Wo keine Nippel, da keine Unzucht
Was gibt es Neues in Bangkok? Nun, da erfreut sich ja wohl nur ein Thema aller Munde. Es geht um Nippel. Ja, richtig gelesen. Nippel, oder wie die Englischsprechenden zu sagen pflegen: mammary glands. In einem Ansturm glorreichen Patriotentums hat der neue Kultusminister verlauten lassen, er gestatte es nicht mehr, dass sich Modekünstlerinnen (anderweitig auch bekannt als „Models“) auf dem Laufsteg die Blösse geben und damit das Ansehen der Thaifrauen in den Schaaaamutz ziehen. Dabei nicht in Betracht gezogen hat er natuerlich, dass die offensiven Nippel in der Regel durch sogenannte „pasties“ (Aufkleber) züchtig abgedeckt sind. Ein neuer Modetrend, der so neu allerdings nicht ist. Denn jene Aufkleber waren schon vor Jahren in Patpongs Safari Bar ein nicht wegzudenkendes Accessoire unter den hehren Maiden, die zwar auch auf die Bühne stiegen, allerdings aus weitaus weniger noblen Gründen als die legitimen Modemodelle. Kein Hahn krähte nach der Ehre der Thaifrauen. Sobald das Ganze aber natürlich überhand nimmt und sich aus Patpong in die Öffentlichkeit verbreitet, muss standesgemäss das Kultusministerium eingreifen. Neben Modellen und Safari Bar-Girls hat sich die Unsitte gemäss Zeitungsberichten auch unter der gängigen verdorbenen Jugend eingenistet. Obschon eingestanden werden muss, dass einer 18-jährigen Studentin die Aufkleber ungleich besser stehen als einer 58-jährigen, aufgedonnerten Khunying, ist dennoch einmal wieder das Ansehen des Königreichs in grösster Gefahr. Es nimmt einfach kein Ende, und wie immer ist diese Modevariante dem unheilvollen Einfluss des dekadenten Westens zu verdanken. Dabei sehen es junge Thais anscheindend lockerer als die spiessbürgerlichen Minister. „Nippelaufkleber sind populärer in Asien, besonders Japan, als anderswo in der Welt“ beteuerte die 25-jährige Studentin Phraephan in einem Bericht der Nation. Aha. Also sind wir doch nicht die üblichen Sündenböcke. „In Europa,“ sagte sie, „sind Pasties überwiegend etwas, das von Modemodellen und Prostitutierten getragen wird.“ Der Kreis schliesst sich. Und wir sind zurück in der Safari Bar. Dort muss auch Senator Wallop Tangkananurak schon einmal auf Stippvisite gewesen sein, denn er hat richtig erkannt: „Es ist nicht grundauf falsch, wenn junge Frauen mal etwas neues ausprobieren, zum Beispiel Nippelaufkleber.“ Richtig so. Modedesigner Nagara Samphantarak sah sogar einen potentiell benevolenten Vorteil. „Manche Modelle benutzen die Dinger, um zu verhindern, dass sich ihre Brüste auf dem Laufsteg unwillkürlich enthüllen. Es ist eine Art Schutz.“ Da haben wir es. Ist also alles weit weniger schlimm als uns der Herr Minister glauben machen möchte. Doch eigentlich tritt er ja nur in die ausgelatschen Fusstapfen von Vorgängerin Khunying Orawan. Vor gut einem Jahr regte sie sich nämlich darüber auf, dass junge Mädchen während des Songkran-Festes oftmals zu leicht bekleidet auftreten würden. Kurzerhand erliess sie in unnachahmlicher Voraussicht, dass man sich den während des Festes vorherrschenden Wasserschlachten doch bitte züchtig bekleidet stellen solle. Klar, dass das Gesuch weitgehend auf taube Ohren stiess. Thai Ehre hin oder her, leichte Kleidung trocknet einfach schneller als die alles bedeckende Kutte. Wir sind ja schliesslich nicht in Iran sondern im „Land der Freien“. Nichtsdestotrotz erhielt die Polizei die Anweisung, nun besonderes Augenmerk auf allzu luftige Modeschauen zu werfen. Das Modemagazin „Elle“ erhielt sogar einen blauen Brief, in dem es gewarnt wurde, eine Wiederholung der skandalösen „Elle Bangkok Fashion Week 2003“ unter allen Umständen zu vermeiden. Es wurde der Publikation vorgeworfen, dass die während des Festivals eingesetzten Modelle dadurch auffielen, dass sie „mit gefährlich tiefen Decolletees oder Tops, die ihre Brüste nahezu unverhüllt liessen“ daherstolzierten. Das Ministerium sah dies als einen „Verstoss gegen Artikel 388 des Strafgesetzbuches, welcher obszöne Akte, die als Kunst kaschiert sind, verbietet.“ Demnach sind die Akte, die sich allnächtlich in Patpong ereignen offensichtlich im Limit des Gesetzes, da pure Kunst. Doch wo Geld fliesst (nämlich in die Taschen der Bangrak-Polizeistation) darf auch schon einmal eine Ausnahme von der Regel erfolgen, und die Ehre der Thaifrauen sei zweite Priorität.
