Jabbar und seine Muskeln
Superman bekommt arabische Konkurrenz. Nicht nur einen Helden, sondern gleich 99. Der Kuwaiter Naif al-Mutawa hat sie erfunden.
"Jabbar" verfügt über außergewöhnliche Kräfte. Muskelbepackt und groß wie ein Riese, ist er jedem Gegner überlegen. "Noora" kann Licht erzeugen und die lichten und dunklen Anteile ihres Gegenübers erkennen. "Aleem" ist eigentlich noch ein Kind, doch schon allwissend: Er vermag in die Zukunft zu blicken.
Werte des Koran
Jabbar, Noora und Aleem sind nur drei von insgesamt 99 Superhelden des gleichnamigen Comics "The Ninetynine". 99 Eigenschaften schreibt der Koran Gott zu und jede Figur verkörpert eine dieser göttlichen Eigenschaften. "Jugendliche in der arabischen Welt brauchen ihre eigenen, hausgemachten, Helden", meint der kuwaitische Ninety-Nine Erfinder und Verleger Naif Al-Mutawa. Mit einem bunten Band nun stellt er die ersten islamisch geprägten Superhelden vor: Popheroes, die, so wünscht er sich, künftig auf einer Stufe mit Superman, Batman und Co. stehen werden.
Äußerlich sind seine Comichelden kaum von Charakteren à la Batman zu unterscheiden. Wie aber verhält es sich mit den Werten, die Jabbar, Noora und all die anderen vermitteln? „Ich habe mich am Koran orientiert und an den multikulturellen, positiven Botschaften, die ich dort finden konnte", sagt Al-Mutawa. Großzügigkeit, Weisheit, Mitgefühl seien zwar islamische, aber zugleich universelle Werte, die jeder seinen Kindern vermitteln wolle: "Für mich gibt es keine Werte, die man einer Religion allein zuordnen kann."
Superman und Bibelstoff
Frei von Religion und kulturellen Zuordnungen sind auch die westlichen Comics nicht. Superman verkörpert den American Way of Life. Wie seine Helden-Kollegen wird er mit einer Mission zur Erde gesandt. Er verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten und steht in Verbindung mit einer höheren Macht. "Wie die biblischen Propheten wachsen die Superhelden ohne ihre Eltern auf", so Mutawa. "Alle westlichen Superhelden verkörpern biblische Archetypen. Auch wenn die weiteren Geschichten ohne Religion auskommen, sind diese biblischen Bezüge doch ganz entscheidend."
Ähnlich verhält es sich nun bei den "Ninetynine". Die religiösen Bezüge bleiben sublim, Al-Mutawas 99 Helden kommen aus 99 verschiedenen Ländern, ihre Religion wird nirgends erwähnt. Verschleierte Frauen kommen genauso vor wie unverschleierte. Muslimisch sind die Superhelden lediglich in Bezug auf ihre charakterlichen Attribute.
Historische Bezüge
Und die Geschichte? Sie greift ein reales Kapitel arabischer, muslimischer Historie auf und schreibt dieses um: die Eroberung und Zerstörung Bagdads durch die Mongolen im Jahre 1258. Die irakische Hauptstadt galt einst als Zentrum der islamischen Welt und beherbergte die größte Bibliothek der damaligen Zeit, in der – ins Arabische übersetzt – das Wissen verschiedenster Religionen und Kulturen aufbewahrt wurde. Die Mongolen zerstörten die Stadt und ihre berühmte Bibliothek. Bei Al-Mutawas Fiktion aber wird das Wissen der Bücher in 99 magischen Steinen bewahrt und mit ihnen über die ganze Erde verstreut. Die wertvollen Steine zurückzuholen – so die Fiktion weiter – ist Aufgabe der Ninetynine.
Filmrechte verkauft
2006 sandte Al-Mutawa seine Helden das erste Mal aus. Zunächst war ihre Geschichte nur in Kuwait zu erhalten, doch inzwischen werden die Comics im gesamten arabischen Raum, in Indien, Indonesien, Malaysia und den USA publiziert. Seit er eine 25 Millionen Dollar starke Unterstützung von einer islamischen Bank erhielt, erlaubt auch Saudi-Arabien die Publikation. Kommendes Jahr soll der Stoff verfilmt werden, auch der kommerzielle Produzent Endemol ist beteiligt. Die Karriere der ersten muslimischen Superhelden steht offenbar gerade erst am Anfang.