Die Stimme der Presse:
Schlecht für Thailands Image
Die Pressefreiheit im “Land der Freien” wurde in letzter Zeit arg gebeutelt. Zwar hat unser Premierminister seine zig Gerichtsklagen in Milliardenhöhe gegen den Medienzar Sondhi Limthongkul und andere prominente Journalisten inzwischen zurückgezogen, aber ein gutes Beispiel hat er mit den Klagen an sich sicherlich nicht gesetzt. Sowohl nationale als auch internationale Pressevereinigungen setzten die Klagenflut gar mit einem blatanten Versuch der Regierung gleich, die lokalen Medien quasi mundtot zu machen indem man sie einschüchtert. Klar, dass weder Herr Thaksin noch irgendeiner seiner Spiessgesellen solch einen Vorsatz zugaben. Es bedurfte einer Ermahnung des Königs in seiner diesjährigen Geburtstagsansprache, die eindeutig auf den gegen Kritik allergischen Premierminister abzielte. Im Kurztext befand Seine Majestät, dass selbst er, der König, Kritik an seiner Person nicht nur erlaube, sondern sogar wünsche. Es täte aus diesem Grund auch anderen Parteien keinen Abbruch, sich mit Kritik auseinanderzusetzen anstatt zu versuchen sie zu unterbinden. Ergo Herr Thaksins unerwarteter Rückzieher. Aber er ist halt nun einmal eine wahre Mimose wenn es zu Kritik an ihm oder seiner Regierung kommt. Immerhin hat er die lokal vertretenen Medien kürzlich davon unterrichtet, dass er bis zum Jahresende keine Pressekonferenzen mehr geben, geschweige denn Fragen des verruchten Pressekorps beantworten werde. Der Grund für dieses selbstauferlegte Stillschweigen? Nun, Herrn Thaksis Geburtsstern ist bis Ende 2005 von Merkur überschattet. Der Führer meinte, dass diese unheilselige Konstellation sein Argumentationsvermögen beeinträchtigen würde. Unterdessen lässt es sich der Pemier aber nicht nehmen, die Nation weiterhin mit seinen wöchentlichen Radioansprachen zu verzücken. Bei diesen redet ihm nämlich keiner dazwischen oder stellt gar peinliche Fragen.
Dabei beschwören sowohl der Führer als auch etliche seiner ach so qualifizierten Minister redliche Kritik allzuoft selbst. Zum Beispiel gibt es da den ehrenwerten Minister für menschliche Sicherheit und soziale Entwicklung, Herrn Watana Muangsook, der die thailändischen Ehefrauen kurz vor dem Loy Krathong-Tag dazu aufforderte, sie sollten sich in Zukunft doch gefälligst zumindest einmal täglich vor ihren Gatten prokrastrinieren - d. h. den Kotau machen - als Zeichen ihrer hingebungsvollen Loyalität. In etwa im selben Zeitraum machte die begabte Kulturministerin, Frau Uraiwan Thienthong, den ohrenschlackernden Vorschlag, in Einkaufszentren buddhistische Bet- und Meditationsräume einzurichten, um die Menschen auf diese Weise wieder an die Hauptreligion des Landes anzunähern. Bravo, Frau Uraiwan! Ein lärmgeschwängertes, vom Kommerz verseuchtes Kaufhaus ist sicherlich der richtige Ort, um die auf stiller Meditation und den Verzicht auf irdische Güter und Gelüste beruhende Lehre Buddhas unter das Volk zu bringen. Um nochfalls auf den nimmermüden Herrn Watana zurückzukommen: Jener war es auch, der vor noch nicht allzu langer Zeit den irrwitzigen Plan vorlegte, einige Hauptstrassen Bangkoks zu bestimmten Nachtzeiten zu sperren um sie jugendlichen Motorradrasern als Rennbahnen zur Verfügung zu stellen. Oder, so meinte der Minister, man könne vielleicht auch die Landebahnen des noch nicht eröffneten Flughafens dazu designieren. Zudem gibt es dann auch noch die kapriolenhafte Regelung, die es untersagt, zu bestimmten Nachtzeiten Benzin an Tankstellen abzugeben, um damit den horrenden Edölrechnungen Thailands entgegenzuwirken. Oder wie wäre es mit dem Gesetz, das es untersagt, zu gewissen Zeiten alkoholische Getränke zu verkaufen. Dies, wohlgemerkt, mit der noblen Absicht, den grassierenden Alkoholismus unter Thailands verdorbener Jugend zu bekämpfen. Um die Ironie dieser Reglung in vollem Umfang zu begreifen, muss man aber wissen, dass Alkohol jederzeit frei käuflich ist solange die Gesamtmenge 10 Liter oder mehr beträgt. Also wirklich, wenn ich es als alkoholsüchtiger Jugendlicher nicht zustande bringe, 10 Liter Spirituosen über einen (volljährigen) Mittelmann kaufen zu lassen, um in Zeiten der Not einen aurseichenden Vorrat zu besitzen, dann kann ich mich gleich zur leberzhirroiden Ruhe setzen!