Dabei kann man den Polizeistationen gar nicht nachsagen, dass sie nur auf Kohle ausseien. Immerhin wurde ich von einem Barbesitzer in Soi Cowboy (Sukhumvit Soi 23) dahingehend informiert, dass die braunen Jungs in Thonglor nun darauf drängen, die Polizeistunde für das Areal auf 1 Uhr morgens vorzuverlegen. „Das ist auch nicht nur eine vage Entscheidung, sondern steht unmittelbar bevor,“ wurde mir hinter vorgehaltener Hand im Vertrauen übermittelt. Man wird sehen. Zumindest wurde die Soi inzwischen zur absoluten Fussgängerzone. Vehikel jeder Art, ausgenommen die Patrouillenfahrzeuge der Tourist Police, wurden seit geraumer Zeit aus der Strasse verbannt. Man muss sich also nicht mehr darum sorgen, im angesäuselten Zustand beim Überqueren der Strasse vom nächstbesten, tollwütigen Motorradmacho über den Haufen gefahren zu werden.
Das Schicksal der angrenzenden Bierbar-Plaza, wo uns Noi und Lek die immerwiederkehrende Mähr vom todkranken Wasserbüffel verklickern, ist das Thema heftiger Spekulationen. Niemand scheint zu wissen, was genau passieren wird. Vor einigen Monaten hiess es, das Areal würde abgerissen, da die Landbesitzer nun letzendlich doch ein neues Shoppingcenter errichten wollten. Die Fundamente wären ja bereits vorhanden. Doch während eines neuerlichen Besuchs erfuhr ich, dass der Lease für alle Bars zwar zum Jahresende ausläuft, das potentielle Shoppingcenter nun jedoch nicht erbaut wird. Stattdessen soll das Ganze in eine Nachtplaza im Stil des Ambassador Hotels umgestaltet werden. Das heisst eine Art Biergarten. Harvey, Besitzer der B52 Bar und eingefleischter Pilot, gab sich dennoch nicht so sicher. Er wird seine beliebte Bar in die Sukhumvit Soi 8 verlegen. „I have no idea what is going to happen. To be safe, I’ll rather relocate.” (Ich habe keine Ahung was passieren wird. Um sicher zu gehen, ziehe ich lieber um.) Good luck, Harvey.
Ob die Umgestaltung des Areals in eine Nachtplaza der Ehre der Thaifrauen unbedingt zuträglich ist, sei dahingestellt. Immerhin scheint es da doch einige männliche Individuen zu geben, denen Ehre schlechthin an sich schnuppe ist. Nicht anders ist es zu erklären, was ich kürzlich aus der „Bangkok Post“ entnahm. Ein 21-jähriger und vier Teenagers wurden von den Herren in braun im Din Daeng-Distrikt verhaftet, nachdem sie eine 52-jährige Frau angegriffen hatten, mit der sie allesamt vorher Sex hatten. Die Frau, Ratri, war angeblich die Freundin des 21-jährigen, Tawatchai. Aus einer Laune heraus lud er dennoch seine minderjährigen Kumpels, alle zwischen 15 und 17 Jahre alt, dazu ein, die unter Umständen etwas überreife Dame doch einmal auszuprobieren. Offensichtlich waren die jungen Hengste etwas zu übereifrig, denn plötzlich überkam Tawatchai die Eifersucht. Kurzerhand und wuterfüllt enthob er draufhin den heftig schaffenden letzten 15-jährigen seines Glückes und erteilte der Freundin was sie so dringend benötigte: Einen Schlag auf den Kopf. Selbstverständlich sah sich die Dame in ihrer Ehre gekränkt und telefonierte unverzüglich nach der Polizei. Die ganze Gesellschaft hat nun kostenfreie Unterkunft, wobei die Minderjährigen – gemäss Bericht – auf das Eintreffen eines Sozialarbeiters warten, bevor sie vernommen werden können. Die grauen Zellen schlackern.
Dabei wäre noch nicht einmal etwas zu monieren betreffend des jungen Alters der Hengste. Immerhin berichteten die Zeitungen, dass Thai Boys bereits ab dem zarten Lenz von 14 kräftig zur Sache kommen. Eine Umfrage unter 350 Hochschulstudenten eröffnete die schockierende Tatsache, dass die meisten der Befragten zugaben, bereits seit diesem Alter sexuell aktiv zu sein. Hoffentlich nicht nur mit 52-jährigen. Man fühlt sich selbst schon fast alt und schwach, wenn man bedenkt, dass man erst mit 18 angefangen hat. Und sogar in diesem Alter hatte man noch das Gefühl der Unsicherheit. Die Zeiten ändern sich. Wie auch immer, gemäss einer Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Nittaya Chanruang, bekräftigten 49 Prozent der befragten 17-jährigen, sie hätten Sex „mit guten Bekannten“ gehabt. Es wurde nicht enthüllt, ob diese guten Bekannten Ratri hiessen. 76 Prozent benutzten kein Kondom, weil sie glaubten, Sex mit einer guten Bekannten beinhalte kein Risiko für AIDS oder ähnliches. „Teenager bevorzugen Sex mit einer Person, der sie trauen können, und deshalb benutzen sie auch keine Kondome,“ erlauterte Nittaya. Wie gut für Ratri.