Al's Kommentar

„Einzelgänger, SVP-Reizfigur, brillanter Jurist“

Hans-Ueli Vogt stelle sich mit der Völkerrechtsinitiative gegen seine Professorenkollegen und fast alle Parteien – Warum tut er das?

Der durchschaubare Versuch der TA-Propaganda von der Sach-Diskussion ablenkend, einen abweichlerischen Intellektuellen klein- und lächerlich zu schreiben. Vom Mittwoch, 22.04.2015 auf Seite 13 Zürich & Region.

Nun wühlen sie wieder in den emotionalen Niederungen ihrer Propagandaaufträge. Die Söldner der main-stream-Propaganda werden auf den (für viele) neuen Mann gehetzt; Einzelgänger (also Spinner, weil nicht hinter dem richtigen Ideologiefähnchen mitmarschierend, oder?) SVP-Reizfigur. (man kann sich fragen, reizt er sogar die SVP, oder will die SVP mit einer starken neuen Schachfigur die Gegner reizen?)

Ein Radikaler (weil er den Mut hat, sich für unseren eigenen Rechtsstaat, für unsere nach wie vor geltende Bundesverfassung einzusetzen? Für den demokratischen Rechtsstaat, der es erst ermöglicht, die Völker- und Menschenrechte, von welchen so viel geschwatzt und geschrieben wird, zu garantieren? )

Die bereits jetzt ob der neuen Volksinitiative, die der Professor erklären will, irritierte und hypernervöse offizielle Volksgehirnwaschanstalt versucht dem Volk einen kleinen „Nobody“ zu suggerieren (und so einer kann doch wohl nicht als Ständerat für Zürich gewählt werden, nicht wahr?...):

Er habe noch keine Autobahnvignette gekauft und sei darum knapp dran, wird da äusserst schwerwiegend berichtet – und sein erstes Publikum für den Wahlkampf erwartet ihn (nur) in einem Pfarrhauskeller, nur zwei Dutzend sind erschienen und haben ihre Jacken anbehalten, es sei kühl im Säli. Und dann werde nicht mal der offerierte 5-Liter Süssmosttank und das Quöllfrisch geöffnet.

Dann heisst es weiter; Man sei gekommen, um dem Mann zuzuhören, der es geschafft hat, mit einem einzigen Vorschlag fast die ganze Schweizer Parteienlandschaft, 50 Nichtregierungsorganisationen und seine eigenen Unikollegen gegen sich aufzubringen: Prof Dr.iur. Hans-Ueli Vogt.

Eine ganze Seite voller billiger Abwertungsversuche müssten den hinterletzten Durchleser stutzig machen; „Fan von Helene Fischer, Vogt ist ein Antipolitiker (wäre vielleicht erst recht mal gut…) ein Aktienrecht-Bürokrat, Hundert Seiten Text, tausende Fussnoten – An den Lollipop-Schlagerpartys im Club Xtra feiert Vogt seit über einem Jahrzehnt mit – Lieblingssongs: Und morgen früh küss ich dich wach, und die Hölle morgen früh, beide von Helene Fischer.

Dann wird’s ernst; Seit 2011 sitzt er im Kantonsrat, aber jetzt folgt die wahre Herausforderung: der Ständeratswahlkampf. Seine Gegner sind Profis wie Ruedi Noser, Bastien Girod, Daniel Jositsch – Was will einer wie Vogt in der Politik, wo es auch ums lustvolle Lautsprechen geht?

Wir können hier taktvoll auf die Analyse der Qualifikation „Profi“ der genannten Gegner verzichten. Aber die Begründung, es gehe „auch ums lustvollen Lautsprechen“ lässt uns gleich an einige weitere Namen von solchen Lautsprechern (weibliche Form inbegriffen) denken; Professionelle Auftritte für die Eigenwerbung „gut bezahltes, machtgeiles Pöstchen behalten“, inklusive professionelle Sponsorenbindung.

