Demographie bleibt Schicksal

Deutschland kaputt

Über die dramatischen Folgen einer katastrophalen Einwanderungs- und Sozialpolitik

von Gunnar Heinsohn

Der Autor, Jg. 1943, ist deutscher Hochschullehrer, Soziologe und Ökonom sowie meinungsfreudiger Kolumnist für "FAZ", "Welt" und andere.

 

I.

Eine Person gerät in Not und bittet die Nachbarn um Hilfe. Die Mitbürger legen zusammen und zahlen. Nach einem Jahr fragen sie an, wie es ihr gehe und wann sie mit der Rückzahlung beginnen könne. Die Hilfsbedürftige hält ihren einen Säugling entgegen und erklärt, dass sie jetzt noch mehr Geld brauche. Auf die Frage, wie das passieren konnte, kommt die knappe Antwort, sie sei halt schwanger geworden. Einige Nachbarinnen werden ungehalten. Scbließlich hätten sie ja auch verhütet, während man für sie das Geld aufbrachte. Die junge Mutter wirkt ein wenig betreten. Aber da tritt aus der Wohnung ein Helfer nach vorne und herrscht die Nachbarn an. Hat diese Frau vielleicht kein Recht auf Kinder? Sind Sie etwa für Zwangsabtreibung? Sie wissen wohl nicht, dass sie damit Genozid befürworten. Denn nach dem UNO-Völkermordgesetz werden alle Maßnahmen besttaft, "die auf die Geburtenverhinderung innerhalb erner Gruppe gerichtet sind".

Die Nachbarn werden unsicher. Einer bringt noch vor, dass man der Frau guten Glaubens geholfen habe und sich hereingelegt fühle, wenn man jetzt noch mehr Hilfe geben müsse. Ob denn auch er Völkermord begehe, wenn er nur so viele Kinder habe, wie er sich leisten könne? Aber seine Gattin bringt ihn zum Schweigen: Um Himmels Willen, flüstert sie, lass uns zahlen, sonst sind wir Nazis.

Die Nachbarn kehren heim. Diesmal geben sie mehr Zeit. Sie wissen, dass ein kleines Kind erst einmal aus dem Gröbsten heraus sein muss. Aber nach drei Jahren wollen sie wissen, ob die Mutter wieder auf eigenen Füßen stehen könne. Wie das denn gehen solle, gibt diese empört zurück. Sie sei doch noch einmal schwanger geworden und habe nun zwei Kinder zu versorgen. Sie brauche weit höhere Beträge und das auf unabsehbare Zeit.

Bevor die Nachbam etwas erwidern können, treten zwei Helfer nach vorne. Sie haben Fernsehteams dabei. Es geht nicht nur um diese Frau, ruft der eine. Wir werden immer mehr. Viele von uns sind Ausländer und Migranten. Wenn Sie für die nicht zahlen wollen, sind Sie ausländerfeindlich! Wir werden Sie wegen Rassismus belangen. Ein anderer stößt nach: Wir sind die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Wenn Sie auch nur ein Wort
gegen unsere Versorgung aus Ihren Steuern sagen, kommen Sie wegen Volksverhetzung vor Gericht.

Den Nachbarn ist jetzt richtig bange. Sie bleiben stumm. Wenn aber doch mal einer die Stimme erhebt, sehen sie mit Entsetzen, wie er gejagt witd. Denn die drohenden Helfer haben recht. Ihre Schützinge werden tatsächlich immer mehr. Deutschland hat 1965 erst 130.000 Kinder unter fünfzehn Jahren auf Sozialhilfe. 1991 sind es 630.000. Im Frühjahr 2010 leben - einschließlich der Aufstocker  - zwei Millionen Kinder von Harz IV.

1965 ist Deutschland pro Kopf viel ärmer als 2010. Verhütungsmittel sind nicht leicht zu bekommen und Schwangerschaftsabbrüche strafbar. Eine verliebte Begegnung endet da leicht in einer Mutterschaft. Und doch geraten von 1.000 Neugeborenen nur sechs in Sozialhilfe. Auch in Großstädten hält sich das Problem in Grenzen. In Kassel lebt 1965 nur eins von 75 Kindern von Steuergeld. 2010 aber zahlen die Bürger bereits für eins von fünf Kindern - fünfzehn mal mehr.

