»Ixquick«: Suchmaschine macht Schluss mit der Google-Schnüffelei
Es gibt auf dieser Webseite nur schlechte Nachrichten? Nicht doch. Wie wär's zum Beispiel mit dieser: Im Internet gibt es doch tatsächlich eine Suchmaschine, die nicht nur mindestens so gut sein soll wie Google, sondern die auch noch Ihre Privatsphäre schützt und keine IP-Adressen der Nutzer speichert. Und nicht nur das: Darüber hinaus ermöglicht sie auch noch anonymes Surfen per Mausklick...
Es gibt da einen Albtraum: Was auch immer Sie an Ihrem Computer tun, welche Taste Sie auch immer drücken: Der Große Bruder kriegt es mit. Und seit einiger Zeit hat der Große Bruder auch einen Namen: Google. Und da wir inzwischen alles, was wir tun, an Computern tun, bekommt Google auch alles von uns mit: Während wir zu Hause oder im Büro unsere gesammelten Interessen und geheimsten Neugierden vertrauensselig in die Suchmaschine Google eintippen, unseren eigenen Rechner mit Google Desktop Search durchsuchen, den Globus durch die Brille von Google Earth betrachten, unsere Videos auf Youtube (also Google) hochladen und unsere Mails über Google Mail verschicken, navigieren wir unterwegs mit unserem Google-Handy und suchen Hotels, Restaurants und Ärzte mit Google Maps.
Jeder Mensch ist eine Nummer
Der Schlüssel zum Schnüffel-Paradies der Internetkonzerne heißt IP-Adresse: Wer auch immer sich im Netz bewegt, tut dies unter einer ganz persönlichen Nummer – nämlich der IP-Adresse. Suchmaschinen wie Google speichern die Suchanfragen zusammen mit dieser Nummer ab und erhalten auf diese Weise ein komplettes »Interessensprofil« dieser IP-Adresse. Fragt man nun unter derselben IP-Adresse noch seine E-Mail ab, ist die eigene Identität im Prinzip aufgeflogen. Ab jetzt ist Ihr Leben ein offenes Buch.
Suchmaschinen tun aber noch ein Übriges und vergeben eine User-ID an den Benutzer, unter der sämtliche Anfragen gespeichert werden. Wie so etwas aussieht, konnte man 2006 bewundern, als AOL die Suchdaten von schlappen 658.000 Nutzern »entwischten« und für jedermann einsehbar im Netz landeten. Nehmen wir zum Beispiel den »User 301115«. Sein bis dahin gespeichertes Suchprofil sah so aus:
http://www.aolstalker.com/301115.html
»Lindsay Lohan nackt«
Als erstes sehen wir, dass sich der Mensch für Mobiltelefone interessierte und wahrscheinlich im US-Bundesstaat Georgia wohnte, denn er wollte auch etwas über Steuerrückzahlungen in Georgia, Blumenläden in Athens und Huskyhunde in Savannah wissen. Manches spricht auch dafür, dass er Savannah nur besuchen oder dorthin umziehen wollte, denn er suchte dort nach Touristenattraktionen, Hotels, aber auch nach der örtlichen Tageszeitung (Savannah Morning News). Vermutlich handelte es sich um einen Mann, denn der Nutzer interessierte sich intensiv für das weibliche Geschlecht, zum Beispiel für »Lindsay Lohan naked« oder für die amerikanische Schauspielerin Leslie Easterbrook (ebenfalls »naked«) sowie für eine gewisse Jenna Renee Edwards. Auch eine Schauspielerin? Oder ein Privatkontakt? Dann bestehen natürlich gute Aussichten für aufschlussreiche Verknüpfungen. An einem der nächsten Tage folgte ein regelrechtes »Suchgewitter« nach Porno-Webseiten: »porn sites«, »pornography«, »sex websites«, »fucking websites«, »Pamela Anders sex tape« und so weiter. Einige Tage später suchte der Nutzer nach »Locos Restaurant«. Fragt sich nur, ob er das in der Timothy Road in Athens oder das in der Broughton Street in Savannah meinte. Vermutlich hätte man ihn dort treffen können.