Sagen Sie einmal, geneigter Leser, darf man über solche Hirnrissigkeiten eigentlich auch nur ein Wort abgedruckter Kritik verlieren, oder muss man wirklich nur allenthalben die Schnauze halten und sich lediglich in Lobhudeleien regierungsamtlicher Geistesblitze ergehen? Ist es nicht gerade eine der wichtigsten Aufgaben einer freien Presse, auf solche Wirrköpfigkeiten hinzuweisen und sie zur Sprache zu bringen? Hat man als verantwortungsvoller Journalist nicht die Verpflichtung, Misstände jedwelcher Natur aufzudecken, vor allem in einem Land, das sich seiner Verfassung brüstet und sich als Demokratie bezeichnet?
Misstände. Davon gibt es im “Land der Freien” leider allzu viele; vor allem auch der korrupten Art. Wir brauchen nicht noch einmal auf den Scannerskandal einzugehen, in den angeblich ein früherer Transportminister verwickelt war, der nunmehr – anstatt bestraft und aufs Abstellgleis geschoben zu werden – als stellvertretender Premierminister weiterwaltet. Wir wollen auch nicht mehr erörtern, dass das Strassenbauamt feststellte, dass über 80 % neuer Strassenprojekte unterhalb des vertraglich auferlegten Standards gebaut wurden. Die eingesparten Materialien wurden selbstverständlich dem Staat voll in Rechnung gestellt. Die dadurch erzielten Überschüsse fliessen in dubiose Taschen. Wir wollen uns auch nur kurz daran erinnern, dass die Schwester des Premiers angeblich eine ganze Clique ihrer Bangkoker Freunde mit Militärmaschine zur Hauseinweihung und Geburtstagsfeier nach Chiang Mai einfliegen lassen durfte. Selbst das hatte natürlich alles seine Richtigkeit, obgleich sich die inländische Presse tierisch darüber aufgeregt hatte. Immerhin, so stellte der Verteidigungsminister fest, könne ja “jedermann” einen Sitzplatz auf einer der regelmässig zwischen Bangkok und Chiang Mai verkehrenden Transportmaschinen ergattern. Nur frühzeitig anmelden müssen man sich…. Also, geneigter Leser: Wenn Ihnen Thai Air Asia zu teuer ist, wissen Sie, was Sie zu tun haben wenn Sie das nächste auf einen Ausflug nach Chiang Mai Lust haben. Und zu guter Letzt beglückte uns auch die thailändische Touristenbehörde TAT mit der Ankündigung, dass man den Jahrestag der Tsunamikatastrophe im Lande so richtig festlich zu begehen beabsichtige. Man dachte da an Jahrmärkte allerorten, an Ringelpiez mit Wein und Gesang. Offensichtlich wurden diese geschmacklosen Pläne inzwischen verworfen, denn die Presse hatte sich mal wieder aufs neue mokiert. Eine fröhliche Feier zum Gedenken an tausende von Toten, also bitteschön! Stattdessen soll der Jahrestag nun gebührlich mit besinnlichen Gedenkzeremonien begangen werden.
Trotz all dieses Irrwitzes ist die thailändische Regierung wie seit jeher darum bemüht, das Image und Ansehen des Landes in der Welt aufrecht zu erhalten und zu kultivieren. Dass unüberlegte Kommentare – wie beispielsweise jener des Führers, die Schiedsrichter während der kürzlichen SEA Games hätten oft zugunsten der Philippinen entschieden und Thailand wäre deswegen in Sachen Medaillensegen zu kurz gekommen – das so sehr gebeutelte Image Thailands aber möglicherweise weiter abschaben, daran denken leider nur wenige unserer Grosskopferten. Auch nicht, dass Berichte über galloppierende Korruption, geschmacklose Festivitäten, hirnrissige Gesetze, blatante Missachtung von Menschenrechten, offizielles Dementieren von Ausbrüchen der Hühnergrippe oder schlichtum schwachköpfige Vorschläge aus bestimmten Ministerien der Imagekorrosion schwerlich entgegenwirken.