2010 leben in Deutschland von 1.000 Neugeborenen rund 200 in Hartz-IV-Haushalten. In Bremerhaven sind es 450 von 1.000 der 0-3-Jährigen. Wie ist das möglich, wenn die Geburtenkontrolle doch erlaubt ist und Liebesnächte ohne Folgen genossen werden können?

 

II.

Andere Länder haben Deutschlands Sozialhilfe-Konflikte längst hinter sich gebracht. "Rassist!" hallt es am 22. August 1996 quer durch Amerika. Die Verfluchung gilt dem mächtigsten Mann der Welt. US-Präsident Bill Clinton unterschreibt an diesem Tag ein Gesetz, das die überkommene Sozialhilfe abschafft. Die nämlich zeigt widersinnige Auswirkungen. Immer reicher wird das Land und immer höhere Summen gehen an seine Armen. Und dennoch werden die immer zahlreicher.

Clinton beseitigt ein Gesetz von 1935. Schützen soll es Witwen und Waisen, die ihren Ernährer verloren haben. Auffällig wird dieses Gesetz erst in den 1960er Jahren, als junge Frauen vor den Staat treten und für sich und ihren Nachwuchs Geld fordern, obwohl bei ihnen kein Versorger verstorben ist. Allerdings behaupten sie, die Namen der Kindsväter nicht zu kennen. Nun seien auch sie hilflose Frauen. die der Staat versorgen müsse.

Das gute Gesetz von 1935 wird für die Steuerzahler plötzlich zur Falle. Sie durchschauen die Mütter, können aber doch die Neugeborenen nicht im Stich lassen. Grimmig überweisen sie das geforderte Geld. Die Frauen hören aber dann mit dem Gebären nicht auf, um alle Kraft dem vorhandenen Kind zu widmen. Obwohl es für den Steuerzahler teurer wird, verschlechtern sich die Entwicklungschancen des von ihm finanzierten Nachwuchses. Während es 1964 erst vier Millionen Mütter und Kinder auf Sozialhilfe gibt, explodiert ihre Zahl bis 1994 auf vierzehn Millionen.

Die Amerikaner sind alarmiert, denn viele der Kinder versagen in der Schule. Schnell wird dieses Scheitern als Schuld der Gesellschaft gebrandmarkt. Sie gebe immer noch nicht genügend Geld und sei grausam, wenn sie gerade die Ärmsten zurücklasse. Pädagogische Programme in Milliardenhöhe sollen die Kinder ausbildungsreif machen. Doch nicht nur das Schulversagen beunruhigt die Amerikaner. Kriminalität kommt hinzu. Die Söhne der Sozialhilfemütter stellen zwar nur zehn Prozent aller Jungen, aber sie begehen 50 Prozent der jugendlichen Gewaltverbrechen. Angesichts dieser Lage formuliert Charles Murray in seinem 1984 erschienenen Buch Losing Ground (,,Den Boden unter den Füßen verlieren') sein Gesetz: "Mehr Geld erzeugt mehr Armut". Mit vier Befunden erläutert er diesen paradoxen Satz: Erstens: Die Bezahlung der Mutterschaft durch den Steuerzahler vermehrt die ZahI der Sozialhilfemütter und ihrer Kinder. Zweitens: Das Verstecken des Schulversagens durch Senkung der Leistungsanforderungen höhlt die Lernbereitschaft weiter aus. Drittens: Die Verharmlosung der Kriminalität als "Schuld der Gesellschaft" treibt die Täterzahl weiter nach oben. Viertens: Eine zeitliche Begrenzung der Sozialhilfe ist die einzige Chance, sie für die wirklich Bedürftigen zu erhalten und sogar zu verbessern. Die "Schuld der Gesellschaft" besteht darin, diese Wende immer wieder aufgeschoben zu haben.

In den besonders großzügig zahlenden Bundesländern Kalifornien und New York starten auf dem Höhepunkt der Entwicklung nahezu 25 von hundert Babys direkt in ein Leben auf Sozialhilfe. Aus New York fliehen daraufhin viele tausend Steuerbürger in andere Bundesstaaten. In der Stadt gibt es immer mehr Anspruchsberechtigte, aber immer weniger Versorger. Die stolze Metropole der Ersten Welt verkommt.

