Nutzlose Ministerien und lachhafte Scham

Nun haben es die Thais also geschafft und sich doch noch um das bisschen Demokratie gebracht, auf welches man immer so stolz war; zumindest in der Theorie. Eigentlich war es ja klar, dass die Partei der Thai-liebenden-Thais aus den Nationalwahlen als klarer Sieger hervorgehen und weitere vier Jahre die Geschicke des Landes unter die liebkosenden Fittiche nehmen würde. Etwas beunruhigend war es allerdings, dass sie tatsächlich fast die angestrebten 400 Parlamentssitze ergattert hat, die der Führer öfter einmal prophezeite. Nach Adam Riese liest sich das so, obgleich das endgültige Ergebnis noch nicht vorliegt, sich aber nicht mehr allzuviel ändern dürfte: Von insgesamt 500 verfügbaren Schlafplätzen belegen die Thai-liebenden Abgeordneten stolze 75 Prozent, während sich alle Oppositionsparteien zusammen klägliche 123 teilen. Damit hat sich Thailand eine Einparteienregierung kreiert und die Opposition wurde praktisch ausgeschaltet. Zur Anstrengung einer Zensurdebatte bräuchte die nämlich 125 Sitze. Und wenn über neue Gesetze abgestimmt wird, kann sich der aufgeweckte Leser bestimmt vorstellen, wessen Veto unter den Tisch fällt. Die Partei des Führers kann Thailand in den nächsten vier Jahren nach absolutem Gutdünken und unangefochten verwalten. Man soll allerdings nicht alles zu schwarz sehen. Zumindest hat die Regierung nun endlich die Möglichkeit, all ihre wohlwollenden Pläne in Nullkommanix in die Tat umzusetzen. Da gibt es keine Ausreden mehr, denn die Vorhaben können am Widerspruch oppositioneller Quertreiber nicht mehr scheitern. Man darf nur hoffen, dass hier nicht wieder nur leere Sprüche geklopft wurden, sondern dass auch wirklich etwas geschieht. Einige Vorwürfe kann man jedoch getrost auch den Oppositionellen machen. Während des Wahlkampfes haben weder die Demokraten noch die Chart Thai- und Mahachonparteien keineswegs mit glänzenden Parolen und Programmen geglänzt. Im Gegensatz zum Führer, dem man ein gewisses Charisma nicht absprechen kann, gab es keinen einzigen anderen Parteichef, geschweige denn individuelle Kandidaten, die sich in dieser Hinsicht mit Lorbeeren umranken konnten. Im Gegenteil: Man hatte eher den Eindruck, dass diese Parteien nur noch aus Leerschwätzern rekrutiert sind. Das grösste Manko, und mit Abstand der pausibelste Grund weshalb die Wählerschaft sich in Massen in die Arme der Führerpartei flüchtete, war es aber, dass man bei Demokraten und Genossen, den Kampf bereits vorzeitig aufgegeben hatte. Man hatte sich von Anfang an damit abgefunden, dass man die Opposition bilden würde und das prinzipielle Argument, das man potentiellen Wählern an die Köpfe warf, war, man hätte doch gerne deren Stimmen, weil damit sichergestellt werden könnte, dass man die Regierung zensieren könne. Das war dem durchschnittlichen Isan-Famer offensichtlich nicht einleuchtend genug. Man kann es sogar verstehen, wo doch des Führers Kohorten eine leuchtende Zukunft ohne Armut, Korruption und genug Kohle für jedermann in Aussicht stellten. Wir wollen alle brav abwarten und Tee trinken. Vielleicht macht man ja wirklich einmal Nägel mit Köpfen.

In  diesem Sinne schlage ich auch die unmittelbare Einrichtung einiger neuer Ministerposten vor, um die nimmermüde Arbeit der neuen alten Regierung wirkungsvoll zu unterstützen und zu komplettieren.

Da fällt mir zum Beispiel ein “Minister für Ehrliche Fehler” ein. Jener käme aus dem Schauspielerfach, denn er müsste jederzeit in der Lage sein, glaubhaft tiefste Beteuerungen des Bedauerns zu äussern und dies zugleich effektvoll mit einer Aura der Unschuld unterlegen.

