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Der Freitags-Kommentar vom 9. September 2016,
von Ulrich Schlüer, Verlagsleiter «Schweizerzeit»

 

Verfügen wir nicht über herausragende Propheten


Symbolbild von A.Dreher / pixelio.de

Geradezu umwerfend, mit was für Erkenntnissen Prognostiker uns gewöhnliche Bürger beglücken. Vor allem dann, wenn das Manna als Entgelt für die Prognose der Bundeskasse belastet werden kann.

Frau Bundesrätin Doris Leuthard predigt uns unermüdlich, man könne und müsse den Energieverbrauch bis etwa in einem Vierteljahrhundert um volle vierzig Prozent reduzieren. Wie – das weiss sie noch nicht so recht. Aber sie ist sicher, dass sich die Wirklichkeit ihren augenaufschlags-begleiteten Predigten dereinst gehorsam unterordnen werde.

Der Studien-Auftrag

Immerhin gibt sie sich neugierig, wie es denn so weitergehen soll mit der Bevölkerung in der Schweiz: Ob diese – zwecks Erreichung ihres ehrgeizigen Energie-Einsparungsziels – etwa auch um vierzig Prozent abnehmen wird?

Solches anhand vorhandener Gegebenheiten selber vorauszuberechnen, das erscheint ihr aber doch als etwas zu schwierig. Also stellt sie, auf Steuerzahlers Kosten, «Experten» an: Zukunftsforscher, Prognostiker. Leute, die für teures Geld bestimmte Entwicklungen, welche die Mitglieder der Landesregierung offenbar nicht zu überblicken vermögen, vorausberechnen und beurteilen können.

Diese hochbezahlten Prognostiker beglücken uns jetzt mit wahrhaft umwerfenden Erkenntnissen: Sie stellen zunächst fest, dass die Einwohnerzahl der Schweiz jährlich etwa in der Grössenordnung der Bevölkerung Luzerns oder St. Gallens zunimmt. Und dass keinerlei Massnahmen getroffen werden, dieser seit Jahren anhaltenden Entwicklung irgendwie Einhalt zu gebieten. Und daraus schliessen sie messerscharf, dass die Schweiz kaum jährliche Zuwanderung von siebzig- bis achtzigtausend Menschen hinnehmen könne, ohne dass daraus irgend etwas Zählbares und Bleibendes resultiere – auch bezüglich des Energiebedarfs.

Verkehrszunahme

Und so gelangten diese weisen Experten zu einer Prognose mit Zahlen, die zumindest Medienleute nahezu aus ihren Socken gerissen hat: Der Verkehr auf Schweizer Strassen werde sich, meinen diese Propheten, bis 2040 weiter verdichten. Sogar massiv verdichten – um einen Viertel oder gar einen Drittel. Also blühen uns – trotz Strassen-Ausbau – bis dann täglich fünf bis sechs Stunden Dauerstau z.B. auf den Zufahrten nach Zürich – statt bloss vier Stunden wie bereits heute.

Aber auch das Passagier-Aufkommen in Zügen, Trams und Bussen werde deutlich ansteigen: An Stehplätze in den sich Jahr für Jahr verlängernden Hauptverkehrszeiten müssen wir uns offenbar gewöhnen.

Zum Glück, wagt man in Anlehnung an Frau Leuthards Energiepredigten zu hoffen, benötigen all die Zehntausende, die uns mit der von einer Parlaments-Kommission soeben wieder freigegebenen Masseneinwanderung beglücken, allesamt weder Treibstoff noch Strom – oder sonst etwas, woraus Energiebedarf entstünde. Denn dieser wird gemäss Frau Leuthard, die als Bundesrätin bei der Hintertreibung aller Massnahmen zur Eindämmung der Masseneinwanderung munter mitmacht, bekanntlich um vierzig Prozent abnehmen.

Geheimplan?

Hält der Bundesrat etwa einen Geheimplan in der Rückhand, wonach den Zehntausenden, die jährlich mit bundesrätlichem Segen in unser Land einwandern, die Nutzung elektronischer Geräte strikte untersagt werden soll – zwecks Erreichung der von Frau Leuthard verkündeten Energieziele? Oder werden diesen Einwanderern anstelle von mit allem Automatik-Komfort ausgestatteten Wohnungen elektrofreie Höhlen als Wohnungen zugemutet – zwecks Erreichung von Bundesrätin Leuthards Energieziel? Ihnen auch den Besitz von Autos zu verbieten, dürfte Bundesbern freilich nicht wagen. Auf die «Verhältnismässigkeit» und «Nicht-Diskriminierung» behördlicher Anordnungen pochende Juristen könnten sonst auf die Idee kommen, ein «Recht auf Auto für alle» zu postulieren – und die Anschaffungskosten für weniger begüterte Einwanderer einfach der Sozialhilfe aufzuhalsen.

Im Ernst: Glaubt in der hohen Landesregierung irgend jemand wahrhaftig, man könne der Schweiz weiterhin jährliche Masseneinwanderung in der Höhe von sechzig- bis achtzigtausend Menschen zumuten, ohne dass damit der Energiehaushalt betroffen würde? Bedürfen wir kostspieliger Experten, bis selbst Bundesbern einen Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl und Energiebedarf zuzugeben bereit ist?

Oder zielen Leuthards Predigten gar nicht ernsthaft auf die Reduktion des Energieverbrauchs? Will sie nur den Vorwand dafür schaffen, mit tausenden zusätzlicher Bundesfunktionäre eine immer dichtere Energie-Reglementierung, Energieverbrauchs-Überwachung und Öffentlichkeits-Schikanierung durchzusetzen? Damit das Ziel verfolgend, den Bürgerinnen und Bürgern alljährlich viel zu hohen Energieverbrauch vorwerfen zu können – auf dass diese Steuerzahler immer einschneidender und nachhaltiger geschröpft werden können.