Stattdessen trägt man das Gefecht lieber (und leider immer öfter) auf den Köpfen der feindseligen, ausländischen Medien aus. Vor wenigen Tagen traf es die Autoren des Bangkok-Führers “Bangkok Inside Out”, obgleich das Buch auch unter intellekten Thais mittlerweile schon beinahe ikonenhaften Status erlangt hat. Das Buch wurde aus sämtlichen Buchläden im Lande verbannt, der Verkauf unter Geldstrafe gestellt. Die Direktorin des Kulturüberwachungszentrums des Kulturministeriums, Frau Ladda Tangsuphachai, erklärte den Grund für die Indizierung nach der alten Leier: “Bangkok Inside Out schädigt das Image Thailands und seiner Bewohner.” Weshalb? Halten Sie sich fest geneigter Leser, sonst fallen Sie vom Stuhl. Das unsägliche Werk stellt in einigen kurzen Absätzen fest, dass es in Bangkok von Prostitution nur so wimmelt und dass viele unterprivilegierte Thais der Trunk- und Spielsucht verfallen sind. Freilich weisen die beiden Autoren Daniel Ziv und Guy Sharett darauf hin, dass es in Bangkok weitaus mehr zu erleben gibt als sich nur in Puffs zu begeben, so zahlreich diese auch sein mögen. Zudem stellen sie klar, dass Saufen, Kartenspiel und illegale Lotterie – obschon weit verbreitet in unteren Gesellschaftsklassen – keineswegs zum Alltag eines Durchschnitts-Bangkokers gehören. In ihrem ironischen Stil warnen Ziv und Sharett ausserdem vor sogenannten “Jewelry Scams” (Edelsteinbetrügereien), denen schon so mancher unbedarfte Tourist zum Opfer fiel. Selbstredend weist das Autorenduo aber auch hier darauf hin, dass nicht JEDER Urlauber mit Edelsteinen über den Leisten gezogen wird und dass nur einige Läden diesen kriminellen Nepp betreiben. “Wer sich nicht allzu leichtgläubig und profitsüchtig gibt, dem wird die Erfahrung höchstwahrscheinlich erspart bleiben,” schliessen sie.
Nun dürfen wir uns einmal wieder fragen, geneigter Leser: Worin kann das Kultusministerium in den Ziv-Sharett’schen Ergüssen nur eine Gefahr für das Image Thailands erfasst haben? Ist es nicht allgemein bekannt, dass man in Bangkok an jeder Ecke Prostitution vorfindet? Dass die ungewaschenen Massen dem Glücksspiel und dem “Lao Khao” frönen? Dass jeder regelmässige Besucher Thailands zumindest einen Zeitgenossen kennt, der mit Edelsteinen betrogen wurde? Ist das schlichte Nennen der Fakten in einem ungeheuer witzig und ironisch geschriebenem Buch Grund genug, es auf den Index zu setzen? Sind nicht die schiere Existenz allgegenwärtiger Prostitution, illegalen Glücksspiels, überproportionalen Alkoholismus’ einschliesslich seiner gewalttätigen Nebenerscheinungen und das freie Werkeln von Edelsteinbetrügern eher greifbare Ursachen für eine potentielle Imageschädigung? Man kann nicht über etwas schreiben, was nicht existiert, ausgenommen ist ein Konsalik oder Stephen King. Die Herren Ziv-Sharett, unterdessen, haben lediglich Tatsachen beschrieben.
Etwas weiterblickend habe ich mich nach Inerfahrungbringung des Buchbanns in den nächstgelegenen Laden von “Asia Books” begeben. Und siehe da! Es offenbarte sich mir ein ganzes Regal von lokal verlegten Büchern. Die Hälfte davon beschäftigte sich entweder als Tatsachenbuch oder fiktiver Roman um die fleischlichen Gelüsten der Hauptstadt. Auf mehr als einem Drittel der Umschläge prangte gar das entfremdete oder naturgetreue Bild einer einheimischen Maid, mal mehr, mal weniger bekleidet. Selbst die “Bibel des überzeugten Sextouristen”, das englischsprachige Buch “Hello, My Big Honey!”, in dem authentische Briefe von Barmädchen an ihre Freier aus aller Welt veröffentlicht sind, einschliesslich der Tricks und Lügen, mit denen die Girls Geld erbetteln und ihre Herzbuben im Dunkeln über ihre wahren Lebens- und Liebesumstände lassen, kann weiterhin frei verkauft werden. Na, wenn das nicht ein imageschädigendes Machwerk ist, dann weiss ich auch nicht mehr! Immerhin wirft es ja nicht gerade ein sehr sanftes Scheinwerferlicht auf die Methoden dieser Klasse von “Damen”. Vielleicht dürfen wir erwarten, dass sich alsbald einer unserer genialen Minister dafür ausspricht, auf dem Platz vor dem Grossen Palast eine grossangelegte Bücherverbrennung nach Art der … na, Sie wissen schon!… zu veranstalten. Am besten werfen wir auf den lodernden Haufen auch noch ein paar dieser Journalisten, die nichts besseres im Sinn haben, als das Image des Landes in hinterhältigster Weise zu untergraben – indem Sie die Wahrheit zu Paper bringen!