Dann hätten wir den “Minister für Entschuldigungen”, ein potentiell arbeitsgeladener Posten, denn man kann nunmehr nicht mehr alle begangenen Fehler auf die vorherige Regierung schieben. Die neue Regierung IST nämlich die vorherige.

Weiter geht es mit dem “Minister für die Rechtfertigung weshalb man in Supermärkten zwischen 14 und 17 Uhr keinen Alkohol mehr kaufen kann, obschon das zu jeder anderen Zeit möglich ist”. Wir kürzen diesen Job der Einfachhalt wegen mit “Minister 14/17” ab. Die Standarderklärung in diesem ziemlich undankbaren Posten würde lauten: “Macht nicht mich verantwortlich. Ich mache ja nicht die Gesetze.”

Weil ich gerade so schön in Fahrt bin, schlage ich auch den “Minister zur Bussgeldauferlegung an umweltverschmutzende Touristen während Einheimische ihren Abfall unbestraft fallen lassen dürfen” vor. Wer mit diesem verantwortungsvollen Amt betraut wird, muss in der Lage sein, engstens mit der Polizei an der Sukhumvit Road zusammenzuarbeiten. Umfangreiche Kenntnis ausländischer Zigarettenstummel ist essentiell und die Fähigkeit, aufgebrachte Ausländer ruhigzustellen von grossem Vorteil.

Da nicht nur Ausländer ihren Dreck fallen lassen, benötigt das neue Thailand auch den “Minister zur Entfernung von Elefanten aus Bangkok”. Dieses Amt könnte relativ einfach zu bewältigen sein, wenn der betreffende Würdenträger sich nach den Plänen des ehemaligen Bangkok Gourverneurs Samak Sundharavej richtet und alle streundenden Elefanten kurzerhand durch die Polizei exekutieren lässt.

Der “Minister für das Pinkeln auf Kommando”, wiederum, besucht Nachtklubs und Karaokebars im Stadtgebiet und ruiniert den Abend jedes einzelnen Gastes indem er Anweisung erteilt, dass alle anwesenden Individuen sich umgehend einem Urintest für illegale Drogen zu unterziehen hätte. Es ist zu erwarten, dass dieser Posten häufiger den Amtsträger wechselt, da er etwas “anrüchig” ist.

Der abgelöste Minister wird wahrscheinlich zum “Minister für Karaokeaffären” ernannt. Ein leichtes Amt im Vergleich zum Pinkelsammeljob, denn man muss für jenen lediglich “Yellow Liver”, “My Way” und “Happy Birthday” in ausreichend falscher Stimmlage trällern können während man simultan ausgiebig einer Flasche “Johnnie Walker Black Label” zuspricht.

Falls nun doch noch der eine oder andere verdiente Herr übrig bleibt, der noch kein Amt erhascht hat, so empfehle ich dringend die Einrichtung eines “Minister für inaktive Posten”. Die Kunst auf Befehl einzunicken ist für dieses Amt ebenso wichtig wie grosse Übung im Gähnen und die Fähigkeit, jederzeit desinteressiert auzusehen. Ausserdem muss man in der Lage sein, vierundzwanzig Stunden am Tag absolut nichts zu tun, abgesehen vom irregulären Golfspiel mit inaktiven Generälen.

Nachdem diese neuen Ministerjobs nun ausreichend abgeklärt sind, wollen wir uns auch noch einem anderen Thema zuwenden, dem Gesichtsverlust. An erster Stelle ziehe ich den Fall der angeblichen Pornodarstellerin Kesarin Chaichalermpol aus dem Aktenschrank der Lachhaftigkeit. Die dreiunzwanzigjährige Künstlerin geriet letztes Jahr in die Schlagzeilen, weil offensichtlich anzügliche Filmchen kursierten, in denen Kesarin nicht nur ihr schauspielerisches Talent bewies sondern zudem in den Nachspännen auch noch namentlich genannt wurde. Man warf ihr vor, an der Produktion dieser Filme mitgearbeitet zu haben. Ein schweres Vergehen, denn Pornografie ist illegal im Land der Freien. Selbstredend fühlte sich die Maid zu Unrecht beschuldigt. Zu Anhörungsterminen rückte sie schwerschüchtern und rot angelaufen an, das Gesicht mit übergrosser Sonnenbrille kaschiert. Nun wurde Fräulein neuerlich vor den Kadi gerufen. Inzwischen hatte sie genügend Zeit, über ein entlastendes Argument zu brüten. Jenes lautete denn auch in höchster Logik, sie wäre zu ihren schauspielerischen Darstellungen gezwungen worden. Man kann sich recht leicht vorstellen, wie dies von den Produzenten gehandhabt wurde. Einige dutzend grosser grüner Bahtscheine in die zarte Hand gedrückt und schon fühlte sich Kesarin zu jedem ihrer zig Filmchen absolut gezwungen, ausgenützt und missbraucht. Obschon einige “Insider” die glaubhafte Schauspielkunst der Maid lobten und darüber hinaus betonten, sie hätte während ihrer Kapriolen weder eine Sonnenbrille noch irgendetwas anderes getragen.

