Eine Aschewolke aus Island blockiert den Luftraum über dem ganzen nördlichen Teil des Kontinents. Der Flugverkehr wird auch am Freitagmorgen stark beeinträchtigt bleiben.
Der Flugverkehr im Norden Europas wird auch am Freitagmorgen weitgehend lahmgelegt sein. Die Flughäfen nördlich von Frankfurt und Paris - inklusive dieser beiden - könnten nicht angeflogen werden, sagte der Swiss-Sprecher Jean-Claude Donzel am Donnerstagabend.
Grossbritannien, die Beneluxländer, Skandinavien, Norddeutschland und Nordfrankreich würden am Freitagmorgen keinen Luftverkehr haben. Die Sperrung des britischen Luftraums ist bis Freitag 14.00 Uhr verlängert worden. Der Flughafen Zürich sollte dagegen nach den aktuellen Einschätzungen angeflogen werden können, sagte Donzel. Bei Moskau und Warschau gebe es noch ein Fragezeichen.
Die Swiss hat deshalb für Freitag bereits 54 Flüge in und aus den betroffenen Ländern annuliert. Die Langstreckenflüge der Swiss würden dagegen normal durchgeführt, sagte Donzel.
Riesige Wolke aus Lavaasche
Am Donnerstag schlossen nach und nach zahlreiche Länder ihren Luftraum wegen der einer riesigen Wolke aus Lavaasche. Diese trieb von der Atlantikinsel auf den europäischen Kontinent. Der gesamte Luftraum über Grossbritannien, Irland, den Niederlanden, Belgien und weiten Teilen Skandinaviens wurde gesperrt. In Frankreich war ein Grossteil des Luftraums betroffen. Auch in Deutschland und in der Schweiz wurden zahlreiche Flüge gestrichen.
Die Vulkanasche, die von Island her Richtung Kontinent weht, wird nördlich der Schweiz durchziehen. Meteorologen gehen davon aus, dass sich die Wolke zweiteilen wird. Nach Angaben von Meteo Schweiz wird die Vulkanasche am Freitag in den unteren und mittleren Atmosphärenschichten über die Nordsee hinweg nach Dänemark und Norddeutschland getrieben - vielleicht bis nach Mitteldeutschland. In den oberen Luftschichten werde die Aschewolke nach Nordnorwegen abgelenkt.
Vulkanasche ungefährlich
Laut Meteorologen verteilt und verdünnt sich die Vulkanasche sehr schnell. Seit Mittwoch liegt der Jetstream genau über Island, nachdem er zuvor nördlich der Atlantikinsel durchzog. Mit dem Jetstream, einem sehr starken Höhenwind, wird die Asche schneller transportiert und in der Atmosphäre verteilt, erklärte Daniel Gerstgrasser von Meteo Schweiz auf Anfrage.
«In wenigen Wochen ist die Aschewolke rund um den Globus sichtbar - wenn auch sehr verdünnt», sagte er. Sicher seien dann überall Partikel messbar. Die Vulkanasche besteht aus zerriebenem Gestein, kleinen Lavafetzen und Kristallen. Für Mensch und Tier ist sie ungefährlich.
Der isländische Vulkan unter dem Eyjafjallajökull-Gletscher stösst seit Mittwoch massive Aschewolken in die Luft. Laut der Sprecherin der isländischen Luftfahrtbehörde kann das Phänomen noch länger andauern: «Das wissen nur die Wettergötter. Es kann ein paar Tage dauern, aber auch ein paar Jahre.»
28'000 Verbindungen abgesagt
Lavaasche ist gefährlich für Düsentriebwerke und die Aussenhaut der Flugzeuge. Sie beeinträchtigt ausserdem die Sicht. Deshalb mussten rund ein Viertel der etwa 28'000 Verbindungen in Europa abgesagt werden, wie die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel mitteilte.
«Es ist das erste Mal in der europäischen Luftfahrtgeschichte, dass wir mit einem solchen Phänomen umgehen müssen», sagte einer der Leiter der Behörde, Brian Flynn. Je nachdem, wie sich die Rauchwolke am Vulkan und die Winde entwickelten, ist auch am Freitag mit ähnlich vielen Ausfällen zu rechnen.
