Gastspiel: Jack gegen T. Schmid

Nach jahrelangen journalistischen Anstrengungen im Zuge meiner TIP-Kolumne habe ich nun endlich auch einmal einen Leserbrief erhalten. Leider enthielt er nicht die schmeichelnden Danksagungen, die ich mir erhofft hätte. Man kann es halt nicht jedem recht machen. Geschrieben von einem mysteriösen “Jack”, verdient der Brief es dennoch, veröffentlicht zu werden und soll einschliesslich meiner Kommentare als diesmalige Kolumne dienen. Ich bitte Jack um Verständnis, dass ich einige Passagen wegen Platzmangels kürzen musste. Ausserdem habe ich mir erlaubt, seinen Brief in ortografischer und gramattischer Hinsicht auf ein lesbares Nivau zu bringen

An T. Schmid
Als Erstes: Leider kann ich nicht "sehr geehrter Herr Schmid" schreiben, da ich dank dem Artikel "Nutzlose Ministerien und lachhafte Scham" keinerlei Achtung gegenüber "T. Schmid" empfinde. Zweitens spreche ich sowieso die meisten mit "Du" an und hoffe, andere machen es auch so. Ich nehme auch an, dass Du in Thailand lebst.

Es ist äusserst bedauerlich, verehrter Herr Jack, dass Sie meine Kolumne offensichtlich nicht als Satire erkannt haben. Man kann allerdings nicht erwarten, dass jedem Mitmenschen der tiefgründigere Humor mit in die Wiege gelegt wurde.

Mit Entsetzen und Wut im Bauch habe ich Deinen Artikel gelesen. Du sprichst vom "Führer", ziehst damit Parallelen zu Hitler und beleidigst Millionen von Thailändern. Wenn Du von "Schlafplätzen" redest, dann beleidigst Du auch noch das ganze Parlament.

Weshalb eine satirische Bezeichnung für einen autokratischen Regierungschef eine Beleidigung für das gesamte Volk sein soll entzieht sich meinem beschränkten Intellekt, und wer schon einmal Fotos von Parlamentssitzungen gesehen hat, der erkennt auf Anhieb, was ich mit "Schlafplätzen" meinte.

Was die sogenannten "Leerschwätzer" angeht: Allein diese Bemerkung hätte bei eurem "Führer" das KZ bedeutet. ...

So ganz ohne jeglichen satirischen Sinn scheinen Sie doch nicht zu sein, verehrter Herr Jack.

Was gibt Dir überhaupt noch das Recht, in diesem Land zu leben, und woher nimmst Du Dir dieses Recht? Des Geldes wegen? Kritik in Ehren, aber Beleidigungen sind keine Kritik.

Sie sprechen von Beleidigungen, sprechen mir aber im selben Augenblick das Recht ab, hier zu leben. Ich frage mich welches Recht mir unter diesem Aspekt meine Daueraufenthaltsgenehmigung, gültige Arbeitserlaubnis und meine Einkommensteuerzahlungen zubilligt.

Die Thais sind nicht so dumm wie Du sie darzustellen versuchst. Sie haben ... abgewägt, was ihrer ganz persönlichen Meinung nach am besten für sie ist. Das haben sie gewählt. Du solltest dies akzeptieren.

Ich akzeptiere das. Was mich aber in diesem (noch) demokratischen Staat nicht daran hindert, Kritik an der Wahl des “Führers” zu üben. Das tun übrigens eine Reihe von thailändischen Zeitungen genauso. Nicht jeder Journalist im Lande ist mit der Thaksin-Regierung zufrieden.

... Deine sogenannten noch zu machenden Ministerien könntest Du besser in Deiner Heimat gebrauchen. Du hörst irgendeine Sache und schmeisst sofort das ganze Volk in denselben Topf. Wie viele Biere hast Du getrunken als Du den Artikel geschrieben hast? Eine thailändische Person macht etwas falsch und Du ziehst daraus den Schluss, dass alle so sind. Was must Du erlebt haben dass Du so eine Einstellung hast.

