Kaum eine Schweizer Wochenzeitung polarisiert und provoziert so stark wie die «Weltwoche». Aus der einst linksliberalen Stimme ist ein Wochenblatt geworden, das der SVP nahesteht. Für diesen Wandel massgeblich mitverantwortlich ist Verleger Roger Köppel. Vor zehn Jahren übernahm er die Zeitung.
Verleger und Chefredaktor Köppel mit einer «Weltwoche» von 2008 und mit der Erstausgabe von 1933. (Keystone/Archiv)
«Wir sind eine halbe Milliarde Europäer. Die Schweiz muss in der EG mitmachen, sonst wird sie einfach mitgemacht.» So betitelte die «Weltwoche» 1990 einen Leitartikel auf der Frontseite. Und 1999 lautete der Haupttitel: «Wir brauchen mehr Ausländer!»
Seit Roger Köppel vor zehn Jahren die «Weltwoche» übernommen hat, klingen die Titel anders: «Schweizer zahlen, Ausländer kassieren», heisst es da. Oder: «Jäger, Räuber, Rätoromane: Die frechste Minderheit der Schweiz».
«Wenn alle Trump blöd finden, dann versucht die ‹Weltwoche› ein positives Bild von ihm zu zeichnen.»
Roger Blum
Medienwissenschaftler
Blatt der Gegenthesen
Für Medienwissenschaftler Roger Blum hat die neue Ausrichtung der Zeitung System. Die «Weltwoche» bilde den Gegenpol zum Medien-Mainstream. «Die ‹Weltwoche› versucht immer die Fragen noch einmal anders zu stellen, gewissermassen Gegenthesen zu vertreten. Wenn alle Trump blöd finden, dann versucht die «Weltwoche» ein positives Bild zu zeichnen. Ich finde es interessant, diese Gegenpositionen zu kennen und darüber zu lesen.»
Besonders augenfällig wurde diese Gegenposition Ende 2015, als die «Weltwoche» Fifa-Boss Sepp Blatter zum «Schweizer des Jahres» kürte, obwohl dieser wegen Korruptionsvorwürfen immer stärker unter Druck geriet. Verleger und Chefredaktor Köppel verteidigt die Position: Menschen würden schnell ins Abseits gestellt. Da sei es wichtig, Gegensteuer zu geben, «damit diese moralische Verurteilungsstimmung nicht alles beherrscht».
Überhaupt ist Köppel stolz auf seine zehn Jahre als «Weltwoche»-Chef. Der Zeitung sei es immer wieder gelungen, Missstände aufzudecken. Köppel erinnert an die Berichterstattung zum SVP-Bundesratskandidat Zuppiger, an die Geschichten um die Nationalbank und an den Artikel zum Sozialamt Zürich. «Ich glaube, das sind journalistische Meilensteine», so Köppel.
Auch habe er es geschafft, die «Weltwoche» wieder rentabel zu machen. Nicht gelungen hingegen ist es ihm, den Leserschwund zu stoppen. Aktuell beträgt die Auflage der «Weltwoche» 65'000 Exemplare, vor zehn Jahren lag sie bei 83'000. Aber den anderen Zeitungen geht es nicht besser.
«Es ist einfacher, auf einem tieferen Niveau mit der Herde zu gehen. Wenn Sie aus der Reihe tanzen, müssen Sie gut sein.»
Roger Köppel
Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche»
Seit Jahren der SVP nahe
Gemäss Medienwissenschaftler Blum positionieren sich die meisten Schweizer Zeitungen in der Mitte der Politlandschaft. Die «Weltwoche» hingegen bezieht seit Jahren SVP-Positionen. Ein deutliches Beispiel dafür war das Cover vom 5. April 2012. Es zeigt ein Bild eines 4-jährigen Roma-Jungen, der mit einer Pistole auf den Leser zielt. Dazu die Schlagzeile: «Sie kommen, klauen und gehen. Die Roma-Raubzüge in die Schweiz.»
Dieses Titelbild und dieser Titel sorgten für Empörung und wurden vom Presserat gerügt. Die «Weltwoche» habe damit die Roma diskriminiert, urteilte er. Diese Kritik teilt Res Strehle, ehemaliger Chefredaktor des «Tages-Anzeigers». Strehle arbeitete Ende der 1990er Jahre selber bei der «Weltwoche». Sein Urteil über Köppels «Weltwoche» fällt hart aus: Wenn alle Ausländer als gefährlich angesehen und der Religionsfrieden zerstört würden, seien das keine konstruktiven Debatten. «Das ist eine Brunnenvergiftungshaltung, die der Schweiz nicht gut tut», sagt Strehle.
«Das ist eine Brunnenvergiftungshaltung, die der Schweiz nicht gut tut.»
Res Strehle
Ehemaliger Chefredaktor des «TagesAnzeiger»
Weitermachen wie bisher
Köppel lässt diese Kritik kalt. Er teilt auch die Einschätzung nicht, dass die «Weltwoche» politisch einseitig sei – auch wenn er selber im letzten Herbst für die SVP in den Nationalrat gewählt wurde. Der «Weltwoche»-Besitzer sieht sich der geistigen Tradition der Zeitung verpflichtet, die Themen anders anzupacken als die Mehrheit der Zeitungen.
Da gelte es immer gute Argumente zu haben. Denn wenn man eine unkonventionelle Arbeit nicht gut mache, stürze man ab. «Es ist einfacher, auf einem etwas tieferen Niveau immer mit der Herde zu gehen. Wenn Sie aus der Reihe tanzen, müssen Sie gut sein, weil Sie zwangsläufig und richtigerweise kritisiert werden.»