Bei Vogt klinge das Völkerrecht nach einer Schlingpflanze, die zu schnell wächst und die freiheitliche Schweiz einschnürt. Wenn die EMRK oder ein anderer Staatsvertrag mit den Schweizer Vorstellungen (hauptsächlich eben Bundesverfassung) nicht mehr übereinstimme, dann müsse man diesen eben kündigen. Wie einen Vertrag zwischen Firmen.

Das ist genau die staatsrechtliche Situation, die unserer Bundesverfassung entspricht. Der Bundesrat darf grundsätzlich keine Verträge abschliessen, die unserer Bundesverfassung widersprechen. Solche Verträge könnten (und müssten) eigentlich vom Parlament als ungültig deklariert werden. Und noch besser wäre, das Parlament würde dem vertragsfreudigen Bundesrat schon vorher auf die Finger schauen. Unter Art 173 der Bundesverfassung heisst es nämlich – „Die Bundesversammlung hat zudem folgende Aufgaben und Befugnisse:

c. Sie trifft Massnahmen zur Durchsetzung des Bundesrechts:“

Bundesrecht, - und nicht irgend ein willkürliches Völkerrecht. Bundesrecht ist primäres Völkerrecht, es ist unser Volksrecht.

Für die Schweizer Völkerrechtler (Schweizer?) ist Vogts Vorstellung falsch, die EMRK sei eben gerade kein gewöhnlicher Vertrag, argumentieren Professoren wie Oliver Diggelmann, Helen Keller oder Walter Kälin.

Also, und wenn es kein gewöhnlicher Vertrag nach international anerkanntem, bzw. gewohntem Vertragsrecht wäre, der aber immerhin den ganzen Aufbau unseres demokratischen Rechtsstaates in Frage stellt, dann dürfte dies nur auf der Basis einer entsprechenden Total-Änderung der Bundesverfassung in Frage kommen.

Jetzt folgt noch eine eher perverse Erklärung, für die rechtsstaatliche Unterwerfungspriorität nach den zitierten „Völkerrechtlern“: “Es könne nicht sein, dass die Schweiz derart wichtige Abkommen (wichtiger als unsere Bundesverfassung?) für verzichtbar erkläre. Die Errungenschaften des Europarates und der EMRK aufgeben, „nur“ weil sie an einigen Stellen mit Schweizer Recht kollidiert? Ein Riesenfehler. Das Land würde als Partner unberechenbar und unglaubwürdig. Man stünde abseits, zusammen mit Weissrussland, Europas letzter Diktatur.

Also wenn Völkerrechtler unseren direkt demokratischen Rechtsstaat mit dem Niveau von Weissrussland gleichsetzen wollen, stelle ich mir die Frage, ob sie unseren rechtsstaatlichen Aufbau und der Umsetzung durch die parlamentarischen und juristischen Organe überhaupt verstehen, denn gelesen und „studiert“ haben sie die Materie doch wohl schon. Das Vergleichsbeispiel Weissrussland brauchen wir in dieser Beziehung nicht näher vorzustellen!

Im TA-Hetzartikel geht es weiter; „Vogt, der einzige aktive SVP-ler an seiner Fakultät stochere mit der Initiative im Gärtli seiner Kollegen herum!“ (Ans leichtgläubige Volk gerichtete Suggestion: ein schlechter Kollege im Ständerat, der den mainstream-Blödsinn nicht unbesehen mitmacht? Das darf doch nicht sein, oder?)

Weiter; „Auf persönlicher Ebene verstehe er sich gut mit seinen Kollegen. – Hinter der Freundlichkeit verbirgt sich Ratlosigkeit (der Kollegen) Warum tut er das? Selbst Vogts Doktorvater und Vorbild, der emeritierte Professor Peter Forstmoser, Ex-Verwaltungsratspräsident von Swiss Re (aha?), sagt: „Hans-Ueli ist ein brillanter Jurist, sehr, sehr, sehr präzis. Aber sein politisches Engagement? Diese Initiative? Das verstehe ich nicht.“

Die Völkerrechtler und der weise Doktorvater verstehen nicht?

