Gastspiel: Jack gegen T. Schmid
Nach jahrelangen journalistischen Anstrengungen im Zuge meiner TIP-Kolumne habe ich nun endlich auch einmal einen Leserbrief erhalten. Leider enthielt er nicht die schmeichelnden Danksagungen, die ich mir erhofft hätte. Man kann es halt nicht jedem recht machen. Geschrieben von einem mysteriösen “Jack”, verdient der Brief es dennoch, veröffentlicht zu werden und soll einschliesslich meiner Kommentare als diesmalige Kolumne dienen. Ich bitte Jack um Verständnis, dass ich einige Passagen wegen Platzmangels kürzen musste. Ausserdem habe ich mir erlaubt, seinen Brief in ortografischer und gramattischer Hinsicht auf ein lesbares Nivau zu bringen
Als Erstes: Leider kann ich nicht "sehr geehrter Herr Schmid" schreiben, da ich dank dem Artikel "Nutzlose Ministerien und lachhafte Scham" keinerlei Achtung gegenüber "T. Schmid" empfinde. Zweitens spreche ich sowieso die meisten mit "Du" an und hoffe, andere machen es auch so. Ich nehme auch an, dass Du in Thailand lebst.
Es ist äusserst bedauerlich, verehrter Herr Jack, dass Sie meine Kolumne offensichtlich nicht als Satire erkannt haben. Man kann allerdings nicht erwarten, dass jedem Mitmenschen der tiefgründigere Humor mit in die Wiege gelegt wurde.
Weshalb eine satirische Bezeichnung für einen autokratischen Regierungschef eine Beleidigung für das gesamte Volk sein soll entzieht sich meinem beschränkten Intellekt, und wer schon einmal Fotos von Parlamentssitzungen gesehen hat, der erkennt auf Anhieb, was ich mit "Schlafplätzen" meinte.
So ganz ohne jeglichen satirischen Sinn scheinen Sie doch nicht zu sein, verehrter Herr Jack.
Sie sprechen von Beleidigungen, sprechen mir aber im selben Augenblick das Recht ab, hier zu leben. Ich frage mich welches Recht mir unter diesem Aspekt meine Daueraufenthaltsgenehmigung, gültige Arbeitserlaubnis und meine Einkommensteuerzahlungen zubilligt.
Ich akzeptiere das. Was mich aber in diesem (noch) demokratischen Staat nicht daran hindert, Kritik an der Wahl des “Führers” zu üben. Das tun übrigens eine Reihe von thailändischen Zeitungen genauso. Nicht jeder Journalist im Lande ist mit der Thaksin-Regierung zufrieden.
Noch einmal, verehrter Herr Jack. Satire ist beissend und soll zum Nachdenken anregen. Ausserdem ist der TIP eine Zeitung für Deutsche in Thailand, gleichgültig ob sie Residenten, Langzeit- oder Kurzzeittouristen sind. Aus diesem Grund beziehen sich meine Themen überwiegend ausschliesslich auf Situationen in Thailand, nicht in Deutschland. Sie haben aber recht: Einige dieser Ministerien könnte man wohl auch im Vaterland gebrauchen. Um Satire zu schreiben braucht man im übrigen nicht unbedingt einen Kasten Bier zu konsumieren. Zu guter letzt habe ich niemals das thailändische Volk in seiner Gesamtheit erwähnt. Ich beschränke mich generell auf einzelne Individuen oder Gruppen.
Nein, aber manche deutsche Autobahntouristen sind offensichtlich besoffene Schläger. Solch eine Geschichte – würde sie in Thailand passieren – fände eindeutig Eingang in meine Kolumne.
Aus einer Mücke einen Elefanten machen. Nun haben sie eines der Grundkonzepte von Satire am Ende doch noch erkannt, verehrter Herr Jack. Oder vielleicht doch nicht, denn wo der Vergleich von Go-Go-Tänzerinnen (oder Prostituierten, auf gut deutsch) und der angeborenen Scham regulärer Frauen herkommt, entzieht sich meinem Durchblick. Und was hat Romantik mit dem Anheuern eines Barmädchens zu tun?
