Martina Munz, Nationalrätin

Die Wahlen 2015 zeigen Wirkung – Rentenalter 67 lässt grüssen! Es gibt Verfassungsbrüche der lauteren und der leiseren Art. Die Alpeninitiative und Zweitwohnungsinitiative sind nur zwei Beispiele mangelnder Umsetzung – zwar der leiseren Art – und sie stehen nicht allein. Grund genug für mich in dieser Session nachzuhaken, wie der neue Artikel „Förderung der musikalischen Bildung“ umgesetzt wird, der bereits seit vier Jahren in der Verfassung steht und noch keine Wirkung zeigt.

Bürgerlicher Schulterschluss geknackt

Der Verfassungsbruch wurde bei der Zuwanderung so richtig zelebriert! Doch das Stimmvolk hat auch sechs Mal über die Bilateralen abgestimmt. Beides zusammen ist nicht kompatibel. Zum Auftakt der Zuwanderungsdebatte gab es den wütend fuchtelnden Amstutz mit dem letzten Tropfen einer Cola-Flasche (Botschaft?) und mit bestellten Fragen zur Redezeitverlängerung, einen genervten FDP-Kommissionsprecher Flury, den CVP-Präsidenten Pfister, der sein eigenes Süppchen kochte und den SP Cedric Wermuth als scharfzüngiger Kommentator. So spielte beim MEI-Spektakel jeder seine Show, dann war die Luft draussen. Die Debatte dauerte bis in die Nachtstunden. Das Festzelt von Gastro Suisse auf dem Bundesplatz war besser gefüllt als der Nationalratssaal. Erbitterte GegenerInnen tauchten fröhlich Brotmöckli im gemeinsamen Fondue. Pünktlich zur Schlussabstimmung waren alle wieder im Saal, um den für sie richtigen Knopf zu drücken. Das Resultat als Kompromiss ist für die Erhaltung der Bilateralen wichtig und beseitigt die Unsicherheiten beim Forschungsabkommen Horizon 2020. Seitens SP hätten wir eine strengere Umsetzung der MEI begrüsst mit Massnahmen gegen Lohndumping und besseren Chancen für ältere Arbeitnehmende. Der Ständerat kann es immer noch richten.

Agrarlobby spart – nur nicht bei sich selber

Eine halbe Milliarde Franken hätte die Landwirtschaft zum Sparprogramm des Bundes beitragen müssen. Irgendwie logisch, gibt es doch immer weniger Betriebe. Unsere Agrarsubventionen sind weltweit die höchsten. Die Akzeptanz der Bevölkerung für Beiträge an einzelne Betriebe von 200‘000 Franken und mehr pro Jahr schwindet zunehmend. Die Bauernlobby hat es dennoch verstanden, den Sparvorschlag abzuschmettern. Bereits in der letzten Session wurden den Baulandbauern Steuererleichterungen von geschätzten 400 Mio. Franken pro Jahr gewährt. Das hat definitiv nichts mehr mit Erhaltung des Bauernstandes zu tun, im Gegenteil! Sparen als ihr grosses Motto gilt bei der SVP weder für die Bauern, noch für die Armee. Die Landwirtschaft kann auf die Unterstützung der SP zählen, wenn es um die Erhaltung von Familienbetrieben oder um ökologische Bewirtschaftung geht, nicht aber zur Erhaltung ihrer Pfründe.

Ein Energieschrittchen in die richtige Richtung

Zugegeben, wir haben uns mehr erhofft von der Energievorlage. Das geschnürte Paket ist dennoch überzeugend. Es gibt Ziele für Stromeffizienz, der Investitionsstau bei den Erneuerbaren wird entschärft und für Gebäudesanierungen stehen mehr Mittel zur Verfügung. AKW-Neubauten werden untersagt und der Verbrauch fossiler Energie in Gebäuden und bei Neuwagen wird reduziert. Bedauernswert ist die Tatsache, dass die Einspeisevergütung befristet wurde und unsere weltweit ältesten AKW keine Laufzeitbeschränkung erhalten. Immerhin kann sich die Wirtschaft mit dieser Energiestrategie für die Zukunft fit machen und Wertschöpfung ins Land holen. Wir sind auf dem richtigen Weg!

„Schweizermacherin“

So titelte der „Blick“! Die junge SP-Nationalrätin Ada Marra erreichte mit ihrer vor acht Jahren eingereichten Motion die erleichterte Einbürgerung für die 3. Generation. „Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen und aufhören, Menschen als Ausländerinnen und Ausländer zu bezeichnen, die keine sind.“ Obwohl die Vorzeichen zu Einbürgerungsfragen auf Verschärfung stehen, fand diese Motion eine Mehrheit. Die Verfassungsänderung muss noch vors Volk. Ich freue mich auf diese positiv besetzte Einbürgerungsdebatte.

