Analyse von Alexander Steinacher
Wer sich über diesen grossgeschriebenen Titel im Tagesanzeiger vom 18. Juli 2015 (Seite 31) wundert, möge sich erinnern; in wenigen Tagen ist 1. August, unser Nationalfeiertag! Da werden von den Ideologie-Kavernen der Zentral- und Welt-Regierungsphantasten die üblichen Perma-Aufträge an die gelenkten Medien verteilt: Das Schlecht schreiben von Demokratie und unabhängiger Nationalität! Der Bürger, der hier im noch einigermassen freien, direkt-demokratischen Nationalstaat lebt, und um die Erhaltung der erreichten Ziele einer langen, mühsamen und teils schwierigen Emanzipation aus dem Mittelalter täglich kämpfen muss, soll nicht noch darum feiern dürfen; zweifeln soll er, depressiv werden, an der eigenen Verantwortung und rechtsstaatlichen Freiheit. Werte und Errungenschaften, Sicherheiten, die zuschande geredet, bzw. geschrieben werden müssen; um der vermeintlich höheren Glaubwürdigkeit willen immer wieder von scheinbar kompetenten, wissenden, ja besser wissenden Universitätskoryphäen, Historikern, Professoren gegen gutes Honorar auf argumentiert! Moralische Skrupel kann es ob der teilweise verbissenen Blödheit der Argumente keine geben! Wer im eigenen Exemplar liest, oder aus der Kopie, kann sich sein Kopfschütteln selber an-motivieren. Aber das Tieferhängen einiger besonders fragwürdiger bis abstruser Argumente gegen den direkt-demokratischen Nationalstaat drängt sich doch auf, wenn man nicht aus lauter Politfrust- oder Lethargie die Schieflage der Ebene verkennen will!
Zitate aus dem Pamphlet sind in Kursivschrift:
Kann die „Volkssouveränität“ die Krise, in der sie heute steckt, überleben oder haben wir uns mit einer „Postdemokratie“ abzufinden?
Das möchten sie wohl gerne – die Postdemokratie, will heissen das was nachher kommt, ohne Demokratie (wir müssen nur deutlich genug hinter uns schauen, dann wissen wir, wie das aussehen kann!) Und das, nachdem wir hier eine kleine Insel echter, weil direkter Demokratie sind, in einem verlorenen Haufen von Schein- Theater und Möchte-gern-Demokratien! Sie reden alle davon, aber kaum einer tut es. Das heisst im Klartext, wenn wir unser westliches Nachbarland als Beispiel nehmen; In Frankreich leben ungefähr 3 Millionen Muslime. Diese gehen kaum wählen, für ihre das ganze Leben bestimmende Religion Islam ist Demokratie nur Sünde und muss zugunsten der richtigen Führerschaft überwunden werden. Sie gehen wohl erst wählen, wenn ihre Minderheit so stark gewachsen ist, dass sie einen Monsieur Mohamed als Präsidial-Kandidaten wählen könnten. Und würden sie jetzt bereits über ein rudimentäres Demokratiegewissen verfügen, könnten sie gerade mal auswählen zwischen Monsieur Sarkozy und Monsieur Hollande. Sehr gefährliche Demokratie sowas!
Das Nachdenken über Souveränität ist älter als das Konzept der „Volkssouveränität“. (nachgedacht – ja doch nur ein Konzept!)
Die meist kriegerischen Prozesse zur Staatsbildung lassen sich mit einer pointierten Formulierung des amerikanischen Sozialwissenschaftlers Charles Tilly als „organisierte Kriminalität“ im Kampf um Souveränität verstehen. Kriegerische Prozesse, das können halt auch Befreiungsschläge von verbrecherischen Mafiahorden sein, auch wenn sie damals anders hiessen, sich mit schönen Titeln und Fastnachts-prächtigen Kostümen zu inszenieren wussten. Und daraus scheint dann moralisch unweigerlich eine kriminalistische Stammesgeschichte für die direkte Demokratie und damit auch unseren unabhängigen Rechtsstaat zu werden. Das erinnert an die Ängste und Vorwürfe der umliegenden Monarchien, als die Schweiz im 19. Jahrhundert definitiv eine unabhängige Republik auf demokratischer Bundesverfassung wurde.
Aus der Interpretation der französischen Revolution (und dem darauf folgenden Chaos mit dem Aufsteigen der Geier und noch grösserer und brutaler Hegemonieansprüche mit den katastrophalen Folgen für die Länder und Völker Europas) schliesst der Propagandasöldner Jakob Tanner von der Universität Zürich: Ausserdem zeigte sich, dass sich eine Gesellschaft aus systematischen Gründen nicht vollumfänglich selber regieren kann – es gebe Bereiche, die nicht zu kontrollieren wären, um das Geschehen zu beherrschen; Hunger, Wirtschaftskrisen sowie Staatsbankrotte, wie die rasante Veränderung von Arbeitsmärkten, Beschäftigungs- und Lebensformen im Zuge des Wirtschaftswachstums und der weltwirtschaftlichen Integration...