Noch einmal, verehrter Herr Jack. Satire ist beissend und soll zum Nachdenken anregen. Ausserdem ist der TIP eine Zeitung für Deutsche in Thailand, gleichgültig ob sie Residenten, Langzeit- oder Kurzzeittouristen sind. Aus diesem Grund beziehen sich meine Themen überwiegend ausschliesslich auf Situationen in Thailand, nicht in Deutschland. Sie haben aber recht: Einige dieser Ministerien könnte man wohl auch im Vaterland gebrauchen. Um Satire zu schreiben braucht man im übrigen nicht unbedingt einen Kasten Bier zu konsumieren. Zu guter letzt habe ich niemals das thailändische Volk in seiner Gesamtheit erwähnt. Ich beschränke mich generell auf einzelne Individuen oder Gruppen.

Ich wurde mal von vier stinkbesoffenen Autobahnpolizisten ... beim Pinkeln auf der Autobahn erwischt. ... Nach kurzer Debatte konnte ich die Schlagkraft dieser "Herren" am eigenen Leib erfahren. Also, nach Deiner Regel: Alle deutschen Polizisten sind Saufbolde und lieben es, Leute zu prügeln. Mehrere Male wurden (in Deutschland) Rentner und Ausländer verprügelt, (manche auch) totgeschlagen. Also: Alle Deutschen sind Sadisten und Totschläger.

Nein, aber manche deutsche Autobahntouristen sind offensichtlich besoffene Schläger. Solch eine Geschichte – würde sie in Thailand passieren – fände eindeutig Eingang in meine Kolumne.

... Du liebst es, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. ... Dass sich Frauen in Go-Go-Bars oben ohne oder nackt zeigen ist so üblich, wie Du ja vermutlich schon selber erlebt hast. ... Und es spricht doch für die Thaifrauen wenn sie nach der Arbeit wieder ihre angeborene Scham zeigen. Nur der Farang hat Probleme damit. Du fühlst vermutlich keine Romantik mehr in Dir. ...

Aus einer Mücke einen Elefanten machen. Nun haben sie eines der Grundkonzepte von Satire am Ende doch noch erkannt, verehrter Herr Jack. Oder vielleicht doch nicht, denn wo der Vergleich von Go-Go-Tänzerinnen (oder Prostituierten, auf gut deutsch) und der angeborenen Scham regulärer Frauen herkommt, entzieht sich meinem Durchblick. Und was hat Romantik mit dem Anheuern eines Barmädchens zu tun?

Ich schrieb in diesem Zusammenhang nicht über “Leute” sondern über hartgesottene Drogenhändler, die skrupellos ihrem Geschäft nachgehen. Bis sie geschnappt und der Presse vorgeführt werden und ihre Gesichter schamhaft verbergen. Das gleiche gilt für Mörder, Auftragskiller und andere Individuen, die zwar schamlos ihrer “Arbeit” nachgehen, denen aber der Pressetermin unwahrscheinlich peinlich ist, was ich persönlich nicht nur lächerlich sondern in höchstem Masse zynisch finde. Und um mich noch einmal zu wiederholen: Auch hier habe ich keineswegs die Thais in ihrer Gesamtheit angegriffen.

...Die Thais haben wenigstens noch ihren Stolz. Was man von Dir vermutlich nicht behaupten kann.

Eine spekulative Annahme, die ich ihnen zubillige, die aber – in ihren eigenen Worten – schlichtum beleidigend ist.

Viele Male, wenn ich (deutsch-oder englischsprachige) Touristen sehe – oder besser gesagt: höre – dann ist mir wieder (alles) klar. Da wird gegrölt und gelärmt. Da wird das Thai-Volk noch und noch so beleidigt, das es mir, als Gast in diesem eigenwilligen aber schönen Land, die Schamröte ins Gesicht treibt. Da gelten alle Frauen und Mädchen als Huren.

Es scheint sie verkehrten in einschlägigen Rotlichtkreisen. Bislang habe ich nämlich nur von sogenannten Sextouristen die irrige Annahme vernommen, dass ALLE thailändischen Frauen Huren wären. Wer länger im Land lebt und nicht nur Barviertel tangiert, behauptet so etwas nicht. Und dass sich vorwiegend männliche Touristen im Urlaub wie die Axt im Walde benehmen, darf Ihnen durchaus die Schamröte ins Gesicht treiben. Das passiert mir nämlich auch bisweilen, wenn ich so etwas beobachte.

