautnah und wirklichkeitsgetreu. Da wurde sodann kräftig eingecremt und anschliessend circa 30 Minuten lang massiert, bis die anwesenden Reporter der Presse (und wahrscheinlich auch die Herren vom Ministerium) anfingen zu geifern. Nachdem die sich noch immer die Mundwinkel wischenden Ministerialherren ihren Bericht ablieferten, befand der stellvertretende Kulturminister Veerasak Khowsurat dieses Vorkommnis als obszön. Nein, nicht dass gegeifert wurde, sondern dass man (fast) nackte Frauenbrüste zur öffentlichen Schau stellte! Es wird gegenwärtig darüber beraten, ob die Firma für diese Unerhörtheit bestraft wird und wie diese Strafe ausfallen soll. Herr Veerasak liess verlauten, dass die Verantwortlichen möglicherweise mit 500 Baht pro Kopf belegt werden, einschliesslich der armen Modelle, die ja nur taten, wie ihnen aufgetragen wurde. Bei dieser vorherrschenden Prüdigkeit fragt man sich wirklich, wie es die Thais zustande gebracht haben, ein Volk von 63 Millionen zu produzieren…. Der krönende Abschluss des Ganzen ist ein Kommentar eines der Fotomodelle, lediglich identifiziert mit dem Namen “Ying”. Jene beteuerte, dass es ihr nicht bekannt war, dass die Vorführung vor so vielen geiferschäumenden Reportern und Ministerialbeamten durchgeführt werden sollte und dass es ihr peinlich war. Nichtsdestotrotz sprach aber einmal wieder die Macht des Geldes, des einzuheimsenden Gehalts zur Erduldung dieser Beschämung. Es ist doch immer das gleiche. Allerdings befand Ying gleichzeitig, sie hätte den Eindruck, ihre Brüste wären nach der Behandlung in der Tat fester und etwas grösser geworden. Ach, Kindchen, wie naiv bist Du eigentlich? Wenn ich die Brüste meiner Frau für 30 Minuten massiere, dann werden sie auch etwas grösser, denn sie werden stärker durchblutet. Wie auch immer der Richterspruch des Ministeriums ausfallen sollte, ich bin dafür, diese Crème sofort und endgültig vom Markt zu verbannen, denn es ist offensichtlich ein blatanter Betrug. Das wird natürlich nicht passieren. St. Herb Co., Ltd. wird sich mit diesem Humbug dumm und dämlich verdienen. Ich prophezeie auch schon schlüpfrige Begebenheiten wenn sich Hi-So-Damen während Cocktailparties gegenseitig ihre Brüste begrapschen nach dem Motto: “Heh, Du verwendest auch diese neue Crème? Sieht ja guuuut aus. Ja, das ist wirklich einmal ein Qualitätsprodukt aus thailändischen Landen, dem man tatsächlich vertrauen kann!”
Weil wir gerade so schön bei der Sache sind, vielleicht noch ein kleines Schmankerl aus der britischen Presse. Der geneigte Leser erinnert sich sicherlich an den kürzlichen Skandal um Prinz Harry. Jener tauchte auf einer Party in einem Kostüm auf, das nur im entferntesten Sinne an eine SA-Uniform erinnerte. Dennoch wallten die Gemüter im regnerischen England auf. So sehr, dass Prinz Charles dem Sprössling zur nationalen Beruhigung einen Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz verordnete. Das legte die aufgebrachte Massenseele des britischen Volkes zur Ruhe, denn eigentlich sieht man es in England ja gar nicht soooo eng. Kaum zwei Wochen später erschien ein englisches Magazin, auf dessen Umschlag der Führer höchstallerselbst (der echte, nicht der hiesige!) prangte. Das zugegebenermassen schmeichelnde Foto wurde mit einer Sprechblase versehen, die Bände spricht. Ich möchte das Foto dem Leser an dieser Stelle nicht vorenthalten. Ist das nicht göttlich? Das ist britischer Humor. Ein Durchschnitts-Thai würde den tieferen Sinn wahrscheinlich nicht verstehen, denn in diesem Land ist man mit skurrilen Gegebenheiten so gesegnet, dass der feinere Humor sich quasi abgeschliffen hat. Ausserdem: Wer liest hier schon Zeitung, ausgenommen die thailändische Version der BILD, “Thai Rath”?