Sie berufen sich auf Art. 5 der BV Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns

4 Bund und Kantone beachten das Völkerrecht

Das heisst einmal ganz klar nicht, dass deswegen irgendwelche wie auch immer benannte ausländische Volksgerichte oder Zentralgerichte unsere Bundesverfassung und unsere Gesetze ausser Kraft setzen können. Damit würde unser direkt-demokratische Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttert, zunehmende Rechtsunsicherheiten mit einem folgenden Chaos müssten in Kauf genommen werden.

Bund und Kantone beachten das Völkerrecht, kann nichts anderes heissen, als dass wir im Gegensatz zu vielen anderen nicht demokratisch legitimierten Staaten Art. 2 der vereinten Nationen einhalten:

Art 2. Freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln usw.

Wir respektieren das, auch wenn das nicht heissen muss, dass wir jede Menschenrechtsverletzung und jede zweifelhafte Rechtsstaatlichkeit und Justizvollzug damit anerkennen. Diese Respektierung unserer Selbstbestimmung als Volk und Nation müssen wir aber auch von der restlichen Weltgemeinschaft einfordern!

Das EDA schreibt dazu; Gemäss BV haben Bund und Kantone das Völkerrecht einzuhalten (falsch – es heisst beachten!) Den Fall eines Konflikts zwischen einer völkerrechtlichen und einer landesrechtlichen Bestimmung regelt die Verfassung jedoch nicht. Grundsätzlich geht dabei das Völkerrecht vor. Dieser Vorrang ergibt sich aus der Verpflichtung, Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen. (Das ist falsch, Verträge, die nicht in Übereinstimmung mit unserer Verfassung abgeschlossen werden, sind ungültig – die Herleitung aus Treu und Glauben ist missbräuchlich)

Unser Völkerrecht ist nach wie vor die Bundesverfassung. Sie lässt explizit keine der Willkür wechselnder Herrschaft unterstellter Gerichte zu; Unter Art 30 BV, Gerichtliche Verfahren steht ausdrücklich:

1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch (Schweizerisches) Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.

Das ist eindeutig; da kann verfassungsrechtlich nicht daran heruminterpretiert werden und heisst klar, dass auch jedes ausländische Gericht, welcher Legitimation auch immer, keinen Einfluss auf unsere Rechtsprechung und Justizvollzug haben.

Der TA-Hetzartikel teilt dann weitere abwertende Suggestivausdrücke aus, wie; Schwarmintelligenz, Menschenmenge (nicht Volk) treffe gemeinsam klügere Entscheide als Spezialisten (raffiniert feines Gehirnwaschpulver…) – Studenten sagen über ihn: perfekt angezogen, Echli eitel – ich sehe ihn eher im Backoffice als im Parlament (Suggestion: doch nur ein unbedeutender Bürokratenheini…) – Outsider in wichtiger Frage und natürlich Homosexualität

Obwohl die Propagandasöldner des TA genau wissen, dass sexuelle Ausrichtung reine Privatsache ist, scheinen sie zu spekulieren, mit ihren Aufzählungen auch noch ein paar verklemmte, religiöse Hinterwäldler von der Wahl Vogts in den Ständerat abhalten zu können!

Die eigenen Kollegen, die ihn nicht verstehen (wollen/dürfen); Keiner hat den Mut, als intellektueller Tell aus der manipulierten Masse zu treten, so mancher mag denken, Mut hat er, aber es ist seine Karriere! Sachlich diskutieren kann man offenbar nicht, man befürchtet offenbar, wie Herr Vogt nicht verstanden zu werden! Die 50 Nichtregierungsorganisationen scheinen nicht merken zu dürfen, dass sie sich mit der sogenannten Unterstützung der Kampagne „Schutzfaktor M“ gegen die Schweizerische Bundesverfassung moralisch selber ein Bein stellen, das sie danach auch einen Rückgang von Unterstützung und Spendengeldern kosten könnte.

