Jeder, der sich ein wenig näher mit der thailändischen Kultur beschäftigt hat – egal of als Langzeittourist oder Resident – weiss, dass Aberglaube jeglicher Couleur unter der Bevölkerung unseres Gastlandes ausserordentlich weit verbreitet ist. Das beschränkt sich auch nicht lediglich auf die proletarischen Massen, sondern umfasst selbst die Kreise der einheimischen Elite. Auf den meisten Grundstücken findet sich das sogenannte »Geisterhäuschen«. Jenes beherbergt den Geist, der das Stück Land vor der Vereinnahmung durch Menschen bewohnt hat. Um ihn zu besänftigen – und vor allem, um ihn dazu anzuregen, eine schützende, glückbringende Hand auszuhalten – wird ihm daher ein neues Domizil in einer besonders schönen Ecke zur Verfügung gestellt. Regelmässige Opfergaben von Speisen, Getränken und Blumen halten den Geist bei Laune. Ausserdem erweist man dem potentiell niederträchtigen, da ungefragt ausquartiertem, Bodengeist entsprechenden Respekt. Das haben Sie sicherlich schon einmal in Nana Plaza beobachtet, geneigter Leser, wo das opulente Geisterhäuschen neben der rechten Rolltreppe steht. Die absolute Mehrheit der Barmädchen entbietet dem Häuschen einen “Wai” wenn sie es passieren.
Doch wie gesagt: Es sind nicht nur die unteren Schichten der Thais, die an Geister glauben. Vor einigen Jahren gelobte die Gattin eines hohen Tieres, sie würde splitterfasernackt vor der Statue des vierköpfigen Elefantengottes an der Erawan-Kreuzung neben dem Sogo Department Store tanzen falls ihrem Ehemann eine bestimmte hohe Position in der Regierung zuteil würde. Das geschah dann auch (“er” wurde Premierminister) und sie folgte ihrem Gelübde, wobei der gesamte Schrein durch schwere Vorhänge abgeschirmt wurde. Die Treuherzige wollte ungestört huldigen.
Überhaupt können Sie fast jeden Thai fragen, ob er schon jemals einen Geist gesehen hat. Die meisten werden das bejahen und schwören Stein und Bein, dass Thailand von verschiedensten Geistern nur so wimmelt. Das können göttliche Kreaturen sein, genausogut aber die Manifestationen eines unter tragischen Umständen zu Tode gekommenen Menschen. Unter den ekelhaftesten Erscheinungen dieser Art ist der »Pii Krasue«. Bei diesem handelt es sich um den weniger freundlichen Geist einer Frau, die in den Wehen ums Leben kann. Jener manifestiert sich als ein in der Luft schwebender Kopf dessen Halsansatz durch das gesamte Sammelsurium menschlicher Organe erweitert ist, die er hinter sich herzieht. Alsdann haben wir den »Pii Kret«, der sich als menschliche Gestalt manifestiert, deren Mund jedoch zu einer winzigen runden Öffnung verkümmert ist. Dieser Geist ist die thailändische Version eines Vampirs, denn er tut nichts lieber als sich am Blut Schlafender zu laben. Darf man guten Gewissens annehmen, dass diesen Sichtungen eher Weingeist zugrunde liegt….?
Ich selbst habe bereits einmal einen Geist zu Gesicht bekommen. Das war vor Jahren in einem Hotel in Phitsanulok. Ich hatte am Abend zuvor kräftig gebechert. Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich einen Druck auf meiner Brust spürte und mir das Atmen schwer fiel. Ich öffnete meine vier Augen und dort sass denn auch der winzige Körper einer Art Affe mit dem unproportionell riesigen Kopf einer Frau mit langen, gebleckten Zähnen. Es starrte mich an. Die Schelme unter den Lesern werden nun lachen, dass das wohl die vermeintlich ansehnliche Dame aus der Bar gewesen sein muss, die ich in meinem Suff mitgenommen hatte und die mir nach dem Abflachen des Alkohols nun gar nicht mehr so schön vorkam. Dagegen muss ich kontern: Als nicht abergläubischer Mensch stufte ich diese Kreatur eher als das halluzinöse Resultat meiner Bartour ein. Immerhin verblasste das Ding nach einigem Blinzeln und löste sich in Nichts auf. Seltsam an der ganzen Sache ist, dass ich am nächsten Morgen einigen Hotelangestellten die Erscheinung beschrieb. Wie aus der Pistole geschossen identifizierten sie die »bleckende Affendame« einstimmig als »Pii so-und-so«. Leider kann ich mich an die genaue Bezeichnung nicht mehr erinnern. Auf jeden Fall wurde mir bedeutet, ich wäre nicht der erste Gast gewesen, dem sie »auf die Brust ging«. In dem betreffenden Zimmer wäre fast zehn Jahre zuvor eine Frau ermordet worden. Ich kratzte mir skeptisch den Kopf und glaube bis heute noch nicht, dass das, was ich in jener schicksalhaften Nacht zu Gesicht bekam, ein realer Geist war.