Nichts geht mehr
Auf der wichtigsten Drehscheibe des europäischen Flugverkehrs in London Heathrow lief gar nichts mehr: Zehntausende Passagiere sassen fest, und niemand konnte ihnen sagen, wann es Entwarnung geben wird. Der Flugverkehr über Grossbritannien sollte mindestens bis Freitagmorgen um 8.00 Uhr MESZ gesperrt bleiben. In Heathrow werden pro Tag etwa 1300 Flüge und 180'000 Passagiere abgefertigt.
Auch in Belgien und den Niederlanden wurde der Luftraum nach und nach dicht gemacht. Bereits ab 16.30 Uhr starteten und landeten in Belgien keine Flugzeuge mehr, in den Niederlanden ab 19.00 Uhr.
In Norwegen, Dänemark und Schweden wurden alle Flughäfen geschlossen. Nach Angaben der norwegischen Regierung sollten auch am Freitag alle Maschinen am Boden bleiben. In Dänemark wurde der Luftraum ab 18.00 Uhr dicht gemacht werden, in Schweden ab 22.00 Uhr. Ein Flugverbot gab es auch in Finnland.
In ganz Nordeuropa waren auch Langstreckenflüge etwa in die USA betroffen. In Frankreich wurden um 17.00 Uhr die Flughäfen im Norden des Landes geschlossen, um 23.00 Uhr auch die in Paris. In Deutschland wurden die Flughäfen in Hamburg und Berlin am Abend gesperrt.
Dutzende Flüge in der Schweiz gestrichen
Auch in der Schweiz wurden zahlreiche Flüge abgesagt. In Zürich wurden nach Angaben des Flughafens bis am frühen Abend 80 Flüge gestrichen, in Genf waren es rund 100.
Die Fluggesellschaft Swiss musste bis am frühen Abend 70 Flüge von und nach Europa annullieren, wie Airline-Sprecher Jean-Claude Donzel sagte. Betroffen waren Grossbritannien, Irland, Holland, Belgien und ganz Skandinavien.
Auch für Deutschland habe die Swiss Vorsorgemassnahmen getroffen: Die Abendflüge nach Berlin wurden gestrichen. Erfreulich sei, dass keine Maschine der Swiss im Ausland blockiert sei, sagte Donzel.
Luftverkehr in Island nicht betroffen
Nicht beeinträchtigt war der Luftverkehr auf Island selbst, der Wind blies die Asche von der Insel weg. Jedoch mussten die isländischen Behörden bis zu 800 Menschen in Sicherheit bringen, nachdem die Lava Teile des Gletschers zum Abschmelzen gebracht hatte.
Am Donnerstag stiess der Vulkan mit unverminderter Stärke eine Säule aus Rauch und Asche in den Himmel auf. Sie erreichte eine Höhe von elf Kilometern. Der Wind trieb sie wie am Vortag in östlicher Richtung auf den europäischen Kontinent zu.
Vulkan spuckt weiter
Der Vulkan unter dem Gletscher Eyjafjalla war am Mittwoch zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen und jetzt mit etwa 20-facher Stärke ausgebrochen. Der Krater stiess auch am Donnerstag weiter eine gewaltige Säule aus Rauch und Asche aus, sie erreichte eine Höhe von elf Kilometern.
Es gebe kein Anzeichen, dass sich die Aktivität des Vulkans abschwäche, sagte der Vulkanforscher Armann Hoskuldsson von der Universität von Island. «Es wird noch stärker, aber Lava wird es nicht geben - es ist eine rein explosive Eruption», erklärte der Wissenschafter.
Auf Island waren östlich des Vulkans tausende Hektar Land von einer dicken Ascheschicht bedeckt. An der Südostküste des Landes verdunkelte die Aschewolke den Himmel. Heisser Dampf brachte grosse Mengen Gletschereis zum Schmelzen.
Nach Angaben von Hoskuldsson gingen die Überschwemmungen aber zurück, nachdem die Wassermassen am Mittwoch noch Strassen und Brücken blockiert hatten. Aus der Region wurden 700 Menschen evakuiert. Der Vulkan brach seit der Besiedlung Island im 9. Jahrhundert bereits fünfmal aus.