Neu-Isenburg: Melzer, 2006. «SEMITedition» Broschiert, 207 Seiten

Um die Fragen, die dieses Buch analytisch klar behandelt, kommt kaum jemand herum.
Wann ist ein Krieg angebracht und gerecht? Wie ist während des Krieges zu verfahren? Was ist mit zivilen Opfern, den sogenannten Kollateralschäden? Was ist Torrorismus? Wie – wenn überhaupt – läßt er sich rechtfertigen? Was sind legitime Angriffsziele?
Der Autor zieht gleich zu Beginn einen Zahn: der "common sense" hilft in diesen Fragen oft nicht weiter. Es geht um schwierige Definitionen und Handlungsentscheidungen. Das Zahn-Ziehen ist vor allem für Bellizisten schmerzhaft, doch auch Pazifisten werden bei der Lektüre oft aufstöhnen.

Den Leser erwartet keine einfache Lektüre. Doch es lohnt sich den Argumentationen des Autors zu folgen. Er gibt eine Position für den Kriegseintritt gegen Nazi-Deutschland, gegen die Bombardierung von Städten ohne dem Kriegsziel zu dienen. Und er kommt zu ganz neuen Einsichten in der Bewertung des Terrorismus, die er auch gegen renommierte Autoren wie Elizabeth Anscombe, A. J. Coates oder Michael Walzer verteidigt.

Da die Argumente aufeinander aufbauen ist es kaum möglich den Inhalt des Buches hier darzulegen. Steinhoff schreibt in klarer Sprache und greift das Gelabbere mancher Autoren zu dieser Thematik an. Er vertritt eine liberale, aufgeklärte, individualrechtliche Position. Die Bedingung der Kriegsentscheidung durch eine legitime Autorität und die Nicht-Kombattanten-Immunität verwirft er und begründet dies.
Nicht immer muß man dem Autor folgen. Eine schwierige Frage ist, in wie weit Bürger einer kriegsführenden Nation für die Aggressionstaten ihrer Politiker und Generäle verantwortlich sind (S. 54f). Hier überschätzt Steinhoff doch die Einflußmöglichkeit des Einzelnen in der Demokratie. Auch die Gleichsetzung einer Tat und das Unterlassen einer Handlung (S. 85-87) geht mir zu weit oder ich habe es nicht genau durchschaut oder es müßte noch differenziert werden. Ich könnte jederzeit durch persönlichen Einsatz vor Ort Menschenleben retten. Ich unterlasse dies (aus bestimmten Gründen). Dies kann man wohl nicht mit der Ausführung einer Tötung (die ich hätte verhindern können) gleichsetzen. Steinhoff selbst argumentiert in einem Beispiel zur Organentnahme damit, dass einer "nur unaggressiv" da liegt (S. 124).

Die Beispiele sind zuweilen recht kompliziert, da die Interessensabwägung kompliziert ist.

Wer im Buch blättert und ziemlich am Anfang liest: "...verantwortlich ist man nicht nur für seine Taten, sondern auch und zunächst – da daraus alles weitere folgt – für seine Urteilsbildung" (S. 10) ist schon gezwungen dieses Buch zu lesen.

Das vierte Kapitel hätte eine bessere Gliederung gut vertragen. Das nüchterne Layout (keine Hervorhebungen, Zusammenfassungen, Zwischenerläuterungen) ist bei Fachbüchern weitverbreitet aber deshalb noch nicht sanktioniert. Zu loben ist das Literaturverzeichnis. Wer das Buch aufmerksam liest, kann sich diejenigen Werke anstreichen, die es wert sind zusätzlich gelesen zu werden.
Noch nicht dabei ist ein Werk der Harvard-Professorin Louise Richardson, das über Hintergründe aufklärt. Siehe richardsonLiteratur. Der Untertitel Zur Ethik des Krieges und des Terrorismus beschreibt am Besten was den Leser erwartet: eine Begründung für und gegen Kriege und Terrorismus und die Durchführung ohne Scheuklappen; mit vielen "wenn" und "aber", die aber meist in einer profunden Stellungnahme münden. Wer zu Krieg und Terror mitreden will muß dieses Buch lesen.

Hinweis: der englische Titel kam später. Moralisch korrektes Töten ist also die Originalausgabe.

 

Literatur
McMahan, Jeff (2004): "The Ethics of Killing in War". Ethics 114:4, S. 693-733.
McMahan, Jeff (2006): "Liability and Collective Identity: A Response to Walzer". Philosophia Naturalis 34:1, S. 13-17.
McMahan, Jeff (2006): "The Ethics of Killing in War". Philosophia Naturalis 34:1, S. 23-41.
McMahan, Jeff (2006): "Killing in War: A Reply to Walzer". Philosophia Naturalis 34:1, S. 47-51.
Russell, Bertrand (1915): "The Ethics of War". International Journal of Ethics 25:2, S. 127-142.
Walzer, Michael (2006): "Response to Jeff McMahan". Philosophia Naturalis 34:1, S. 19-21.
Walzer, Michael (2006): "Response to McMahan’s Paper". Philosophia Naturalis 34:1, S. 43-45.