Clinton - bis dahin das Idol der amerikanischen Linken - will diesen Zustand beenden und bekommt zu hören, dass Armut kindlich, weiblich und farbig sei, er also die Schwächsten angreife. Gleichwohl lebt nur jede vierte schwarze Bürgerin vom Steuerzahler. Die übrigen drei Viertel gehen ohne Staatshilfe durchs Leben. Die Frauen auf Sozialhilfe sind jünger, unqualifizierter und kinderreicher als ihre Schwestern. Gegen ihre beamtenähnliche Versorgung empören sich deshalb farbige Steuerzahlerinnen genauso wie hispanische, weiße oder ostasiatische.

Amerika fürchtet um seine Zukunft. Denn viele Töchter der Hilfemütter bereiten sich mit eigenen Schwangerschaften ebenfalis auf die Soziaihilfe vor. Die Söhne dagegen sind oft noch schlechter gebildet als die Mädchen. Sie werden die Steuergelder für ihre Mütter und Schwestern nicht verdienen können. Die Sozialhilfe eröffnet Karrieren also nur für Mädchen, die mit eigenen Babys Ansprüche aufbauen können. Die Jungen hingegen erlangen durch mehrfache Vaterschaften keinen dauerhaften Unterhalt.

Gegen diese brisante Situation wendet sich Bill Clinton erstmals in einer Wahlkampfrede von 1992: "Wir machen Schluss mit der Sozialhilfe, wie wir sie kennen. Soweit ihr dazu fähig seid, müsst ihr arbeiten. Denn Sozialhilfe dient als zweite Chance. Sie darf niemals zu einem Lebensstil werden."

Was ändert Clintons Gesetz? Ab 1. Januar 1997 kürzt es körperlich gesunden Amerikanern den bis dahin lebenslangen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe auf einen Anspruch von nur noch fünf Jahren. Diese Entscheidung wird flankiert durch Trainingsprogramme für Mütter und Tagesstätten für ihren Nachwuchs. Entscheidend aber wirkt die Obergrenze von fünf Jahren. Die sind am Stück oder in Raten abrufbar, damit selbst mehrere echte Notlagen abgewettert
werden können. Die Menschen können mit ihnen regelrecht geizen, also entscheiden, ob nicht doch erstmal Ersparnisse angegriffen oder Verwandte gebeten werden sollen.

Wieder passiert etwas scheinbar Widersinniges. Obwohl die Ausgaben gegen Armut jezt fallen, geht die Zahl der Armen zurück. Erhalten 1994 noch mehr als vierzehn Millionen Bürger Sozialhilfe, so sind es 2005 weniger als fünf Millionen. Auf sechzig Amerikaner kommt gerade noch ein Mensch, der heute - und wohl auch in Zukunft - auf Dauer von den Mitbürgern versorgt werden muss. Das aber ist zu schaffen.

Die Clinton-Gegner dagegen prophezeien eine massive Zunahme der Fälle. Doch sie täuschen sich. Werden die finanziellen Anreize wieder abgeschafft, wird die Lebensplanung geändert. Am meisten überaschen die Kleinsten. Für sie hatte man das Schlimmste angekündigt - vom Schlafen im Straßengraben bis zum Verhungern. Das unterbleibt schon deshaib, weil ja alle vor dem neuen Gesetz geborenen Kinder weiter versorgt werden. Innerhalb einer Generation aber geht die Zahl der direkt in der Sozialhilfe geborenen Kinder um 80 Prozent zurück. Schon die bloße Ankündigung des Gesetzes bewirkt dass sich zwischen 1994 und 1996 über 500.000 amerikanische Familien aus der Sozialhilfe verabschieden. Die Verwandten machen Druck. Vom Steuerzahler kannst du's nehmen, sagen sie. Glaub' aber nicht, dass jetzt wir für dich aufkommen.

Das amerikanische Prinzip der Eigenverantwortung ist wieder in sein Recht gesezt. Die Kriminalität geht zurück.

Nicht ausbildungsreife Jungen, die über Gewalt nach oben steben, werden kaum noch in die Welt gesetzt. Eine bedauernswerte, weil hoffnungslose und dann zornige Jugend wächst schlicht nicht mehr heran. Ungeborene können niemanden verletzen, aber auch von niemandem beschämt werden. Die Ghettos werden nicht mehr angezündet und Sozialhilfemütter von gestern gewinnen ein Stück Selbstachtung zurück.