Beispielsweise ausgerechnet das Rote Kreuz, das auf unserem Rechtsstaat, unserer Auffassung von Recht und Gerechtigkeit und Menschlichkeit, auf unsere Neutralität steht, und international entsprechend hohe Akzeptanz und Respekt erhält, stellt sich gegen dieses integrale Selbstbestimmungsrecht des eigenen Volkes. Verschiedene grössere und kleinere Organisationen mussten da wohl ihre Namen für diese antischweizerische Propaganda hergeben und es stellt sich die berechtigte Frage nach den Weibeln und ihren Auftraggebern!

Ein kleines Beispiel: Kinderschutz Schweiz und Mädchenhaus Zürich!

Vor einem Jahr hatte mir ein Ingenieur aus dem Iran, der nach Italien flüchten konnte, seine Geschichte erzählt: Im Iran gibt es immer mehr Waisenkinder, deren Eltern vom Gottesstaat umgebracht, oder mindestens zum „Verschwinden“ gebracht worden sind. Dort gibt es keinen Kinderschutz und keine Mädchenhäuser, solche Organisationen sind vom menschenrechtlich glaubwürdigen Rechtsstaat abhängig. Die Frau des iranischen Ingenieurs begann, sich um verschiedene Waisenkinder zu kümmern, sie besorgte ihnen Essen, Unterkünfte, Möglichkeit zum Schulbesuch. Eines Tages standen zwei Männer vor der Wohnungstür und erklärten der Frau ultimativ und kurz angebunden, sie solle damit sofort aufhören. Die Frau konnte die Kinder nicht sich selbst überlassen und ignorierte die „Weisung“ der Männer. Als der Ingenieur eines Abends nach der Arbeit nach Hause kam, war seine Frau nicht mehr da. Nachfragen bei der Polizei und in Spitälern usw. blieben erfolglos und wurden nur mit weiteren Drohungen quittiert. Er hat nie mehr etwas von seiner Frau erfahren, und zum Schluss blieb ihm selber nur noch die gefährliche Möglichkeit zur Flucht ins Ausland!

Wir dürfen unsere Souveränität, eben auch die juristische unter keinen Umständen gefährden. Die Erkenntnis, dass grosse Kreise eine Destabilisierung unseres Rechtsstaates beabsichtigen, muss deutlich sichtbar machen, dass damit die ganze direkt-demokratische Nation in Frage gestellt wird. Die grossen Zentralmächte waren nie Geburtsstätten von Recht im Sinne von menschlicher Gerechtigkeit. Diese Lebensqualitäten der menschlichen Gesellschaft kommen nicht aus Dekreten und Erlassen der rivalisierenden Grossmächte, sondern von unten aus dem Empfinden und der Solidarität der Menschen und Völker. Das benötigt immer wieder Aufklärung und Mut. Stehen wir zu unserem eigenen Grundrecht, zu unserer Bundesverfassung – mit aller Konsequenz!

Die unsachlichen und national entwürdigenden Hetzangriffe auf unser eigenes Völkerrecht und auf die mutigen Menschen, die öffentlich dazu stehen müssen demaskiert werden!

Alexander Steinacher, Thalwil, 22.04.2015

TA 22.04.2015

Der scheue Radikale

Porträt: Einzelgänger, SVP-Reizfigur, «brillanter Jurist» – Hans-Ueli Vogt stellt sich mit seiner Völkerrechtsinitiative gegen seine Professorenkollegen und fast alle Parteien. Warum tut er das?

Wohnt urban und schwärmt von der Dörfli-Schweiz: Hans-Ueli Vogt. Foto: Sabina Bobst

Kurz vor 20 Uhr fährt ein Opel Corsa im Mettmenstetter Dorfzentrum vor. Ein drahtiger Mann steigt aus dem Kleinwagen, schmale Krawatte, eng geschnittener Anzug. Er ist knapp dran, weil er auf die Autobahn verzichtete – er hat noch keine neue Vignette gekauft.

