Urteile deutscher Arbeitsgerichte sind abhängig von der wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Region: Je geringer die Arbeitslosigkeit am Standort des Gerichts, desto wahrscheinlicher ist eine Entscheidung gegen den Arbeitnehmer. Das ergab eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Michael Neugart von der TU Darmstadt.
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Arbeitsrichter das Schutzbedürfnis von Arbeitnehmern je niedriger bewerten, desto besser die wirtschaftliche Situation in der Region ist – und umgekehrt“, sagt Prof. Dr. Michael Neugart vom Fachgebiet für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik.
Neugart und Ko-Autor Helge Berger von der FU Berlin berechneten im Rahmen einer ökonometrischen Studie den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Entscheidungen deutscher Arbeitsrichter. Dabei stellten sie weiterhin fest, dass die Richter dazu tendieren, zugunsten klagender Arbeitnehmer mit Kindern zu entscheiden, während das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Familienstand oder das Geschlecht einen deutlich geringeren Einfluss auf die Erfolgsaussichten einer Klage hatten. Allerdings profitierten in den untersuchten Fällen klagende Frauen von mehrheitlich weiblich besetzten Kammern, klagende Männer von mehrheitlich männlich besetzten Kammern. Ebenso erhöhten sich die Chancen gekündigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihren Arbeitsrechtsprozess zu gewinnen, wenn sie von einem Gewerkschafts-Anwalt vor Gericht vertreten wurden.
Für ihre Studie haben Neugart und Berger insgesamt 221 Arbeitsrechtsprozesse ausgewertet, die zwischen August 2003 und September 2006 an 33 Arbeitsgerichten in zwölf Bundesländern entschieden worden waren. Da in allen untersuchten Fällen den klagenden Arbeitnehmern von einer großen Elektronik-Handelskette betriebsbedingt gekündigt worden war und die Elektronik-Handelskette zudem in allen Prozessen von derselben Anwaltskanzlei vertreten wurde, stellen die Fälle eine hervorragende Datenbasis für eine vergleichende Studie dar.