Anekdoten: Apec und die Bierbar

»Apec bringt Thailand einen enormen, weltweiten Prestigegewinn.«

»Aha.«

»Ausserdem wird das Land in vielerlei wirtschaftlichr Hinsicht von Apec profitieren.«

»Interessant.«

»Wir, als Thais, sind alle ungemein stolz, dass man unser Land für das Gipfeltreffen ausgewählt hat.«

»Sehr schön. Aber wofür steht eigentlich diese Abkürzung und welche Aufgabe hat diese Organisation?«

»Keine Ahnung.«

So oder so ähnlich habe ich diesen Dialog während der letzten vier, fünf Wochen entweder selbst geführt oder zumindest belauscht. Nicht nur ein Mal. Nichstdestotrotz ist das in den Himmel gelobte Apec-Gipfeltreffen letztendlich ohne die befürchteten Terroranschläge, dafür mit reichlich Lorbeeren, die sich die Delegierten gegenseitig um die durchlauchten Häupter wanden, zu einem langersehnten Ende gekommen. Den einzigen Effekt, den der Bangkoker Normalbürger von dem Riesenspektakel zu spüren bekam, waren die anhaltenden, ausgedehnten Verkehrsstaus aufgrund der vielen, durch strenge Sicherheitsmassnahmen gesperrten Strassen. Wenigstens hatten die Konferenzteilnehmer Grund zum Frohlocken. Zum Beispiel erhielt jeder der hochrangigsten Delegierten ein elegantes, 90.000 Baht teures Seidenhemd. Als Souvenir des thailändischen Volkes, da aus der Staatskasse bezahlt, versteht sich. Etwas befremdend wirkte auf Beobachter lediglich, dass die Hemden in distinktiv chinesischem (!) Design geschnitten waren. Nicht dass die »Beobachter« zu kurz kamen. Zeitungsberichten zufolge erhielt jeder rund 2.000 zur Konferenz zugelassenen Journalisten Verzehrcoupons im Gesamtwert von 3.000 Baht zugesteckt. Die wurden dann angeblich auch überwiegend in der Cafeteria eingetauscht – für ganze Flaschen von importiertem Scotch und Gin. Als die Organisatoren davon Wind bekamen, wurde der alkoholsüchtigen Bande alsbald das üble Spiel verwehrt. Kein Alkohol für Coupons, wurde kurzerhand verfügt. Daraufhin erlebte die Cafeteria Traumumsätze an französischem Perrier-Mineralwasser. Da sage nochmal einer, unsere Branche hätte keinen Stil. Was mich persönlich ein wenig verwunderte war die Tatsache, dass es über den ganzen Zirkus offensichtlich vergessen wurde, eine »Miss Apec« zu küren. Thailand ist bekannt dafür, zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit eine entsprechende Schönheitskönigin parat zu haben: »Miss Mango«, »Miss Wasserbüffel«, »Miss Ladyboy«, »Miss Arme-Farmer-gehen-wie-immer-leer-aus«. Vielleicht ist es aber auch verständlich, dass man sich hier ein wenig zurückgehalten hat. Die einzige Kandidatin, die nämlich eine Chance auf den Titel gehabt hätte, wäre wohl die entrückende Tochter unseres allwissenden Premierministers gewesen. Nur so hätte das überzogene Image des Gipfeltreffens aufrechterhalten werden können, doch es war natürlich klar, dass gegen diese Holde keine andere Maid ernsthaft angetreten wäre.

Wie auch immer, bereits kurz nach dem Ausklingen der Konferenz ging das altgehasste Missenspektakel wieder seinen gewohnen Gang: Die Wahl der diesjährigen »Miss Thailand World«. Wenn Sie im Bilde sind, dann wissen Sie, dass zu diesem Ringelpiez nur Thai-Girls zugelassen werden, die die meiste Zeit im Ausland leben, möglicherweise gar dort geboren sind. Nahezu alle beherschen ergo die thailändische Sprache nur ungenügend, wenn überhaupt. Also keine Chance für Nok, Lek und Nid aus der Bar. Doch wer regt sich beim Anblick von graziler Schönheit schon über Unkenntnis der Landessprache auf? Auch dieses Jahr rauften sich die Juroren die Haare – und gegenseitig – um letztendlich die gebührende Siegerin zu ermitteln. Das Los fiel auf die 22-jährige Jenjira Kerdprasob, eine frühere Sportbogenschützin (Vorsicht beim Anbandeln!) und momentan Studentin an der Stockholmer Universität. Nach dem veröffentlichten Pressefoto der Kürung zu urteilen, lässt Jenjiras etwas fragender Blick darauf schliessen, dass sie sich nicht ganz sicher ist, ob sie sich mit der Krone eine Ehre oder eher eine Bürde auferlegt hat. Ich schlage ihr guten Willens vor, sich beim nächsten Mal als Kandidatin zur »Miss Mango« zu bewerben. Gegen Nok, Lek und Nid hat sie allemal eine Chance. Bei mir nicht.