Auch die wirklichen Rassisten werden jetzt für jedermann erkennbar. Die politisch rechts Stehenden halten die Sozialhilfemütter für sexuell verkommene Schmarotzer. Dabei handeln diese Frauen genauso rational wie viel reichere Subventionsempfänger auch. Wenn der Staat Geld hinlegt, dann wird es genommen. Clinton versteht das. Deshalb führt er keinen moralischen Kreuzzug und verfällt auch nicht auf Schikanen. Er weiß, dass man die Menschen nicht ändern kann, Gesetze aber schon.

Bei den linken Rassisten geht die Geringschätzung der Frauen noch tiefer. Das seien Personen, denen man gar nichts zutrauern könne. Sie seien unfähig, raional zu entscheiden oder auch nur einfachste menschliche Handlungen zu verrichten. Deshalb müssten immer meht Helfer bezahlt werden. Doch die Rassisten von rechts bis links werden von den Frauen Lügen gestraft. Gleich nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes betreiben auch sie Geburtenkontrolle. So liegen im einst besonders hart betroffenen Kalifornien die Afroamerikanerinnen heute bei nur noch 1,7 Kindern pro Frauenleben.

Der mit Kritik, aber auch Hass überschüttete Charles Murray hat einen solchen Rückgang vorausgesagt. Sein Buch wird in die Liste der zehn Werke aufgenommen, die Amerika zum Besseren gewendet haben. Wo zu viele Bürger die Lasten für ihre Kinder den Nachbarn aufbürden dürfen, zerfällt selbst die stärkste Republik. Diese Lektion ist jetzt gelernt.

 

III.

Bill Clinton bringt Amerika auf neuen Kurs, als das Land im Vergleich zum heutigen Deutschland viel besser dasteht. Nicht um den Faktor 15 wie hier, sondern nur um den Faktor 3,5 schnellt seinerzeit die Zahl der Sozialhilfekinder nach oben. In Amerika finanziert das eine stetig wachsende Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von damals 34 Jahren. In Deutschland muss das eine sinkende Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren leisten. Denn die Frauen hier haben nur 1,4 Kinder, ihre amerikanischen Schwestern aber 2,1.

Deshalb werden in der Bundesrepublik von 100 Nachwuchskräften, die das Land benötigt, um nicht weiter zu schrumpfen und zu vergreisen, 35 gar nicht erst geboren. Von den 65 Kindern, die zur Welt kommen, gelten fünfzehn als nicht ausbildungsreif. Das ist nach dem Berufsbildungsbericht der Bundesregierung fast jeder zweite Lehrling. Also gibt es von den erforderlichen 100 nur 50. Von diesen aber wandern 10 aus, weil sie in Deutschland keine Zukunft sehen. So bleiben am Ende nur 40 Aufrechte. Das ist der Grund dafür, dass die Demographen der Bundesrepublik keine Chance mehr geben.

Die Parallelen zu Amerika vor Clintons Reform sind unverkennbar. So begehen 2006 in Bremerhaven die Jungen aus Hartz-IV-Familien 90 Prozent der Gewaltkriminalität, obwohl sie nur 40 Prozent der Jugendlichen stellen. In Berlin, wo bei weniger als 100.000 Industriearbeitern über 600.000 Menschen von Hartz IV leben, steigt die Zahl der Autoverbrennungen von 152 im Jahre 2001 auf 216 im Jahre 2009. Hartz IV eröffnet Karrieren eben nur für Mädchen, während die Jungen über Vaterschaften nicht an Unterhalt gelangen können, aber verständlicherweise doch auch alles haben wollen.

In Deutschland wächst die Zahl alleinerziehender Frauen auf Sozialhilfe viermal schneller als in anderen hoch entwickelten Nationen. Vom Minister bis runter zum Stammtisch wird ihnen Faulheit und Parasitentum vorgeworfen. Aber nicht die Frauen sind hier anders, sondern die Gesetze. Eine nicht Vermittelbare bekommt bei zwei Kindern bis zum 50. Lebensjahr 415.000 Euro auf Hartz IV. Wer so einen Betrag erst anbietet und die damit verführten Frauen dann als durchtrieben hinstellt, redet infam. Schuld sind nicht die Frauen, sondern die staatliche Verlockung.

