Paul Chaim Eisenberg glaubt nicht an "antisemitisches Zeichen" vom Papst - Aussicht auf Versöhnung gering
Wien's Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg:
"Ich glaube der Papst weiß, was er tut."
Ausgerechnet der deutsche Papst Benedikt XVI. hat den Erzbischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson wieder in die katholische Kirche aufgenommen. Ein Eklat, der vor allem das Verhältnis zwischen Vatikan und Juden belastet. Auch der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg will das katholische Kirchenoberhaupt nicht in Schutz nehmen: "Ich glaube, dass der Papst, weiß was er tut", sagt er in einem Interview mit der am Donnerstag erscheinenden Wochenzeitung Die ZEIT.
Doch sieht er die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der erzkonservativen Lefebvre-Bewegung gelassen: "Der Papst wollte bestimmt kein antisemitisches Zeichen setzen, sondern die katholischen Fundis wieder zurück in seine Kirche holen." Kollateralschäden mit anderen Konfessionen, habe er dafür in Kauf genommen, so Eisenbergs Interpretation. Das Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche bleibt für Eisenberg aber nach wie vor suspekt. "Mein Vater hat mich gewarnt: Bei allen guten Absichten sollte ich sehr vorsichtig sein, denn was die Katholiken tatsächlich im Schilde führen, könne man nicht wissen."
Gespräch überschätzt
Die Tatsache, dass auch viele Katholiken unzufrieden seien mit den aktuellen Ereignissen, wertet der Oberrabbiner als positiv. Doch seien die päpstlichen Fehltritte nicht von ihm zu beurteilen, wie Eisenberg betont: "Der Papst ist das Problem der Katholiken, nicht der Juden." Ohnehin werde das christlich-jüdische Gespräch viel zu sehr überschätzt, meint der Oberrabbiner: "Meine religiöse Lebensfreude hat nie aus dem Christlich-Jüdischen, sondern nur aus dem Jüdischen geschöpft. Bin ich jetzt auch ein Fundamentalist? Bin ich nun so wie der Papst?"
Grund für großen Optimismus, was das christlich-jüdische Verhältnis betrifft, sieht der Wiener Oberrabbiner denn auch nicht: "Manchmal muss man abwärts sausen, um sich für einen weiteren Aufstieg Schwung zu holen. Jetzt sehe ich allerdings für lange Zeit keinen Aufschwung mehr." Dass der Vorfall zu vermehrtem Antisemitismus führen könnte, wie der deutsche Zentralrat der Juden fürchtet, glaubt Eisenberg hingegen nicht. "Wer Antisemit sein will, wird immer einen Vorwand finden." (red)