Ich gehöre nämlich auch zu jenen Unbelehrbaren, denen man eine »Miss« jedwelcher Gestalt auf den sprichwörtlichen Bauch binden kann. Stattdessen mache ich meine Runden in Bangkoker Vierteln, die offiziell nicht existieren. Neben Lek, Nok und Nid beäuge ich dort dann auch schon mal das ausgeprägte Angebot an Spirituosen und Bieren. Apropos: Es ist mir aufgefallen, dass das bekannte Singha Bier in einer neuen Flasche aufgetischt wird. Verschwunden ist das altbekannte »Bierbauchdesign« (Schlank am Hals, rund an der Hüfte). Es wurde durch eine Flaschenform ersetzt, die verdächtig an Heineken und Carlsberg erinnert. Ob es sich hier lediglich um eine Flaschenformstandardisierung oder um einen gewieften Marketingtrick der Boonrawd-Brauerei handelt, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicher dürfte nur sein, dass die revidierte Form eine potentielle Betrugsmethode für unlautere Barbetreiber eröffnet. Die so universell an den Bierbars zur Kühlung des kostbaren Nasses eingesetzten Schaumisolierer (landläufig auch als »Kondome« bekannt) verdecken nämlich das Flaschenetikett. Wer weiss ob nicht das eine oder andere, teurere Heineken zukünftig hier und dort mit einem billigeren Singha vertauscht wird, besonders wenn der Gast schon reichlich besäuselt ist. Hoppla! Hoffentlich habe ich jetzt nicht unbeabsichtigt einen neuen Tip zur Profitmache suggeriert.

Long Life Mild

An und fur sich wäre mir das egal, denn im Grunde genommen bin ich ohnehin ein Anhänger von Singha, das meiner Meinung nach nicht so süss und klebrig wie Carlsberg und nicht so schal wie Heineken schmeckt. Muss vom Formaldehyd kommen, wie Kritiker behaupten, Boonrawd aber konsequent dementiert. Ich werde dennoch weiterhin der Marke treu bleiben, im Gegensatz zum Rauchen, das ich mir schon seit längerem abgewöhnen will. Leider sind Bangkoks Bars der denkbar ungünstigste Ort, diesen Vorsatz erfolgreich umzusetzen. Zuweilen wird man im Aufrechterhalten seiner Nikotinsucht gar von unerwarteter Quelle bestätigt. Kürzlich hatte ich das Vergnügen, mich auf dem Barhocker neben einem Touristen aus Taiwan niederzulassen. Obgleich unsere mündliche Verständigung aufgrund der mangelnden Englischkenntnisse des Herrn haperte, bot er mir dennoch schon bald eine seiner Zigaretten an. Die Marke: »Long Life Mild« (Langes Leben Mild). Na, wenn das nicht ungemein ermutigend ist!

Ein paar Ecken weiter traf ich auf einen Engländer, der mich sofort zu einer seiner Marlboro Lights einlud, die ich ohne Widerstand akzeptierte, nicht jedoch ohne im Gegenzug meine eigene Schachtel herauszukramen. Über etliche weitere Glimmstengel und eine entsprechende Anzahl von Heineken (oder waren das nun wirklich Singhas?), kamen wir ins Gespräch. Über Apec, über Miss Thailand World, und über Lek, Nok und Nid und deren chronisch kranke Wasserbüffel zuhause im Isan. Ob ich wüsste, dass viele der Barmädchen eigentlich in Code reden würden, wenn sie sich mit einem »Farang« (Westlicher Ausländer) unterhielten, fragte er mich. Klar wüsste ich dass, kam meine Antwort. Schliesslich wäre ich »Nachtlebenkolumnist«, fuhr ich grosspurig fort. Das war das Stichwort. Kreativ inspiriert durch das Bier machten wir uns daran, auf einem hastig von der Kassiererin ergatterten Blatt Schreibpapier einige der Barmädchencodes und deren eigentliche Bedeutungen zur Referenz für meine geneigten Leser aufzusetzen. Das Resultat unseres fruchtvollen Wirkens an jenem Abend lesen Sie hier:

  • »You very handsome man!«
    = »Du bist relativ ansehnlich für einen langnasigen, fetten, ekligen Ausländer.«

  • »I come work this bar 2 days only.«
    = »Fünf Jahre in dieser Absteige und diese Naivlinge glauben mir diese Antwort immer noch.«

  • „Where you come from?“
    = »Bitte Buddha, nicht schon wieder so ein knauseriger Deutscher!«

  • »Tomorrow my birthday.«
    = »Das ist das 127. Mal dass ich dieses Jahr vorgab, Geburtstag zu haben, und können wir morgen bitte zusammen in den Goldladen gehen?«

  • »Oh, you sexy man. I help you make good bum-bum!«
    = »Lass’ uns jetzt endlich zur Sache kommen, damit ich wieder in die Bar zurückgehen und ein weiteres Mal ausgelöst werden kann!«

  • »I never go with Farang before.«
    = »Nun, zumindest bin ich während der letzten halben Stunde mit keinem mitgegangen.«

  • »I no like work bar. I want to finish bar.«
    = »Kannst Du mir nicht jeden Monat Geld schicken, genauso wie die anderen drei Idioten es tun?«

  • »I tired working. Please, can you pay bar fine for me, please?!«
    = “Der mickrige Drink den Du mir gerade bezahlt hast bringt mir weniger Kommission als mein Anteil an der Auslöse.«

  • »Up to you!“ (Wirkungsvoll unterstrichen mit einem süffisanten Lächeln)
    = »Zumindest für den Augenblick. Wenn Du aber länger hierbleibst finde ich schon einen Weg, Dich nach Strich und Faden auszunehmen.«

  • »I love you. I want go Germany with you.«
    = »Ich würde mit Dracula nach Transsylvanien gehen wenn er mich dementsprechend aushält.«

  • »I make good wife. I cook and clean for you everyday. Take good care you when you are old.«
    = »Das mache ich alles bis zu dem Zeitpunkt da ich einen gefunden habe, der mehr Kohle hat als Du.«

  • »I can not go with you. I too shy.«
    = »Leg’ noch ein paar Hunderter drauf, Junge!«

  • »This is my brother.«
    = »Das ist mein Thai Boyfriend.«

  • „This is my sister.“
    = »Wir wohnen auf derselben Bude und schaffen hier gemeinsam an, aber das ist auch schon wie weit unsere Familienbande reichen.«

  • »My mother very sick, need operation, but I no have money.«
    = »Ich weiss, das ist der älteste Spruch, den ich auf Lager habe, aber vielleicht fällst Du ja auf ihn herein.«

  • »My grandmother die, have no money for funeral.«
    = »Ich hatte diesen Monat schon 15 Grossmütter, und alle sind über die Wupper. Wo ist die Kohle?!«

  • „I no work bar. I only stop here for a drink and talk my friend.“
    = »Natürlich arbeite ich hier, Du Idiot!«

  • „I no butterfly girl.“
    = »Ich bin absolut keusch, wenn man davon absieht, dass ich heute Abend schon zwei Mal auf Shorttime war.«

  • »I love you. Want you go meet my parents in Khon Kaen.«
    = »Meine Eltern wollen ein neues Haus.«

  • »Can you loan me 3.000 Baht? I will pay you back next week, sure.«
    = »Morgen gehe ich für vier Wochen nach Khon Kaen und fange nach meiner Rückkehr in einer neuen Bar an. Viel Glück beim Suchen.«

  • »I never love anybody much as you.«
    = »Von all den leichtgläubigen Idioten warst Du bisher derjenige, der am einfachsten über den Leisten zu ziehen war.«

Es war nicht nur das Bier, das uns so quietschvergnügt die Bar verlassen liess. Es war auch die Tatsache, dass wir uns in vielen der niedergelegten Codes so untrüglich selbst wiedererkannten. Wohl dem meiner Leser, der sich auch den einen oder anderen Schuh anzuziehen beliebt.