Florian Rötzer 16.05.2015

Seymour Hersh berichtet, Bin Laden sei bereits seit 2006 Gefangener Pakistans gewesen, die Operation der Navy Seals sei mit Pakistan abgestimmt worden

Der bekannte investigative Journalist Seymour Hersh hat in einem Beitrag für London Review of Books die Darstellung der US-Regierung über die Tötung von Osama bin Laden angezweifelt (Obama benutzte Osama). Mit der verdeckten Aktion von Spezialeinheiten der Navy Seals, die angeblich ohne Vorankündigung der pakistanischen Regierung Bin Laden in seinem pakistanischen Unterschlupf in Abbottabad fangen sollten, aber ihn wegen versuchter Gegenwehr töten mussten und dann seine Leiche im Meer versenkten (Bin Laden tot.., Seltsame Informationspolitik des Weißen Hauses), konnte US-Präsident Obama 2011 vor der Wahl punkten. Schließlich war Ex-Präsident George W. Bush daran gescheitert, den vermeintlichen Drahtzieher der 11/9-Anschläge dingfest zu machen.

Bild1
Im Weißen Haus wurde die Mission angeblich live verfolgt. (Bild: Weißes Haus)

Hersh behauptet, dass Bin Laden seit 2006 der Gefangene des pakistanischen Militärs und des Geheimdienstes ISI gewesen sei. Zuvor habe er in den Bergen gelebt. Stammesführer hätten verraten, nachdem sie Geld erhalten hatten. Sie hätten ihn benutzt, um die Taliban und al-Qaida in der Region zu beeinflussen, und er wäre ein Pfand gewesen, um die US-Regierung bei geeigneter Gelegenheit zu einem Handel zu zwingen. Für Hersh ist die offizielle Erzählung eine Geschichte, die von Lewis Carrol geschrieben sein könnte. Hätte sich bin Laden, der weltweit gesucht wurde, ausgerechnet in einer Stadt nahe Islamabad versteckt, um von dort aus al-Qaida zu lenken?

Hersh, der sich auf angeblich anonyme Geheimdienstquellen und auf Äußerungen des Ex-Generals Asad Durrani stützt, stellt vor allem in Zweifel, dass die Killmission ohne Wissen des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes durchgeführt wurde. Er verweist auf andere Journalisten, deren Quellen anderes behaupten. Die Amerikaner, so die Behauptung von Hersh, hätten herausgefunden, dass Pakistan Bin Laden gefangen hielt. Aber es seien nicht die Boten gewesen, die den Aufenthaltsort von Bin Laden verraten haben, sondern ein Geheimdienstoffizier, der die 25 Millionen US-Dollar einstreichen wollte, die auf Hinweise zu Bin Laden ausgeschrieben waren. Er habe auch berichtet, dass Bin Laden ein "Krüppel" sei, was Hersh auch zweifeln lässt, ob er sich überhaupt hätte zur Wehr setzen können, wie das Weiße Haus behauptete.

Man habe das pakistanische Militär schließlich dazu gebracht, der Tötungsmission zuzustimmen und die US-Hubschrauber einfliegen zu lassen. Die Wachen sollten abgezogen werden, sobald die Hubschrauber sich näherten. Der Strom in der Stadt sei abgeschaltet worden. Der Hubschrauber sei nicht aufgrund von Kämpfen abgestürzt, es habe auch keinen Schusswechsel beim Betreten der Anlage gegeben. Mit den Navy Seals sei ein pakistanischer Geheimdienstmitarbeiter geflogen. Man habe gewusst, wo sich Bin Laden aufhielt und ihn exekutiert. Die Navy Seals seien verpflichtet worden, nicht die Wahrheit zu berichten.

Bild2
Bin Laden sieht Videos. (Bild: DoD)

Probleme habe es mit den Saudis gegeben, die nicht wollten, dass der Aufenthaltsort den Amerikanern bekannt gemacht würde, weil er ein saudischer Bürger war und weil sie nicht wollten, dass er über die saudischen Verbindungen mit al-Qaida in Verhören berichtet. Das Weiße Haus habe lange gezögert, weil man unsicher war, ob der Bewohner des Hauses tatsächlich Bin Laden ist, bis ein Arzt, der einen Teil der Belohnung einstrich, eine DNA-Probe lieferte. Zunächst wollte man die Version präsentieren, Bin Laden sei durch einen Drohnenangriff getötet worden, aber das Weiße Haus habe sich nicht daran gehalten, weil die Story von der verdeckten Mission, bei der Bin Laden ums Leben kam, politisch besser gewesen sei.

Das Resümee von Hersh: "Das Lügen von oberster Stelle bleibt der modus operandi der US-Politik, zusammen mit Geheimgefängnissen, nächtlichen Operationen von Spezialeinheiten, dem Übergehen der Kommandokette und dem Ausschluss von denen, die Nein sagen könnten."