Ein paar Überlegungen von Al Steinacher, 18.04.2015 Thalwil

Neutral sein heisst doch immer noch, relativ einfach verständlich – sich grundsätzlich nicht in fremde Konflikte einmischen. Als Unbeteiligter sich einmischen kann unliebsame Konsequenzen haben. Es fängt im Kleinen an; Konflikte zwischen einzelnen Personen, oder kleinen Gruppen. Meist geht es um Interpretations- und Meinungsverschiedenheiten, real um Verpflichtungen, Verantwortungen, Rechte, manchmal sogar auch nur um Recht haben, Besitztümer, physische und psychische Grenzen. - Alles Sachverhalte und mehr oder weniger gesicherte Tatsachen, die sich unter zivilisierten Menschen in Gesprächen (miteinander reden) lösen lassen. Gehöre ich zu einer involvierten Partei, muss ich mich anstrengen, die Gewichtung, d.h. den „Konfliktsieg“ auf die eigene Seite zu zwingen. Ich stehe dabei selbst unter einem mehr oder weniger grossen Zwang.

Bin ich als neutraler Beobachter in der Nähe, kann ich mich raushalten, oder die Chance ergreifen, den Konfliktparteien aus der Lösungsstarre herauszuhelfen. Wenn jeder sieht oder weiss, dass ich nicht Partei bin, verfüge ich meistens bereits über einen gewissen Autoritätsvorteil. Ich ergreife die Initiative, spreche die Konfliktparteien an, offeriere meine Hilfe und mache den Vorschlag, die Situation an einem „neutralen“ Ort unter meiner Gesprächsführung zu analysieren und eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Meist geht es da auch noch darum, „das Gesicht zu wahren.“

Dieses Vorgehen ermöglicht es, auch unüberwindbar scheinende psychologische Barrieren zu öffnen, und das funktioniert in der kleinen Individualgesellschaft genauso wie unter grossen Organisationen, bzw. kontrahierenden Staaten.

Schlägereien, und in der Grossgesellschaft, bzw. Staatsgebilden Kriege führen immer zu mehr Verlierern und Schäden weder Vorteilen (für Geier und Kriegsgewinnler). Das wissen auch die meisten Staatsmänner.

Kleine, neutrale und demokratisch beherrschte Staaten kennen nichts anderes, als Konfliktein Verhandlungen und Verträgen zu lösen. Sie haben keine expansionistischenAnsprüche auf nachbarliche Ressourcen (es sei denn in Geschäften gegen Tausch oder Bezahlung) oder Lebensräume. Demokratisch geführte und vom Volk kontrollierte Länderregierungen haben keine imperialistischen Gelüste.

Wenn Länder sich Machtblöcken anschliessen, freiwillig oder unter Zwang, wechselt die Dynamik meist (die Welt-Geschichte hat genügend verheerende Beispiele archiviert), begleitet vom Phänomen der zunehmend demokratischen Defizite; das heisst, das Volk, - die Völker haben nichts zu sagen.

Aus Ungenügen, in der eigenen Region für Ordnung, Sicherheit und Wohlstand zu sorgen erwachsen zum Grössenwahn tendierende Machtvorstellungen, Ansprüche und der alte Reiz der ebenso lächerlichen, wie gefährlichen materiellen Raff-Gier.

Die Schweiz tut gut daran, an der in der Verfassung (Art. 173 und 185 ) festgeschriebenen staatsrechtlichen Verpflichtung zur Neutralität keine Zweifel aufkommen zu lassen. Die lange und stabile Neutralität unseres Landes wird, wenn vielleicht auch nicht von allen Machthabern, so doch vor allem von den Völkern und freien Nationen als integrierender Bestandteil unseres direkt-demokratischen Rechtsstaates wahrgenommen. Diese Wahrnehmung qualifiziert auch beispielsweise die grosse humanitäre Kompetenz und Aufgabenerfüllung des roten Kreuzes weltweit! Jedes infrage stellen von Verfassungsartikeln, die unsere Glaubwürdigkeit, Sicherheit und Stabilität integrativ gefährdet, würde von internationalen Beobachtern mit Befremden zur Kenntnis genommen werden. In diesem Falle steht auch unser internationales Renommee als Vermittler von Konflikt-Lösungs-Konferenzen, und als dynamische Plattformen für direkte diplomatische Hilfe auf dem Spiel!

Vor einem Jahr wurde im Tagesanzeiger (26.03.2014) die Forderung gestellt, wir sollten uns an den (von den USA verlangten) EU-Sanktionen gegen Russland beteiligen.

Der Artikel (von Luciano Ferrari – als „Analyse“ verkauft…) offenbart nur ein hierzulande übliches Unterwerfungsritual. Die Argumente die der TA aufzählt, sprechen eben gerade für strikte Einhaltung der Neutralität. Sonst müssten wir alsbald auf der ganzen Welt „Sanktionen verteilen“ – und uns zunehmend an weiteren fragwürdigen Abenteuern beteiligen. Neutralität eben ohne Wenn und Aber. Unsere bewährte Strategie der bewaffneten Neutralität eignet sich nicht für emotionale Spekulationen von Grossreichphantasten mit mangelndem nationalem Bewusstsein.

Herr Ferrari meint beispielsweise; „denn die Schweiz ist als neutraler (eben) Kleinstaat ganz besonders auf die Einhaltung der internationalen Spielregeln durch die Grossmächte angewiesen“. Genau – deshalb die bewaffnete Neutralität ohne Wenn und Aber. Was ja niemals heissen soll, dass wir nicht Völker- bzw. menschenrechtswidrige Aktionen ablehnen und verbal verurteilen sollen. Und – „flexible Neutralitätspolitik“, wie zweifelhaft das herauskommen kann, wenn einseitig emotionale Motivationen im Spiel sind, haben wir schon mindestens mit Ex-Aussenministerin M. Calmy-Rey zur Genüge erlebt. Das Hinterherlaufen hinter denen, die mit dem Feuer spielen, ist brandgefährlich und schadet unserer Glaubwürdigkeit als neutrales Land, und dementsprechend auch der Kompetenz als international geschätzte Vermittler!

Die EU hat präventiv einen Friedensnobelpreis erhalten. Wohl in der Hoffnung, dass sie darauf verzichte, die alten europäischen Hegemonialansprüche wieder aufleben zu lassen, in welcher Form auch immer. Die EU verhält sich seit langem aggressiv gegenüber unserem Land. In ihrem Grössenwahn legt sich die EU jetzt auch schon (wieder) mit Russland an. Sie wird von grossen Teilen der russischen Gesellschaft als eine Art 4. Reich wahrgenommen (wie gerechtfertigt das tatsächlich ist, sei dahingestellt….) Kriegsvorbereitungen à la EU-„Sanktionen“ (USA) sind total fehl am Platz. Der Wunsch von Luciano Ferrari „die Schweiz soll ohne Wenn und Aber Sanktionen gegen Russland beschliessen“, wäre nur ein weiteres Unterwerfungsritual; die Vernunft (und Verfassungsverpflichtung) bewahre den Bundesrat davor! Unter diesen Gesichtspunkten kann auch der Verlauf der SRF-Arena vom Freitag, 17.04.2015 gesehen werden.

Al.Steinacher, 19.04.2015