Ich schrieb in diesem Zusammenhang nicht über “Leute” sondern über hartgesottene Drogenhändler, die skrupellos ihrem Geschäft nachgehen. Bis sie geschnappt und der Presse vorgeführt werden und ihre Gesichter schamhaft verbergen. Das gleiche gilt für Mörder, Auftragskiller und andere Individuen, die zwar schamlos ihrer “Arbeit” nachgehen, denen aber der Pressetermin unwahrscheinlich peinlich ist, was ich persönlich nicht nur lächerlich sondern in höchstem Masse zynisch finde. Und um mich noch einmal zu wiederholen: Auch hier habe ich keineswegs die Thais in ihrer Gesamtheit angegriffen.
Eine spekulative Annahme, die ich ihnen zubillige, die aber – in ihren eigenen Worten – schlichtum beleidigend ist.
Es scheint sie verkehrten in einschlägigen Rotlichtkreisen. Bislang habe ich nämlich nur von sogenannten Sextouristen die irrige Annahme vernommen, dass ALLE thailändischen Frauen Huren wären. Wer länger im Land lebt und nicht nur Barviertel tangiert, behauptet so etwas nicht. Und dass sich vorwiegend männliche Touristen im Urlaub wie die Axt im Walde benehmen, darf Ihnen durchaus die Schamröte ins Gesicht treiben. Das passiert mir nämlich auch bisweilen, wenn ich so etwas beobachte.
Solange er über eine Prostituierte spricht, wäre mir das schnuppe.
Ich stimme Ihnen zu. Es gehören aber immer zwei Parteien dazu: Die erste, die Böses im Schilde führt, und die andere, die sich hereinlegen lässt.
Entweder habe ich schon wieder zu viele Biere getrunken, oder sie schreiben hier in etwas vernebeltem Kontext. Was sind ihrer Meinung nach die “anderen Moralvorstellungen” der Thais? Dass gewisse Thais nichts dabei finden, jeden dummen Ausländer über den Tisch zu ziehen? Dass jugendliche Motorradfahrer Ihnen in Pattaya im Vorüberfahren die Goldkette vom Hals reissen? Dass die aus der Bar besorgte treuherzige Ehefrau ohne Skrupel das Bankkonto des Gatten leer räumt? Dass man als Farang vielerorts zehn mal mehr Eintritt als ein Thai bezahlen darf? Sollte man sich als Gast diesen Gewohnheiten tatsächlich anpassen oder darf über die Machenschaften einiger Thais Kritik geäussert werden? Ich darf Ihnen versichern, verehrter Herr Jack, dass die Moralvorstellungen der “guten” Thais von den unsrigen nicht allzu sehr abweichen. In einem etwas komprimierten Satz: “Stehle nicht, morde nicht, führe einen sittlichen Lebenswandel und versuche deine Familie auf ehrliche Weise über die Runden zu bringen.” Der absolute Grossteil der Bevölkerung hält sich an diese Regeln.
Am besten wäre es demnach, wenn man alle Zeitungen und Nachrichtensendungen abschafft, denn dort wird doch wirklich viel zu viel über Leute und Situationen gemeckert. Wir alle sollten den Kopf in den Sand stecken und die Schnauze halten. Besonders diese penetranten Journalisten. Willkommen im Faschistenstaat, Herr Jack!
Der TIP ist eine recht kritische Zeitung, die die weniger erfreulichen Dinge in unserem Gastland beleuchtet. Von den Blättern, die dem Land einen beinahe ikonenhaften Status verleihen und vor Lobeshymnen nur so überquellen, gibt es bereits genug. Jene wären möglicherweise geeignetere Lektüre für Sie. Was die Anpassung an Sitten und Gebräuche anbelangt, bin ich mit Ihnen im Einklang. Sitten und Gebräuche haben aber mit korrupten Politikern, skrupellosen Drogenhändlern und unverschämten Abzockern absolut nichts zu tun.
Ich freue mich bereits auf Ihren nächsten Leserbrief. In aufrichtiger Ehrfurcht, Ihr biernuckelnder, alles-in-den-Schmutz-ziehender, unstolzer T. Schmid