Tagebuch bei Google: Ein Röntgenbild ist nichts dagegen
Dabei waren dies nur auf wenige Tage begrenzte Suchanfragen einer relativ »kleinen Suchmaschine« und eines nicht besonders aktiven Nutzers. Stellt man sich das Profil eines intensiven Google-Nutzers vor, kann es gut sein, dass sich jeder Tag, jede Phantasie und jede Lebensäußerung bis ins Detail rekonstruieren lassen – erst recht mithilfe der weiteren Internetdienste des Google-Konzerns. Wenn Sie bisher dachten, dass Sie kein Tagebuch führen, dann irren Sie sich: Google und Co. führen es längst für Sie. Nutzt ein Nutzer hauptsächlich eine Suchmaschine, entsteht so eine riesige Datenbank seiner Interessen. Betreibt derselbe Suchanbieter gleichzeitig einen Maildienst, ist es zumindest theoretisch ein Klacks, das »intime Nutzertagebuch« der Suchmaschine mit dem E-Mail-Account zu verknüpfen. Ein Röntgenbild ist nichts dagegen.
»I have a dream...«
Auf der anderen Seite war einmal ein Traum: Eine Suchmaschine, die kein Tagebuch über Sie führt, sondern sofort vergisst, was Sie gesucht haben; die keine IP-Adressen mit den Suchanfragen speichert und bei der Sie jedes Mal ankommen wie das sprichwörtlich unbeschriebene Blatt. Gleichzeitig sollte diese Suchmaschine die leistungsfähigste Suchmaschine der Welt sein. Gibt’s nicht? Gibt’s doch – jedenfalls, wenn man den Behauptungen von »ixquick« glaubt. Während unsere »Qualitätsmedien« tagein tagaus über Google schreiben und der Konzern auf diese Weise immer weiter und weiter wuchert, führt diese Suchmaschine ein Schattendasein. Oder wo waren denn die Schlagzeilen, als »ixquick« bereits 2008 als erstes IT-Produkt überhaupt das europäische Datenschutzgütesiegel European Privacy Seal (»EuroPriSe«) bekam: »Die Verleihung des ersten Europäischen Gütesiegels an die Metasuchmaschine Ixquick ist ein Meilenstein für die Umsetzung des Datenschutzes im Internet und verdient große Anerkennung«, sagte damals der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx.
Schluss mit dem Tagebuch
Wenn »ixquick« hält, was es verspricht (und bisher spricht nichts dagegen) ist der Dienst geradezu verboten gut. Für Ihre Anonymität müssen Sie demnach nicht etwa auf Google und Co. verzichten. Denn »ixquick« ist eine so genannte »Metasuchmaschine«: Der Suchdienst fragt für Sie bei den etablierten Suchanbietern an und stellt das Resultat als eigene Ergebnisliste dar. Als IP-Adresse taucht bei den herkömmlichen Suchmaschinen höchstens eine IP von »ixquick« auf, nicht aber Ihre. »Ixquick« selbst wiederum speichert Ihre IP nicht ab und führt auch kein »Tagebuch« über sie – legt also kein so genanntes »Logfile« mit Ihrer IP-Adresse an.
Der absolute »Knaller« ist aber, dass man mit »ixquick« schon seit zwei Jahren anonym surfen kann. Denn sobald man früher die Suchergebnisse von »ixquick« verlassen und einen Ergebnis-Link angeklickt hatte, wurde die IP-Adresse natürlich von der gefundenen Webseite gespeichert. Seit Januar 2010 findet man unter dem jeweiligen »ixquick«-Suchergebnis jedoch auch noch einen kleinen unscheinbaren Link namens »Proxy«. »Proxy« heißt »Stellvertreter« und bedeutet, dass, wenn man hier drauf klickt, »ixquick« für einen surft. Das heißt, »ixquick« stellt einen Umweg bereit, über den man die betreffende Seite besuchen kann. Am besten testet man das mit einer Seite wie www.wieistmeineip.de, die einem die eigene IP-Adresse anzeigt:
- Zuerst man sucht in »ixquick« nach »meine IP-Adresse«.
- In der Ergebnisliste befindet sich an fünfter oder sechster Stelle www.wieistmeineip.de.
- Nun kann man entweder den Hauptlink des Suchergebnisses anklicken oder darunter den Link »Proxy« und sehen, welche IP-Adresse von der besuchten Seite jeweils angezeigt wird.
- Ergebnis: Klickt man auf »Proxy«, wird eine andere IP-Adresse angezeigt als bei dem Klick auf den Hauptlink. Quod erat demonstrandum.
Video über »ixquicks« Proxy-Service
Bis jetzt spricht alles dafür, dass »ixquick« unser Vertrauen verdient. Ansonsten gilt das im Internet überlebenswichtige Motto: Holzauge, sei wachsam. Und: Die besten Daten sind gar keine Daten.
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