Am 1. Juli tritt das EU-Erdölembargo gegen den Iran in Kraft. Der Bundesrat lässt offen, ob sich die Schweiz anschliesst. Die US-Regierung und jüdische Kreise sind empört.

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Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton (2. von links) mit dem iranischen Chef-Unterhändler Said Jalili am Dienstag
in Moskau. (Bild: Reuters)

Hintergrund dieser etwas oberlehrerhaften Aussage bildet der Beschluss des Bundesrats von Anfang April, seine Position zum Erdölembargo gegen die islamische Republik bis zu einem «späteren Zeitpunkt» offen zu lassen. Das Einfrieren der Konten der iranischen Zentralbank in der Schweiz lehnte er gar unumwunden ab.

Dass die Schweiz zögert, die bislang schärfsten Sanktionen im Atomstreit zu übernehmen, erstaunt angesichts des Drucks aus dem Ausland. Selbst China scheint sich dem immensen Druck aus Washington zu beugen und seine Erdölimporte aus dem Gottesstaat zu reduzieren. Die Führung in Teheran lockt offenbar mit Rabatten, doch Peking sind die Beziehungen zu den USA wichtiger, zitierte Reuters einen chinesischen Regierungsvertreter.


Donald S. Beyer, US-Botschafter in Bern
(Bild: Keystone/Marcel Bieri)

«Auf welcher Seite steht die Schweiz?»

Die helvetische Zurückhaltung wird nicht nur von der US-Regierung, sondern auch von jüdischen Organisationen heftig kritisiert. Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), zeigte sich gegenüber der «Jerusalem Post» enttäuscht, dass die Schweiz «einmal mehr» die Entscheidungen anderer westlicher Staaten nicht mittrage. Es stelle sich die Frage, «auf welcher Seite die Schweiz eigentlich stehe», zitierte die konservative israelische Tageszeitung zudem den ehemaligen Sprecher der amerikanischen pro-Israel-Lobby AIPAC, Josh Block.

Marie Avet, Sprecherin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), betont auf Anfrage, dass der Bundesrat noch keinen Entscheid getroffen habe, was die Erdölsanktionen der EU anbelangt. Die Guthaben der iranische Zentralbank würden aus Rücksicht auf die iranische Volkswirtschaft nicht eingefroren. Laut US-Botschafter Beyer hatten die Schweizer Behörden im Gespräch zudem die Neutralität sowie ihre traditionelle Vermittlerrolle zwischen den USA und Iran geltend gemacht.

Spiel auf Zeit dürfte nicht aufgehen

Die Schweiz hat sich allerdings in der Vergangenheit nicht immer an ihre Neutralitätsmaxime gehalten und Iran-Sanktionen der EU selektiv mitgetragen, obwohl sie dazu im Unterschied zu UNO-Sanktionen rechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre. So wurden jüngst in Übereinstimmung mit der EU die Vermögenswerte von elf weiteren iranischen Personen und Unternehmen eingefroren. Auch der Verweis auf die Vermittlerrolle ist fragwürdig, da die USA in diesem Fall offensichtlich keinen Wert auf die guten Dienste der Schweiz legen.

Möglicherweise will sich der Bundesrat schlicht Zeit kaufen und hofft, die heikle Frage erledige sich von selbst. Im April hatten sich die Konfliktparteien nach einer 15-monatigen Pause erstmals wieder an einen Tisch gesetzt. Die Stimmung am Treffen in Istanbul war damals von beiden Seiten als positiv bezeichnet worden. Die nachfolgenden Gesprächsrunden in Bagdad und zuletzt diese Woche in Moskau endeten allerdings ohne Fortschritte. Das nächste Treffen auf Experten-Ebene soll am 3. Juli stattfinden. Der EU-Erdölboykott tritt am 1. Juli offiziell in Kraft. Die Chancen, dass sich der Konflikt vorher noch entschärft, sind somit gering.

Iran betreibt Erdölhandel von der Schweiz aus

Selbst wirtschaftliche Überlegungen seitens der Landesregierung können angesichts der zunehmenden Bedeutung der Schweiz als Drehscheibe des globalen Rohstoffhandels nicht ausgeschlossen werden. Das Seco verfügt zwar über keine verlässlichen Informationen, in welchem Ausmass Handel mit iranischem Erdöl von der Schweiz aus abgewickelt wird. Grosse Erdölhandelsfirmen mit Sitz in der Schweiz sollen der Behörde zudem bestätigt haben, von sich aus «in Konformität mit den EU-Sanktionen gegenüber Iran zu handeln». Fakt ist allerdings, dass Teheran mit der in der Waadt ansässigen Naftiran Intertrade Company über ein Standbein in der Schweiz verfügt, das im Erdölhandel tätig ist. Die Schweiz importiert selbst kein Erdöl direkt aus Iran, wie das Seco festhält.


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