Sein erstes Publikum des Wahlkampfs 2015 erwartet ihn im Pfarrhauskeller. Die meisten der zwei Dutzend erschienenen Parteimitglieder haben ihre Jacken anbehalten, es ist kühl im Säli. Der offerierte 5-Liter-Tank Süssmost und das Zehnerpack Quöllfrisch bleiben ungeöffnet. Man ist gekommen, um dem Mann zuzuhören, der es geschafft hat, mit einem einzigen Vorschlag fast die ganze Schweizer Parteienlandschaft, 50 Nichtregierungsorganisationen und seine eigenen Unikollegen gegen sich aufzubringen: Prof. Dr. iur. Hans-Ueli Vogt, LL.M., MBA, SVP.

Fan von Helene Fischer

Vogt ist ein Antipolitiker. Er stehe nicht gern im Mittelpunkt, sei ein Einzelgänger, sagen jene, die ihn kennen. Er selbst hat sich schon als «Streber» bezeichnet. In einem der neuen Türme im Zürcher Kreis 5 hat sich der 45-Jährige eine Wohnung gekauft, sein Name erscheint nicht auf dem Klingel-Touchscreen. Er mag die Anonymität der Grossstadt («es wird nie eine Homestory von mir geben») und lange Spaziergänge, marschierte schon die 28 Kilometer von Schaffhausen nach Winterthur. Er liebt es, juristische Detailprobleme zu sezieren, an der Universität hat er sich in einen Kommentar zur Verantwortlichkeit im Aktienrecht verbissen, fünf Jahre Arbeit, Hunderte Seiten Text, Tausende Fussnoten. Den ersten Frühlingssamstag verbringt er im Büro, Gutachten schreibend. Scheu sei er, ­sagen Studentinnen und Studenten.

Das gilt aber nicht immer: An den Lollipop-Schlagerpartys im Club Xtra feiert Vogt seit über einem Jahrzehnt mit. Seine aktuellen Lieblingssongs: «Und morgen früh küss ich dich wach» und «Die Hölle morgen früh», beide von ­Helene Fischer.

Seit 2011 sitzt er im Kantonsrat, die Wiederwahl schaffte er am 12. April problemlos. Jetzt folgt die wahre Heraus­forderung: der Ständeratswahlkampf. Seine Gegner sind Profis wie Ruedi Noser, Bastien Girod, Daniel Jositsch. Was will einer wie Vogt in der Politik, wo es auch ums lustvolle Lautsprechen geht?

«Dann muss man halt kündigen»

Der Präsident der SVP Mettmenstetten skizziert zum Einstieg den Lebenslauf des Gasts. Jura studiert in Zürich, preisgekrönte Doktorarbeit, Professor mit 34, gearbeitet in Florenz, London, Peking, New York. Das Publikum versteht: Aha, ein Blitzgescheiter. Vogt bricht das sofort herunter. Er kenne sich aus hier, habe früher nebenan in Rifferswil gelebt.

Dann beginnt er, über die Regeln und Abkommen zu sprechen, die zwischen den Nationalstaaten gelten. Bei Vogt klingt das Völkerrecht nach einer Schlingpflanze, die zu schnell wächst und die freiheitliche Schweiz einschnürt. Besonders stört er sich am Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): dem Recht auf Privat- und Familienleben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) interpretiere zu viel in diesen Artikel hinein, etwa ein Recht auf Schutz gegen Fluglärm. «Ich sage: Dazu brauchen wir kein europäisches Gericht. Das können wir in der Schweiz selbst regeln.» Deshalb die Selbstbestimmungsinitiative: «Die Bundesverfassung ist die oberste Rechtsquelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft», soll es ausdrücklich heissen. Wenn die EMRK oder ein anderer Staatsvertrag mit den Schweizer Vorstellungen nicht mehr übereinstimme, dann müsse man diesen eben kündigen. Wie einen Vertrag zwischen Firmen.

