von Alexander Steinacher, 01.11.2015
Das depressive, nur schlecht hinter Argumenten getarnte Wunschdenken der beauftragten Propaganda-Irrlichter unserer Medien; mit der Schweiz ginge es abwärts, kulminiert immer wieder in apokalyptischen Drohungen, - wenn wir nicht selber – so würden wir!.... Diesmal also prophezeit uns das wieder einmal Tagesanzeiger-Mitarbeiter Constantin Seibt – Titel „Der Mars, nicht die SVP“ (klar, dort ist doch die Zukunft!): „Was die Schweiz betrifft, so wird sie das Schicksal teilen, das die traditionsbewussten, wehrhaften Kannibalen traf, nachdem Robinson Crusoe sie besuchte. Am Ende des Romans nennt der Held ihre Insel: eine Kolonie!“ Da haben wir's! Wir verdienen es nicht besser; Frage aber an die depressiven Propheten: Wie heisst jetzt doch der (oder die) für uns zuständige Robinson? Und die SVP ist schuld (sie ist ja so mächtig), dass wir nicht mit den Amerikanern Elektroautos bauen und im kommenden Mars-Immobiliengeschäft mitmischen. Die Amerikaner gewinnen, wir verlieren.
Die Schweiz beschäftigt sich mit ihrer Geschichte – die USA mit Plänen. (Ganz klar, die müssen auch nicht ständig böse Geschichten aufarbeiten, wie wir...)
Das steht am Samstag, 31.10.2015 auf der Titelseite des führenden Propagandablattes! Und tatsächlich, sie tun es, - wieder einmal im TA-Magazin; da heisst es auf dem Titelblatt: „Wie es Friedrich Dürrenmatt vor 25 Jahren schaffte, mit einer Rede die Schweiz zu erschüttern“....
Ich hab's noch einmal gelesen, eine nette Salbung des ehemaligen tschechischen Dissidenten und neuen Staatspräsidenten Vaclav Havel. Dürrenmatt zitiert zuerst den Traum von Havel von einer selbständigen, freien, demokratischen, wirtschaftlich prosperierenden und zugleich sozial gerechten Republik usw. - und viele Schweizer träumten, dass sie in einer solchen Republik lebten, doch die Wirklichkeit sei natürlich anders. Ganz genau! Trotz allen Bestrebungen, es gibt nie die totale Kulmination des Perfekten; was immer auch man gutes tun und beabsichtigen mag, es gibt sie immer, die Spielverderber. Dürrenmatt vergleicht dann die Freiheit, die wir meinen und die Teilerrungeschaften Richtung Wunschtraumrepublik mit einem Gefängnis, wo wir selber unsere eigenen Wärter seien. „...als ein Gefängnis, als ein freilich ziemlich anderes, als es die Gefängnisse waren, in die Sie geworfen wurden, lieber Havel...“
Nach Dürrenmatt bewachen wir uns also selbst und weil die Wärter freie Menschen sind, machen sie auch unter sich und mit der ganzen Welt Geschäfte, und wie! Und weil sie wiederum Gefangene sind, können sie nicht der UNO beitreten, und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bereitet ihnen Sorgen. (Rede von 1990!)
Wir grübeln nun also in der Geschichte, während andere wissenschaftlich forschen, – und versuchen, das Erschüttern und Erschauern noch einmal zu erleben!
Ehrlich gesagt, mich erschütterte und erschüttert die Dürrenmatt-Rede keineswegs, ich finde sie amüsant, und so unrecht hat er ja gar nicht über die ganze Strecke.
Die Diskussion, ob der Staat an und für sich ein Gefängnis ist und das Individuum in seiner freien Entfaltung und Selbstverantwortung behindert, ist intellektuell gerechtfertigt. Den Nicht-Staat gibt es nicht (mehr); jene, die es einmal waren, (der ganze heute „amerikanisch“ genannte Kontinent beispielsweise) viele indigene Völker, Gemeinschaften, die durchaus mit zivilisatorischen Regeln, aber ohne geschriebene
Gesetze über Generationen mit ihrer Umwelt einigermassen in Frieden lebten, wurden erobert, bevormundet, einverleibt in Staaten mit heute minderen Freiheitstraum-Realisationen, als wir sie doch kennen.
Und wie das mit den Überstaaten funktioniert, das wollte wohl auch Dürrenmatt von Havel nicht wissen, er hat es in seiner Rede aber selber angetönt.
Wer klein ist, und sich nicht wehren will oder kann, wird kolonisiert! Die Gefängnisstrukturen können dann nicht mehr demokratisch mitbestimmt werden.
Dürrenmatt meint dann noch in Bezug auf das Gefängnis Schweiz: „Was sind wir Schweizer für Menschen? Vom Schicksal verschont zu werden ist weder Schande noch Ruhm, aber es ist ein Menetekel!“ Schon wieder so eine Drohung, die er aber immerhin abschliesst mit dem Geständnis, „ich bin sicher, Odysseus wählte das Los, ein Schweizer zu sein“ wenn er denn könnte, oder gekonnt hätte. Und schliesslich wäre er damit nicht allein. Viele Delinquenten jeglicher Qualifikation ziehen das CH-Gefängnis ihrem eigenen, heimischen, wenig freien Strafhaus vor, ja selbst nicht-Delinquenten, auch von unterschiedlichsten Qualifikationen wollen freiwillig in dieses wehrhaft traditionsbewusste, kannibalische Gefängnis, das es ja noch zu kolonisieren gilt. Besteht Dürrenmatt's Menetekel eventuell teilweise darin, dass „sie“ dann alle wieder nach Hause wollen, in die heimischen Gefängnisse? Oder in der zunehmenden Selbstzerfleischung der „Kannibalen“?
Unsere Medien-Propagandaherolde wollen keine Parteisoldaten in der Gefängnisdirektion (Bundesrat); Hilft aber einem politischen Protagonisten seine Intelligenz, sein nationales (Gefängnis-) Verantwortungsbewusstsein und seine ideologische Ungebundenheit trotz Parteiangehörigkeit zu einer abweichenden, aber sachlich gut begründeten und vernunftbezogenen Meinung, wird das auch schon wieder als untauglich bejammert; (im gleichen TA-Magazin unter Die Personalfrage von Daniel Binswanger) heisst es da:
Die Rechts-CVP (gibt’s nicht mehr genug linke Ecken im Gefängnis?) ... Zu deren medialem Aushängeschild wurde Gerhard Pfister (Nationalrat), der in den entscheidenden Dossiers (RTVG, MEI-Umsetzung usw.) nicht die eigene Parteilinie sondern die SVP-Position vertritt.
Ihr Parteipräsident sagt das Gegenteil, ermahnt ihn jeweils der Arena-Moderator!
Wie wenn ausgerechnet ein in der bekannten Politszene eindeutig überdurchschnittlich intelligenter, erfahrener und gebildeter Mann nicht seine eigene strategische Position vertreten würde!
Binswanger bezichtigt Nationalrat Pfister „man darf davon ausgehen, dass zwischen Blocher und Pfister ein weitreichender politischer Deal besteht.“
Also, der nationale Mahner (und zielbewusste Drein-Schwätzer) Projer und Propagandavirtuose Binswanger sitzen da zusammen argumentativ eher auf einer dürren Matte!