Eskalierende Rhetorik – unnachgiebige Rothemden

Eine thailändische Sondereinheit hat versucht, einige Anführer der oppositionellen Rothemden zu verhaften. Die Aktion scheiterte, und die «Roten» nahmen im Gegenzug zwei hochrangige Polizeioffiziere als Geiseln.

Kurt Pelda, Bangkok

Eine thailändische Sondereinheit hat vergeblich versucht, zur Verhaftung ausgeschriebene Anführer der «roten» United Front for Democracy against Dictatorship (UDD) festzunehmen. Seit kurzem bezeichnet die Regierung von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva «rote» Rädelsführer offiziell als Terroristen, weil diese die Demonstranten bei den Strassenschlachten vom letzten Samstag zur Gewalt angestachelt hätten. Dabei seien auch Schusswaffen gegen die Armee eingesetzt worden. Von den 24 Todesopfern der Krawalle kamen allerdings die meisten durch Schüsse aus Armeewaffen um.

Abseilen am Elektrokabel

Die Kommandoaktion gegen den «terroristischen» Schlupfwinkel in einem Bangkoker Hotel scheiterte kläglich. Die Rothemden hatten offenbar rechtzeitig Wind von der Sache bekommen und ermöglichten ihren Anführern die Flucht. Der bekannte Heisssporn Arisman Pongruangrong seilte sich mit Hilfe eines Elektrokabels von einem Balkon ab. Der ehemalige Schlagersänger war nicht nur für die kurzzeitige Besetzung des Parlaments vor zehn Tagen verantwortlich, sondern hatte auch eine massgebliche Rolle vor einem Jahr gespielt, als die «Roten» einen Gipfel der Association of Southeast Asian Nations im Badeort Pattaya stürmten. Er ist aber innerhalb der UDD umstritten. Den Sicherheitskräften gelang am Freitag keine einzige Festnahme, während die «Roten» am Ort des Geschehens zwei hochrangige Polizeioffiziere gefangen nahmen.

Nach dem Debakel vom letzten Samstag haben die Sicherheitskräfte damit eine weitere schmerzliche Schlappe erlitten. Dies liegt auch daran, dass die UDD sowohl die Polizei als auch die Armee erfolgreich infiltriert hat. Der Armeechef Anupong Paochinda sieht sich innerhalb der Streitkräfte und im konservativen Establishment wegen der Misserfolge seiner Soldaten Kritik ausgesetzt. Ihm wird vorgeworfen, die Rothemden zu wenig hart angefasst zu haben. Ins Schussfeld ist Anupong auch geraten, weil er Verhandlungen mit den «Roten» gefordert hatte. Er sagte vor kurzem öffentlich, dass er in Neuwahlen eine politische Lösung des Konflikts sehe. Die UDD verlangt die sofortige Auflösung des Parlaments, damit so schnell als möglich Wahlen stattfinden können.

Am Freitag demonstrierten auch schätzungsweise 5000 in Rosa gekleidete Regierungsanhänger vor einer Bangkoker Kaserne, in die sich Ministerpräsident Abhisit schon vor Wochen abgesetzt hat. Rosa ist die inoffizielle Farbe des Königs. Die Demonstranten riefen die Regierung auf, endlich gegen «Terroristen» und gewaltsam Protestierende vorzugehen. Zudem verlangten sie von der Armee, dass diese die Befehle der Regierung ausführt – ein weiterer Schuss vor den Bug von Armeechef Anupong.

Eine dritte Kraft?

Die mehreren zehntausend Rothemden haben ihre Kräfte in Bangkok inzwischen gebündelt. Sie gaben ihren «Stützpunkt» im Regierungsbezirk auf und konzentrierten sich ganz auf die Ratchaprasong-Kreuzung im zentralen Geschäftsviertel. Im Gegensatz zum Regierungsbezirk mit seinen breiten Alleen ist das Stadtzentrum wegen der vielen Hochhäuser unübersichtlicher und leichter zu verteidigen. Zudem halten sich dort fast immer auch Ausländer auf. Ein gewaltsames Vorgehen an der Kreuzung hätte wahrscheinlich viel grössere wirtschaftliche Schäden zur Folge, weil sich in deren Nähe neben Luxushotels auch Bangkoks teuerste Kaufhäuser befinden. Diese könnten die «Roten» notfalls sogar als Rückzugsgebiete nutzen.

Vor der missglückten «Kommandoaktion» hatte der stellvertretende Ministerpräsident Suthep Thaugsuban die UDD-Anhänger im Geschäftsviertel aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Bald würden die Sicherheitskräfte auch dort gegen «Terroristen» vorgehen. Ob dieser rhetorischen Eskalation nach dem jüngsten Debakel auch Taten folgen werden, bleibt abzuwarten.

Nach wie vor unbeantwortet ist die Frage, wer die Männer waren, die am Samstag 40-Millimeter-Granaten auf die Befehlszentrale der Armeeaktion gegen die «roten» Demonstranten abgefeuert hatten. Dabei war unter anderem der kommandierende Offizier getötet worden. Bereits in der Vergangenheit hatten Unbekannte, die möglicherweise mit einem bekannten Mafioso und «roten» Armeegeneral liiert sind, Einrichtungen der Sicherheitskräfte mit Gewehrgranaten beschossen. In den letzten Tagen beschädigten unbekannte Täter ausserdem drei Hochspannungsmasten mit Sprengkörpern. Den «Terroristen» sei es darum gegangen, Bangkoks Stromversorgung zu kappen, liessen die Behörden verlauten. Auch diese Taten könnten auf das Konto einer mit den «Roten» alliierten dritten Kraft im Militär gehen.


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