Mettmenstetten applaudiert. «Er führt eine feine Klinge», sagt einer. Vogt ärgert sich, er hat die Unterschriftenbögen für die Initiative zu Hause liegen lassen.

Für die Schweizer Völkerrechtler ist Vogts Vorstellung falsch. Die EMRK sei eben gerade kein gewöhnlicher Vertrag, argumentieren Professoren wie Oliver Diggelmann, Helen Keller oder Walter Kälin. Es könne nicht sein, dass die Schweiz derart wichtige Abkommen für verzichtbar erkläre. Die Errungenschaften des Europarats und der EMRK aufgeben, nur weil sie an einigen Stellen mit Schweizer Recht kollidiert? Ein Riesenfehler. Das Land würde als Partner unberechenbar und unglaubwürdig. Man stünde abseits, zusammen mit Weissrussland, Europas letzter Diktatur.

Vogt ist der einzige aktive SVPler an seiner Fakultät. Dazu kommt, dass er als Aktienrechtler mit der Initiative im Gärtli seiner Kollegen herumstochert. «Man hat mir schon Kompetenzüberschreitung vorgeworfen», sagt er. Auf persönlicher Ebene verstehe er sich gut mit seinen Kollegen. Das bestätigen mehrere Fakultätsmitglieder dem TA. Aber hinter der Freundlichkeit verbirgt sich Ratlosigkeit: Warum tut der das?

Selbst Vogts Doktorvater und Vorbild, der emeritierte Professor Peter Forstmoser, Ex-Verwaltungsratspräsident von Swiss Re, sagt: «Hans-Ueli ist ein brillanter Jurist, sehr, sehr, sehr präzis. Aber sein politisches Engagement? Diese Initiative? Das verstehe ich nicht.»

Die Schwarmintelligenz

Vertragsrecht-Repetition an der Uni Zürich, 8 Uhr, die Studenten fahren ihre Laptops und sich selbst hoch. Vogt begrüsst sein Publikum an «diesem wunderschönen Freitagmorgen», stellt eine simple Frage. Es sind über 50 Studierende im Raum, alle kennen die Antwort – sie steht auf der Folie, die der Professor eingeblendet hat. Aber da kommt nichts. Vogt wartet.

Es könnte ein zäher Morgen werden.

Trotz solcher Momente ist Vogt ein Fan von Schwarmintelligenz. Er preist «die Weisheit der Volkes» und kritisiert die «Herrschaft von Experten», auch wenn er selbst einer ist. In Mettmenstetten wird er nach seinem Vortrag auf «The Wisdom of Crowds» von James Surowiecki angesprochen. Das Buch bedeute ihm viel, sagt er. Der US-Autor vertritt die These, dass eine Menschenmenge gemeinsam klügere Entscheide trifft als Spezialisten. Vogt erkennt darin die direkte Demokratie der Schweiz wieder. Er lobt die «weitsichtigen Stimmbürger», die viel differenzierter entscheiden würden als Politiker, die «immer nur in eine Richtung seckeln». F/A-18 ja, Gripen nein. Masseneinwanderung ja, Ecopop nein. Vogt ist gegen Gemeindefusionen, gegen Zentralisierung, für den Wettbewerb der kleinen Systeme. «Small is ­beautiful», sagt er einmal.

Gleichzeitig wohnt er in der grössten Stadt der Schweiz, arbeitet an der grössten Jus-Fakultät und war Konsulent der Prime-Tower-Grosskanzlei Homburger. Seine Antwort: «Ach, wie viele Partner arbeiten dort? Vierzig? Das ist international gesehen doch nicht gross!»