Wenn die Ausländer in Deiner Heimat dasselbe mit euren Frauen machen würden, ... wäre das in Ordnung?

Solange er über eine Prostituierte spricht, wäre mir das schnuppe.

...Natürlich wird darüber gemeckert, wie dumm die Thais sind. Aber wie viele Touristen lassen sich abzocken wie kleine Schuljungs? ... Das Abzocken haben nicht die Thais allein erfunden, und es braucht immer einen Dummen, der hereingelegt werden will.

Ich stimme Ihnen zu. Es gehören aber immer zwei Parteien dazu: Die erste, die Böses im Schilde führt, und die andere, die sich hereinlegen lässt.

Die Thais haben nun einmal andere Moralvorstellungen. Wir müssen uns den thailändischen Gewohnheiten anpassen, nicht umgekehrt. ...

Entweder habe ich schon wieder zu viele Biere getrunken, oder sie schreiben hier in etwas vernebeltem Kontext. Was sind ihrer Meinung nach die “anderen Moralvorstellungen” der Thais? Dass gewisse Thais nichts dabei finden, jeden dummen Ausländer über den Tisch zu ziehen? Dass jugendliche Motorradfahrer Ihnen in Pattaya im Vorüberfahren die Goldkette vom Hals reissen? Dass die aus der Bar besorgte treuherzige Ehefrau ohne Skrupel das Bankkonto des Gatten leer räumt? Dass man als Farang vielerorts zehn mal mehr Eintritt als ein Thai bezahlen darf? Sollte man sich als Gast diesen Gewohnheiten tatsächlich anpassen oder darf über die Machenschaften einiger Thais Kritik geäussert werden? Ich darf Ihnen versichern, verehrter Herr Jack, dass die Moralvorstellungen der “guten” Thais von den unsrigen nicht allzu sehr abweichen. In einem etwas komprimierten Satz: “Stehle nicht, morde nicht, führe einen sittlichen Lebenswandel und versuche deine Familie auf ehrliche Weise über die Runden zu bringen.” Der absolute Grossteil der Bevölkerung hält sich an diese Regeln.

... Es gibt viele gute Deutsche, einige sehr gute sogar. ... Ich werfe nicht alle in einen Topf wie Du es gerne machst. Ich will auch nicht Deutschland oder irgend ein anderes Volk beleidigen. ... Wenn ich einen Grund dazu hätte, so wäre dies meine persönliche Sache und ... ich würde es nicht (öffentlich) kundtun. ...

Am besten wäre es demnach, wenn man alle Zeitungen und Nachrichtensendungen abschafft, denn dort wird doch wirklich viel zu viel über Leute und Situationen gemeckert. Wir alle sollten den Kopf in den Sand stecken und die Schnauze halten. Besonders diese penetranten Journalisten. Willkommen im Faschistenstaat, Herr Jack!

... Auch mir geht (aber) manches gegen den Strich…. Auch ich habe hier und da Probleme mit Thai-typischen Einstellungen. ... Ich vergesse (aber) auch nicht, dass ich ein Gast in diesem Land bin. Entweder kann ich versuchen, mit den Sitten und Bräuchen in Einklang zu leben oder ich werde mich schleunigst aus diesem Land verabschieden.

Der TIP ist eine recht kritische Zeitung, die die weniger erfreulichen Dinge in unserem Gastland beleuchtet. Von den Blättern, die dem Land einen beinahe ikonenhaften Status verleihen und vor Lobeshymnen nur so überquellen, gibt es bereits genug. Jene wären möglicherweise geeignetere Lektüre für Sie. Was die Anpassung an Sitten und Gebräuche anbelangt, bin ich mit Ihnen im Einklang. Sitten und Gebräuche haben aber mit korrupten Politikern, skrupellosen Drogenhändlern und unverschämten Abzockern absolut nichts zu tun.

Ich freue mich bereits auf Ihren nächsten Leserbrief. In aufrichtiger Ehrfurcht, Ihr biernuckelnder, alles-in-den-Schmutz-ziehender, unstolzer T. Schmid