Schnell verschenkte Millionen

Vieles, was im Bundeshaus entschieden wird, ist den Medien kaum eine Zeile wert. In dieser Session wurde rückwirkend ein Straferlass im Wert von 600 Millionen Franken beschlossen zugunsten von Unternehmen, die bei der Zahlung der Verrechnungssteuer in Verzug sind. Ein weiteres Geschenk erhält wer zugibt, Steuern hinterzogen zu haben. Die geschuldeten Steuern müssen danach nicht mehr voll beglichen werden. Solch unsinnige Geschenke werden mit den neuen Mehrheiten fernab jeder Publizität durchgewinkt. Die finanziellen Folgen sind noch nicht absehbar. Sicher sind nur die Sparprogramme bei Bildung und Dienstleistungen.

Berufsbildung braucht mehr als Lippenbekenntnisse

Die BFI-Botschaft 2017-2020 setzt die finanziellen Rahmenbedingungen für Bildung, Forschung und Innovation. Die 26 Mrd. Franken für vier Jahre entsprechen ca. 10 Prozent des Bundeshaushaltes. Noch im Januar hatte der Nationalrat eine Motion gut geheissen, die ein jährliches Wachstum von 3,9% forderte für u.a. mehr Ausbildungsplätze in der Humanmedizin und zur Stärkung der Höheren Berufsbildung. Die Halbwertszeit von politischen Absichtserklärungen ist manchmal aber bedrohlich kurz! Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, um das zusätzliche Geld für die Höhere Berufsbildung durchzuboxen. Zur Stärkung der Höheren Berufsbildung sollten die Lehrgänge zur Hälfte vom Bund mitfinanziert werden. Die Gelder sollten erst mit der Abschlussprüfung ausgeschüttet werden. Es war mir persönlich ein Anliegen die Höhere Berufsbildung gegenüber anderen Studiengängen möglichst gleichzustellen. Diese Ausbildungen dauern lange und kosten oft mehrere Zehntausend Franken. Die Lernenden hätten dem Staat Tausende Franken vorfinanziert. Bei Abbruch der Ausbildung, z.B. wegen Schwangerschaft oder als Folge beruflicher Änderungen, hätten sie gar auf den Bundesbeitrag verzichten müssen. Stärkung der Berufsbildung sieht anders aus! Mit viel Einsatz konnte ich bewirken, dass jetzt das Geschäft des Auszahlungsmodus nochmals zurück in den Ständerat geht.

Die Armee als Goldmarie

Rüstungsbeschaffer sind unter Druck. Sie müssen sofort Beschaffungsprojekte aus dem Hut zaubern. Der Zahlungsrahmen der Armee für vier Jahre wurde um 1,3 Milliarden Franken aufgestockt. Das Debakel bei den Flugabwehrraketen (Bodluv-Projekt) hat der Armee sogar noch zusätzlich 700 Millionen Franken freigespielt. Der Auftrag des Parlaments an das Verteidigungsdepartement und damit an die Armee lautet: Bitte gebt irgendwie 5 Mrd. Franken pro Jahr aus! Bundesrat Guy Parmelin warnte vergebens, es gebe gar nicht genügend beschaffungsreife Projekte! Trotz Sparprogramm wird die Armee mit Geld überschüttet – ob das unsere Sicherheit erhöht?

Verköppelte Altersreform – ein teurer Leerlauf!

Der Ständerat hat zur Altersreform 2020 eine gute Vorgabe herausgearbeitet: Senkung des Umwandlungssatzes, Erhöhung des Frauenrentenalters und als Kompensation für den Rentenabbau die Erhöhung der AHV um 70 Franken. Die nationalrätliche Kommission hat monatelang darüber gebrütet. Kurz vor der Beratung im Nationalrat haben die Bürgerlichen ihr völlig neues neoliberales Konzept eingereicht. Die FDP hat mit einer Hauruckübung einmal mehr bewiesen, wie nah sie Banken und Versicherungen steht. Die Grünliberalen spielten dabei eine penible Rolle als Steigbügelhalter für die zusätzlichen Kosten von 1,6 Mrd. Franken. Bestraft werden damit die jüngeren Generationen, die Frauen und die Werktätigen. Sie müssen zukünftig länger arbeiten und mehr zahlen für weniger Rente. Nicht einmal für die tiefen Einkommen ist ein minimaler Ausgleich vorgesehen. „Frauenanliegen interessieren Sie offenbar nur, wenn die Frauen eine Burka tagen“ (Zitat Regula Rytz). Die Bauern hätten wohl gerne der Erhöhung der AHV um 70 Franken zugestimmt, mussten aber treu nach Weisung der SVP abstimmen. Die CVP kämpfte für einmal auf der Seite von SP und Grünen. Es ist das teuerste und ineffizienteste aller Konzepte. Trotz Rentenalter 67 ergeben sich 1,6 Mrd Franken Mehrkosten. Das Stimmvolk wird das alles auslöffeln müssen. Fazit von Bundesrat Berset zum Abschluss der Beratung im Nationalrat: „Die Rentenaltererhöhung ist nun ein geköppelter Automatismus und die Trennung der Vorlagen erlaubt eine feierlichere Beerdigung der ganzen Vorlage.“ Er setzt somit ganz klar auf das Pingpong-Spiel mit dem Ständerat. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

www.martinamunz.ch


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