Thailändische Kultur ist in diesem Hinblick selbst für mich noch immer ein Mysterium und sicherlich ist auch dem geneigten Leser schon ähnliches aufgefallen. Worauf ich hinaus will? Nun, haben Sie schon einmal das eine oder andere Girl aus einer Go-Go-Bar mitgenommen? Die hat im unschuldigsten Fall im heissen Bikini (vielleicht sogar oben ohne, Schockschwerenot!) vor Dutzenden gieriger Blicke auf einer Bühne getanzt. Im schlimmeren Fall vollführte sie womöglich gar einige exotische Körperkunststückchen. Doch sobald man sich mit ihr in die Privatsphäre des luxuriösen Hotelzimmers zum Ringelpiez zurückgezogen hat, wandelt sich die Schöne plötzlich zur spröden Mamsell. Das Handtuch wie eine römische Toga um den Torso geschlungen kommt sie aus dem Badezimmer. Erst unter der Bettdecke enthüllt man den vorher so bereitwillig zur Schau gestellten Traumkörper. Womöglich muss auch noch das Licht ausgeknipst werden bevor es akrobatisch wird. Zugegeben: Heutzutage sind nicht alle Maiden mehr so schüchtern, aber über das urplötzlich spröde Modell stolpert man immer einmal wieder.

Dasselbe Schauspiel des spontanen Gesichtsverlustes bietet sich auch nach Razzien. Da sitzen die Schönen dann aufgereiht auf der Polizeistation für den Pressetermin. Sobald das Blitzlichtgewitter losbricht, beginnt das Gerangel, um das Gesicht hinter dem Rücken der Nachbarin zu verstecken. Falls diese Taktik versagt, beschirmt man sich das entblösste Gesicht mit beiden Händen.

Es ist allerdings nicht alleinig das zarte Geschlecht, das von einem Anfall der Schüchternheit überkommen wird. Auch hartgesottene Drogenhändler und Auftragskiller der maskulinen Art werden häufig von diesem Reflex befallen. Man wusste zwar, dass man ein Verbrechen beging. Zu diesem Zeitpunkt war das auch in Ordnung, denn die Kohle, die man damit verdiente, stank nicht. Wehe aber, wenn man dafür verhaftet und von den Behörden den Medien vorgeführt wird! Entblösst und ertappt bewegen sich die Hände des Tunichtguts wie von Geisterhand geführt nach oben. Ach Herrjeh, hätte man sich diese unsägliche Schmach nur vor Augen geführt bevor man den Killerjob akzeptierte, Methamphetamin an Schulkinder verhökerte oder einem nichtsahnenden Touristen das Handy im Vorbeifahren aus der Hand riss.

Da haben es unsere ehrenhaften Politiker doch bedeutend einfacher. Jene haben sich über die Jahre eine dicke Haut zugelegt. Wer erwischt wird dass er Millionen von Baht aus Staatsprojekten in die eigenen Taschen abzweigte oder anderweitigen Humbug betrieb, reagiert in der Regel gelassen. Man dementiert und bezeichnet die Anschuldigung als “politisch motivierten Rufmord” und kommt damit (meistens) davon. Wahrscheinlich nicht mehr für lange, denn unter der neuen Regierung kommt das sicherlich alsbald zu einem Ende. Die betreffenden Herren sollten vorsichtshalber schon einmal damit beginnen, sich im kunstvoll durchgeführten Gesichtsbedecken zu üben oder bei Fräulein Kesarin anfragen wo man tiefgetönte Sonnenbrillen ersteht.