Gleichwohl nehmen die Probleme überhand. Denn für jede Hartz-IV-Mutter benötigt man die Steuern von zwei voll erwerbstätigen Bürgern. Jedes Jahr wandern von ihnen 160.000 aus. Damit verlieren iährlich 80.000 Hartz-IV-Familien ihre Versorger. Die ZahI dieser Familien selbst geht jedoch nicht zurück. So hat Bremerhaven im März 2009 bei den Kindern von sieben bis fünfzehn Jahren "nur" 33 Prozent auf Hartz IV. Bei den 0-3-Jährigen jedoch sind es bereits 45 Prozent.

Die hanseatische Landesregierung will die Mütter nun an Verhütungsmittel gewöhnen. Auch das gehört zu den Methoden einer Umerziehung, die bei den Betoffenen die Schuld sucht, die in Wirklichkeit auf der Angebotsseite liegt. Verhüten können diese Frauen so gut wie damals Clintons Sozialhilfemütter. Sonst hätten sie ja zehn oder fünfzehn Sprösslinge und nicht zwei oder vier.

2004 gilt in Deutschland erst jedes fünfte Kind als nicht ausbildungsfähig. Damals wird der Industrie absichtliche Übertreibung vorgeworfen, um Lehrlinge nicht einstellen zu müssen. 2010 prüft die Regierung selbst und findet, dass sogar jeder vierte Jugendliche nicht ausbildungsreif ist. Die Kultusministerkonferenz klagt, dass der Anteil migrantischer Leistungsversager "in den Schulklassen jährlich" ansteigt. Wie geht es weiter, wenn alsbald womöglich jeder dritte junge Mensch nicht arbeiten kann und für den Rest des Lebens versorgt werden muss?

Wer soll das System Bundesrepublik dann am Leben erhalten? Jene 40 von den benötigten 100 Tüchtigen schaffen es nicht. Denn sie können nicht einmal die ausscheidenden Fachkräfte ersetzen. Auf 100 Ingenieure, die in Rente gehen, folgen nur noch 90, die ins Erwerbsleben eintreten. Doch nur mit diesem Pfund der technischen Intelligenz kann Deutschland global punkten. Auf dem Höhepunkt steht es 1980, als Deutschland unter den größeren Ländern beim Pro-Kopf-Einkommen global auf Platz eins steht. Heute müht es sich um den Erhalt des siebzehnten Rangs. Ehemalige Spitzenbranchen etwa für Kameras, Computer und Telefone sind ausgelöscht. 2010 hat das Land zwei Millionen Studenten. 2015 werden es noch 1,6 Millionen sein. Viele müssen Sozial- und Altenpfleger werden. Wer erhält den Industriestandort?

Deutschlands Formel schien genial. Frauen, die wegen ihres Erfolges in der Arbeitsmarktkonkurrenz Kinder kaum haben können, zahlen extrem hohe Steuern. Andere Frauen, die in der Konkurrenz kaum mithalten können, finanzieren mit diesem Geld ihre Kinder. Die Hälfte von ihnen aber wird wegen fehlender Qualifikation die Leisterinnen gar nicht ersetzen und auch die Mittel für ihre Renten nicht verdienen können. Wenn man Deutschland als einen einzigen Menschen fasst, dann wrd er älter, kleiner, unqualifizierter und schuldenreicher. Für 2060 erwartet das Statistische Bundesamt statt 82 nur noch 65 Millionen Einwohner mit einem Durchschnittalter von 54 statt jetzt 44 Jahren. Aber auch das wird nur gelingen; wenn jährlich - statt jetzt gerade mal 700 - mindestens 100.000 Hochqualifizierte kommen und nicht weiter jährlich 150.000 Hochqualifizierte auswandern statt hierzubleiben. Für diesen Idealfall kommen auf 100 Arbeitsfähige zwischen 25 und 65 Jahren 180 zu Versorgende - die Alten, die Jungen und die Gleichaltrigen in Hartz IV. Aber selbst diese Prognose ist noch geschönt. Denn jene 100 Aktiven werden sich die Versorgung von 180 Bedürftigen nicht zutrauen und aus dem Lande so fliehen wie damals die New Yorker aus ihrer geliebten Stadt. Dann machen sich pro Jahr vielleicht nicht "nur" 150.000. sondern gleich eine halbe Million davon.