Ja, muss man da wirklich beipflichten, und sich aber fragen, ob das dann die Zentralregierungen, die Kaiser, die Präsidenten, die mehr oder weniger geliebten Führer besser können? Oder gibt es da eventuell doch Lehren aus der unmittelbaren Geschichte, die wir nicht vergessen sollten?
Dazu waren nationalstaatlich verfasste oder imperial regierte Gesellschaften nie deckungsgleich mit einem „Volk“!
Also nationalstaatlich verfasste - und imperial regierte Gesellschaften, - zwei unterschiedliche Begriffe. Der Nationalstaat ist das System, gewissermassen der Lebensraum der Gesellschaft, und wer und wie den Nationalstaat „regiert“ ist danach schon die entscheidende Divergenz!
Das Volk ist darin entweder der souveräne oder der mehr oder weniger unterdrückte Player!
Dann kommen da noch die in der Demokratie natürlich vernachlässigten, ja diskriminierten Minderheiten zur Zweiflersprache; Es stellt sich das Problem auf welche rechtlichen Mindestgarantien Minderheiten zählen können, wenn sie durch Mehrheitsentscheidungen diskriminiert werden (natürlich! Immer eine Diskriminierung wenn die Mehrheit billigere Apfelimporte will und die Importeure damit unterliegen, beispielsweise….)
Dann spricht der Historiker noch von der Rolle des Rechtsstaates und der Verfassungsgerichtsbarkeit in ihrem Verhältnis zur Volkssouveränität, die geklärt werden musste. Wer aber unsere Bundesverfassung liest, muss unter solchen Zweifeln keineswegs leiden. Wenn sie denn nur wieder mit mehr Respekt und Verantwortungsbewusstsein, vor allem von der „regierenden“ Classe Politique beachtet würde! Wo das Volk wirklich der Souverän ist, braucht es deshalb auch kein Verfassungsgericht. Wir wollen und brauchen weder Richter- noch Kommissare- oder Führer-Regierungen!
Dann muss noch ein englischer Politikwissenschaftler zitiert werden, der meinte „Die Demokratie ist heute mehr denn je ein internationales Leitbild von hoher Reputation“ (genau, wie ich schon sagte, jeder hergeschummelte Präsident ist die krönende Leistung der Demokratie!) Gegenläufig herrscht das Gefühl vor, dass es mit ihr allenthalben nicht zum Besten steht. Von wo oder von was reden die hier? Es steht nicht zum besten, also muss die Demokratie abgeschafft – ersetzt werden?! Dann eine schlagende Beweisführung: Kein Nationalstaat vermag eine absturzgefährdete internationale Grossbank mit Volksinitiativen oder aufgrund parlamentarischer Vorstösse zu retten. Dasselbe gilt für die Rettung eines hoch verschuldeten Staats ohne jede Aussicht, die Schulden bedienen zu können. Bei solch wichtigen Aufgaben kann die Volkssouveränität schlicht zusammenpacken.
Verbrecherische und geschäfts-versagende Banken und Staaten sind mal nicht dasselbe Problem und es ist wohl auch nicht die Aufgabe des demokratischen Souveräns für das unehrliche Gross-Pfuschen anderer aufzukommen!
Auf zweieinhalb Doppelseiten werden die abstrusesten und wirrsten „Beweise“ zitiert und zusammengestellt, warum die Demokratie (schon von Anfang an…) ein Auslaufmodell sei; u.a. prangt da ein Bild von Jean-Jacques Rousseau, mit der Bemerkung darunter, er beschreibe, wie Volk und Gesetz in einem Akt entstehen! (noch vor der französischen Revolution!) Jeder hat doch eine Ahnung davon, was damals für Völker unter was für Gesetzen und Potentaten litten und darbten. Volk und Gesetz – in einem Akt!
Weitere vielsagende Bemerkung des Propagandaschreibers: Die Volkssouveränität lässt sich nicht kleinkriegen!
Das tönt wie ein bedauerliches Eingeständnis der Unfähigkeit der Demokratie-Feinde!
Der Historiker hat sich Mühe gegeben, seinen Auftrag so streng wie möglich zu erfüllen, ob dabei auch eigenmotivierte Lust im Spiel gewesen – wage ich zu bezweifeln; noch ein Müsterchen:
Es geht vielmehr gerade in umgekehrter Richtung, über die systematischen Beschränkungen der Volkssouveränität im nationalstaatlichen Rahmen nachzudenken!
Das also ist des Pudels Kern! Wenig überraschend allerdings! Ein Kennzeichen des souveränen demokratischen Nationalstaates ist es gerade eben, dass man über die eigene Abschaffung, die eigene Selbstzerfleischung diskutieren darf. In den Staaten, wo Volkssouveränität durch Führer mit Revolutionsgarden, Religionspolizei usw. ersetzt ist, wird wohlweislich nicht darüber diskutiert, das Staats- und Rechtssystem abzuschaffen!