Der Brief an Blocher

12  Uhr, Vorlesungsende. Vogt hat es doch noch geschafft, die Kursteilnehmer aus ihrer Starre zu wecken. Am meisten Punkte hat er gemacht, als er ein Speeddating für jene Studierenden ankündigte, die für die Gruppenarbeit noch kein «Gspäändli» gefunden haben.

Studenten sagen über ihn: «Er ist immer perfekt angezogen. Echli eitel.» – «Man merkt nichts von seiner politischen Einstellung, im Gegensatz zu Daniel Jositsch.» – «Ich sehe ihn eher im Backoffice als im Parlament.»

Vogt selbst sagt, er bemühe sich, seine politische Haltung in Vorlesungen nicht durchscheinen zu lassen. Er will keine Angriffsflächen bieten. Der SVP trat er im Jahr 2008 bei, als er bereits Professor war.

Die Partei war für ihn immer die einzige Option. Die FDP, das waren in Illnau, wo er als Sohn eines Notars aufgewachsen war, die «Meebessere». Er mochte die klaren Werte und Worte der SVP. Und ja, Christoph Blocher habe ihn beeindruckt: «Er ist intelligent, er hört zu, und er hat Schalk.»

Ein Brief an Blocher stand auch am Anfang «seiner» Initiative. Vogt störte sich 2012 an einem Bundesgerichts­urteil, das in einem Nebenpunkt Völkerrecht über Landesrecht stellte. Man müsse mal zusammensitzen, schrieb er.

Am 10. März 2015 begann die Unterschriftensammlung.

Outsider in wichtiger Frage

Vogt steht rechts, aber nicht immer. Er hat Vorbehalte gegen die zweite Gott­hardröhre und ist für die Legalisierung weicher Drogen. Und da ist noch etwas: Vor einigen Wochen hat er im «SonntagsBlick» zum ersten Mal über seine Homosexualität gesprochen. Kein Problem, die Sprüche von Toni Bortoluzzi sind auszuhalten, war die Botschaft. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Der EGMR, dessen Rechtsprechung Vogt angreift, hat wegweisende Entscheide für die Gay-Rights-Bewegung gefällt, England für seine Anti-Homosexualitäts-Gesetze gerüffelt, Russland fürs Verbot der Gay-Pride-Märsche verurteilt. Das Recht auf Privat- und Familienleben spielte dabei eine wichtige Rolle. Lässt ihn das unberührt?

Vogt überlegt. Die Schweiz schaffe es selbst, für die Freiheit der Homosexuellen zu sorgen, sagt er schliesslich. «Aber ich bin den Aktivisten sehr dankbar.» Und natürlich habe ihn seine sexuelle Orientierung geprägt: «Ich glaube, mein Ehrgeiz hat viel mit dem Fakt zu tun, dass ich in einer wichtigen Frage ein Outsider bin.» Er zitiert Apple-Chef Tim Cook: Schwul zu sein, sei das Beste, was ihm habe passieren können. Es habe ihn stark gemacht.

Vogt lebt im Moment allein. Das und seine Homosexualität haben den Entscheid beeinflusst, im urbansten Quartier des Landes zu leben, obwohl er das Währschafte preist, von der Dörfli-Miliz-Schweiz schwärmt. «Ein Leben im Dorf mit Hüüsli, Familie und Hund, das wird es für mich vermutlich nie geben.»

Bedauert er das?

Pause. «Ja, schon ein wenig.» Dann schiebt er nach: «Aber wenn ich nach einer Wanderung in die Stadt zurückkehre, dann ist alles gut.»

In Mettmenstetten ist es fast 23 Uhr. Nach einem Espresso und einer Europadiskussion mit zwei SVP-Parteifreunden verlässt Hans-Ueli Vogt das Weisse Rössli. Ihm ist kalt, er trägt nur Jackett, das Radio hatte ihm Frühling versprochen. Im Schutz des Hauseingangs zündet er sich eine Marlboro Gold an, dann eilt er zum Auto und fährt los.

Zurück in die Stadt.

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 21.04.2015, 23:30 Uhr)


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