 

IV.

Vor unseren 40 Tüchtigen der 100 eigentlich Benötigten lässt sich die deutsche Abwärtsspirale also nicht verstecken. Schon 2007 träumten 87 Prozent der deutschen Hochschulabsolventen von Auswanderung. Und dafür stehen ihre Chancen bestens. Längst werden sie nicht nur in den deutschen Statistiken gezählt, sondern auch in den Prognosen der klassischen Einwanderungsländer. Allein die fünf Anglo-Nationen Australien, England, Kanada., Neuseeland und USA benötigen jedes Jahr 1,7 Millionen qualifizierte Einwanderer, um ihre eigene Alterung wenigstens zu verlangsamen. Deutschland hat pro Jahr weniger als 700.000 Neugeborene. Die Anglo-Länder müssen jedes Jahr mehr als das Doppelte davon gewinnen, um nicht selber in deutsche VethäItnisse zu rutschen.

Gleichwohl würden sie aus Deutscbland nicht jeden nehmen. Ihre Einwanderungspolitik folgt nämlich Prinzipien. Sie wollen, dass ihre eigenen Kinder einmal mehr können als die Eltern. Deshalb müssen auch die Zuwanderer tüchtiger sein als die Einheimischen. Nur wer für die Aufnehmenden etwas leisten kann und ihnen nicht gleich in die Taschen greifen muss, darf hoffen, von ihnen auch angenommen zu werden. Wer sich aber einbringen kann, darf in jeder Farbe schillern. Wer jedoch schon daheim zu den schlechten Schülern gehörte, darf auch mit empörtem Verweis auf Haut- und Haarfarbe nicht herein.

Australien will "hoch qualifizierte Menschen, die bestens ausgebildet sind. Sie müssen Englisch auf hohem Niveau beherschen und sehr schnell einen Beitrag zur australischen Wirtschaft leisten können." Kanada schlägt denselben Ton an. Wir wollen "als Einwanderer erfolgreiche Unternehmer, die mit ihren Fähigkeiten und ihrem Know-how einen Beitrag zum wirtschaftlichen und kulturellen Wohl Kanadas sowie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leisten."

Kanada erreicht unter allen Nationen das Traumziel der Einwanderungspolitik Bei den Kindern seiner Zuwanderer wird mehr Intelligenz gemessen als beim einheimischen Nachwuchs. Deutschland bildet dazu den Gegenpol. Von mehr als zehn Millionen Zuwanderern seit 1987 sind nur 5 bis 10 Prozent qualifiziert. Die lebenslange Versorgung vieler dieser Menschen, die weder daheim noch hier eine Chance haben, wird selten gepriesen. Doch wann hätte Deutschland schon mal jemanden beschützt oder gar befreit? Jetzt aber ist jeder der 25 Millionen Nettosteuerzahler mit 40.000 Euro für Migranten verschuldet. Wer sonst könnte eine Billion Euro Hilfsgelder für Fremde vorweisen? Das ändert allerdings nichts daran, dass Migrantenkinder nirgendwo tiefer unter den einheimischen Schulleistungen liegen als zwischen Rhein und Oder.

Ausländer - das zeigt der Blick auf Kanada - können das Problem nicht sein. Sie sind die Lösung. Das belegen in Deutschland muslimische Iraner, russische Juden und Ostasiaten, die bessere Abiturnoten hinlegen als Kinder der deutschen Mittelschicht. Schlechte Schulnoten jedoch bleiben auch nach dem Überschreiten einer Grenze schlechte Schulnoten. Sie verwandeln sich nicht plötzJich in ein Ausländerproblem. Hinter diesem Schummelwort versteckt sich eine gescheiterte Einwanderungspolitik. Dasselbe gilt für den Wunderbegriff Integration. Aber Exzellenzstudenten integrieren sich mit Schulabbrechern selbst dann nicht, wenn sie Sprache, Religion und Hautfarbe teilen. So etwas gelingt weder in Istanbul noch in Berlin.