Zunehmende Kulmination der Absurditäten:
Die Alternative, die es zu stärken gilt, besteht gerade umgekehrt in einer grenzüberschreitenden Demokratie, die auf neue Weise mit dem Konzept der politischen Souveränität verbunden werden kann. Die Europäische Union etwa (jetzt wächst der Pudel aus) ist deshalb ein Freiheits- und Friedensprojekt, weil sie die destruktiven Kräfte des Nationalstaates in überstaatliche Modelle der Kooperation und neuer Souveränität eingebunden hat!
Das Geflunker vom Freiheits- und Friedensprojekt ist derart verlogen und realitätsfremd, aber niemand schämt sich dafür! Sie erhielten doch tatsächlich präventiv einen Friedensnobelpreis, wohl als weitherum sichtbare Mahnung, und Aufmunterung, nicht wieder in die Fussstapfen der Vorgänger-Europa-Grossreiche, welcher Provenienz auch immer zu tappen. Sei es aus Dummheit oder der altbekannten Machtgier!
Was haben wir heute in Europa? Unfrieden, Erpressungen, Nötigungen, nicht legitimierbare Machtansprüche , Versagen auf fast allen Linien!
Griechenland ist wohl der erste Nationalstaat in Europa, der wieder, diesmal nicht von Panzern und Flugzeugen aber von finanzmonopolistischen Bulldozern niedergemacht wird. Das Resultat ist zumindest wirtschaftlich vergleichbar mit der letzten Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg!
Selbst der Sozialdemokrat und Ökonom Rudolf Strahm schreibt in der gleichen Zeitung:
„Griechenland ist jetzt ein Protektorat der EU – Ab sofort müssen die Griechen den Finanzkontrolleuren von EU, EZB und IWF – den Funktionären der verhassten Troika – ungefragt, ungehinderten Zugang zu allen Ministerien gewähren. Von nun an muss die griechische Regierung alle neuen Gesetze und Gesetzesänderungen Brüssel unterbreiten, bevor sie diese dem (eigenen) Parlament vorlegt. … Dominanz jener Nation, die Griechenland im zweiten Weltkrieg überfallen und zerstört hatte, ohne danach je eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Der deutsche Martin Schulz, ein politischer Wichtigtuer (diplomatisch ausgedrückt)missbrauchte seine momentane Rolle als EU-Parlamentspräsident, vor der griechischen Volksabstimmung die Regierung Tsipras öffentlich zum Rücktritt aufzufordern, wenn sie das Plebiszit verlieren würde….“
Herr Strahm nennt das Ganze – Diktatur der Inkompetenz!
Und ich repetiere noch einmal die menschenverachtenden Zynismen vom Friedens- und Freiheitsprojekt! Und das könnte dann auch Herrn Historiker Tanner’s und seinen ideologischen Auftraggebern ihre wunderbare Postdemokratie sein!
Ich erlaube mir an meine Analyse vom letzten Jahr zu erinnern, wo es vor dem 1. August um die gleiche Glorifizierung der nationalstaatlichen Selbstzerfleischung ging:
Linke Parteien, wie die SP, geben zwar in ihren Leitbildern auch an, sie würden sich für einen starken Staat einsetzen. Gleichzeitig sabotieren sie aber jede Anstrengung, die der Staat zwingend vornehmen muss, um dem Auftrag in der Bundesverfassung nachzukommen!
Der geistige Schwelbrand in den Hinterköpfen der Linken lautet offenbar immer noch: die Nationalstaaten (den eigenen natürlich zuerst) abschaffen (Erinnerung: Tagesanzeiger vom 30. Nov. 2012- „zerstückelt den Nationalstaat“) Auch wenn man im eigenen, weltweit wohl einzigartigen, direkt demokratischen System mitreden – und – bestimmen kann; das Heil scheint im international zentralistisch geführten Einheitsbrei einer anonymen, antiindividualistischen Massengesellschaft zu liegen.
Dieser Schwelbrand konnte durch eine tragische, über zweitausendjährige Geschichte Europas nicht aus den verführten, träumerischen Gehirnen gelöscht werden.
Die Ideologie des neuen europäischen Grossreiches, das nach all den gescheiterten Versuchen von mächtigen Königs- Kaiser- und Führerreichen wohl die endgültige „Erlösung“ bringen soll, wird genauso am Individuum, an den Menschen unterschiedlicher Kulturen und Willens scheitern, wie die unglückseligen Vorgängerdespotien, die allesamt Unzahlen von Kranken, Toten sowie wirtschaftlichen und teilweise unheilbaren politische Schäden hinterliessen!
Solange wir, das Volk – die Völker über uns selber entscheiden können, werden wir nicht untergehen! Kämpfen wir darum – und helfen wir den Griechen!
Alexander Steinacher, Thalwil, 23. Juli 2015