Thailändischer Aberglaube beschränkt sich nicht ausschliesslich auf die Sichtung geisterhafter Wesen. Oft erkennen Einheimische in offensichtlich mondänen Situationen etwas Spirituelles. Vor einigen Jahren machte eine schlichte Eidechse Schlagzeilen. Jene wurde von einer Mutter entdeckt als sie über das Grabmal ihres kürzlich verstorbenen jungen Sohnes kletterte. Ergo erkannte die trauernde Mutter das Reptil nullkommanix als die Reinkarnation des Sohnes und nahm es mit nach Hause. Damit begann das Delirium der bemitleidenswerten Kreatur. Bei näherem Betrachten der Rückenschuppen des Tieres bemerkte die Mutter nämlich, dass dort ein blasses Muster auszumachen war, das wie Lotterienummern aussah! Man stelle sich vor, Lotterienummern! Diese Neuigkeit verbreitete die Dame auch sogleich unter den Nachbarn, was selbstverständlich über kurz oder lang enorme Kreise zog. Nach kurzer Zeit wurde das Haus unserer Heldin buchstäblich von Hundertschaften finanziell bedürftiger Leute belagert. Jeder durfte den Rücken des »wiedergeborenen Sohnes« reiben, um damit die Zahlen deutlicher hervortreten zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass der Rücken der Eidechse bald wundgescheuert und blutig war. Die Rettung erfolgte durch Beamte des staatlichen Veterinäramts, die durch Zeitungsberichte aufmerksam geworden waren. Was für ein Glück für das Reptil, das nach Kurierung in einem Waldstück ausgesetzt wurde und wahrscheinlich niemals wieder auf Grabsteine klettern wird.
Seltsame, irdische Kreaturen sind sowieso eine weitere Spezialität unserer abergläubischen Gastgeber. Der Abt eines Klosters in Nordthailand verlautbarte, er besitze präservierte Spezimen von sogenannten »Fischelefanten«. Darunter versteht man winzige Elefanten, circa 15 Zentimeter lang, die Fischen gleich in bestimmten Flüssen unseres gelobten Landes leben. In diesem Fall handelte es sich um den Salween-Fluss, der im Inneren Myanmars (Burmas) entspringt und dann über die Grenze nach Thailand meandert bevor er sich in einen der hiesigen Ströme ergiesst. Respektable Zeitungen wie »Thai Rath« publizierten gar Fotos dieser der Wissenschaft bislang entgangenen Tierart. Aus bisher ungeklärten Gründen verweigerte der Abt allerdings eine genauere Untersuchung der eingemachten Kreaturen durch angereiste Biologen. Es ist zudem ein Mysterium weshalb man »Fischelefanten« nur auf der thailändischen Seite des Salween findet. Man darf vielleicht annehmen, dass ihnen die burmesischen Behörden Visa kategorisch verweigern und sie deshalb nicht flussaufwärts schwimmen dürfen.
Nicht zu vergessen ist unter Umständen die Frucht »Makaliphon«, die von einem Baum kommt, der urspünglich in der Himalayaregion beheimatet war, heutzutage aber nur noch in Thailand wächst, da ihm hier das Wetter und die Abergläubigkeit der Menschen besser behagen. »Makaliphon« wächst in der Form eines Menschen mit Kopf, Körper und Gliedmassen. Wenn sie reif ist, fällt die Frucht zu Boden und erwacht zum Leben. Daraufhin sucht sie schleunigst das Weite und integriert sich in die allgemeine Bevölkerung. »Makaliphon« ist entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts, was erklären dürfte, weshalb wir Nachteulen in den hiesigen Bars so oft auf »ausgekochte Früchten« stossen.
Um mein diesmaliges Thema auf die Spitze zu treiben: Wie wäre es mit etwas Muttermilch? Ja, richtig gelesen, geneigter Leser! Pissamai Trapsukhorn (siehe Foto), eine selbsternannte Wahrsagerin und ein Geistermedium aus einem Bangkoker Aussenbezirk, erklärt, dass sie mit ihren 71 Jahren immer noch laktiert. Für läppische 600 Baht dürfen Sie bei Bedarf an ihren Brüsten nuckeln. Pissamai behauptet, ihre Milch besässe die wundersame Fähigkeit eine Phalanx von Krankheiten von Krebs bis hin zu Impotenz zu heilen und ewiges Leben zu bescheren. Na, wenn das keine 600 Baht wert ist! Ein rascher Blick eines meiner Journalistenkollegen in Pissamais luxuriös bemöbeltes Haus liess allerdings den Verdacht aufkommen, dass ihre »Molkerei« nur eines heilt: Ihr Bankkonto. Ein Gynäkologe in Bangkoks Chulalongkorn Hospital fasste sich kurz: »In aller Regel kann eine Frau über 40 keine Muttermilch mehr produzieren, obschon es Ausnahmen gibt, wenn der Hormonspiegel der Betreffenden aussergewöhnlich hoch ist.« Schön und gut. Die gute Pissamai ist also eine Ausnahme. Und nicht von schlechten Eltern. Sie behauptet nämlich ausserdem, sie wäre ein weiblicher Engel, die aus dem buddhistischen Olymp auf die Erde verbannt wurde weil sie unerlaubten Sex (!) mit einer Gottheit praktiziert hätte. Na, na, na, jetzt aber einmal halblang mit den jungen Pferden, ausser sie lassen sich wirklich diesen Bären aufbinden, geneigter Leser. Sollte es Sie in der Tat danach dürsten, Unsterblichkeit zu erlangen, können Sie mit dem »gefallenen Engel« einen Termin zum Nuckeln vereinbaren. Ihre Telefonnummen sind 02-589-5000 oder 02-589-7658. Wer weiss, vielleicht kann man Sie dadurch noch von ihrem täglichen, gigantischen Alkoholkonsum abbringen und Sie leben wirklich ein bisschen länger. Wohl bekomm’s!