Aus Angst vor der EU
Grafik: Schlussabstimmung über die Um-
setzung der Masseneinwanderungsinitiative,
Geschäft 16.027 AuG, am 21.09.2016 im
Nationalrat. (parlament.ch)
Die Classe politique hat ihren Traum, die Schweiz doch noch irgendwie der EU angliedern zu können, nie aufgegeben – mag der Widerstand in der Bevölkerung gegen den EU-Beitritt noch so gross sein.
Der Bundesrat will die Schweiz mittels eines Rahmenvertrags an den EU-Bürokratieapparat «institutionell anbinden».
Bundesrätliche Zugeständnisse
Das will er herbeiführen, indem die Schweiz sämtliche EU-Beschlüsse, die irgendwie mit bilateral zwischen Bern und Brüssel getroffenen Vereinbarungen in Zusammenhang stehen, automatisch (der Bundesrat wählt dafür allerdings den tarnenden Ausdruck «dynamisch») zu übernehmen habe. Die Landesregierung ist zusätzlich bereit, den EU-Gerichtshof dann, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen Bern und Brüssel entstehen, als oberste, nicht anfechtbare Instanz der Rechtsprechung anzuerkennen. Der Bundesrat räumt der EU gar das Recht ein, gegen unser Land – gegen das Land, dessen Interessen er als Regierung eigentlich zu wahren hätte – Sanktionen, also Strafmassnahmen ergreifen zu können, wenn die Schweiz einen EU-Beschluss einmal nicht im Sinne Brüssels übernehmen würde.
Ausserdem will Bundesbern der EU die Einsetzung eines EU-Überwachungsorgans zugestehen, das im Dienste Brüssels die Vertragstreue Berns beaufsichtigen soll. Und auch Jahresbeiträge will der Bundesrat fortan nach Brüssel entrichten. So als wäre die Schweiz eine bevogtete, tributpflichtige Untertanin Brüssels.
Würde man Brüssel – so lautet die angsterfüllte Begründung dieses Souveränitätsverzichts – all dies nicht zugestehen, wäre die EU in der Lage, wichtige bilaterale Verträge mit der Schweiz kurzerhand zu annullieren.
Parlament und Bundesgericht ziehen nach
Der Nationalrat hat soeben beschlossen, die von Volk und Ständen in einer Volksabstimmung gutgeheissenen Massnahmen gegen die Masseneinwanderung nicht umzusetzen. In Sachen Einwanderung würde nur noch angeordnet, was Brüssel zuvor ausdrücklich genehmigt hätte. Nicht mehr der Schweizer Souverän, Brüssel hat für die Grosse Kammer fortan das Sagen.
Und das Bundesgericht hat letzten Herbst festgehalten, es werde sich in Sachen Personenfreizügigkeit konsequent nur noch am EU-Recht orientieren. Was auch immer der Schweizer Souverän in Sachen Einwanderung beschliesse, sei für unser höchstes Gericht nicht verbindlich, sofern der Schweizer Entscheid von Brüssel nicht ausdrücklich gutgeheissen worden sei.
Nicht mehr der Schweizer Souverän, vielmehr Brüssel – bzw. Luxemburg, wo der EU-Gerichtshof tagt – schafft fortan das Recht, an welches sich unser höchstes Gericht gebunden fühlt.
Die Bundesverwaltung dirigiert
Hinter diesen Entwicklungen steht die übermächtige Bundesverwaltung, deren Exponenten seit Jahren von glänzenden, grosszügig salarierten Karrieren in der EU-Bürokratie träumen. Seit Dezennien schon sorgen sie – vorbei an allen legislativen Instanzen der Schweiz – dafür, dass Schweizer Recht bis in alle Einzelheiten konsequent den Vorgaben aus Brüssel unterworfen wird.
Es existiert zu Bundesbern keine Mehrheit mehr, welche für die Eigenständigkeit der Schweiz einzutreten bereit ist – mag sich der Souverän, mögen sich Volk und Stände noch so deutlich zu einer eigenständigen, souveränen, freien und neutralen Schweiz bekennen.
Genau nach Geheimgutachten Thürer
Das alles läuft ab nach einer Handlungsanleitung, wie sie im Jahre 2010 in einem Gutachten des Zürcher Staatsrechtlers Daniel Thürer formuliert worden ist. Thürer verfasste dieses Gutachten im Auftrag des Bundesrats. Als er es der Landesregierung vorlegte, erklärte es der Bundesrat umgehend zum Geheimgutachten. Womit er zu verstehen gab, dass er im Papier Thürer mehr als nur ein Gutachten unter vielen andern sah – nämlich eine konkrete Handlungsanweisung.
Anderthalb Jahre lang war dieses Papier geheim gehaltene Handlungsanleitung für unsere Landesregierung, bis seine Existenz entdeckt und der Öffentlichkeit schliesslich zugänglich gemacht wurde.
Der Ratschlag in Thürers Gutachten lautet wie folgt: Der Bundesrat müsse fortan alles, was zu Brüssel bzw. Luxemburg als EU-Recht geschaffen werde, konsequent als allen europäischen Ländern übergeordnetes Völkerrecht bewerten. Denn dem Völkerrecht könne sich niemand entziehen. Wer dies wollte, würde das eigene Land geradezu der verfemten Minderheit der Schurkenstaaten zuordnen, die dem Völkerrecht demonstrativ die kalte Schulter zu zeigen versuche.
Der Völkerrechts-Trick
Damit würde eine Volksabstimmungs-Frage theoretisch wie folgt lauten: «Wollt Ihr Euch der übergeordneten europäischen Rechtsordnung anschliessen – oder wollt Ihr die Schweiz den Schurkenstaaten zuteilen?» Eine solche, alles abendländische Recht verratende Frage zu stellen, verbiete sich allerdings einem Staat, der Rechtsstaat sein und bleiben wolle. Und damit – so der Gedankengang Thürers – sei der Weg geebnet für einen Anschluss der Schweiz an die EU sogar ohne Volksabstimmung.
Dieses Rezept Thürers scheint Bundesbern immer offenkundiger als Handlungsanweisung nutzen zu wollen. Man weiss in den erwähnten Gremien natürlich, dass die Schweiz in freier Abstimmung nie und nimmer den Beitritt zur EU beschliessen würde. Nur mittels Ausschaltung, ja Zerstörung der Direkten Demokratie kann die Classe politique ihr grosses Ziel, den EU-Beitritt, erreichen – sozusagen via Hintertüre.
Eine ernüchterte Öffentlichkeit muss heute wahrnehmen: Die Unterminierung der Direkten Demokratie ist bereits weit fortgeschritten. Die derzeitige Session der Eidgenössischen Räte liefert dazu den Anschauungsunterricht.