Meine dieswöchige Kolumne wäre beinahe in die Hosen gegangen. Als ich meine literarischen Eingebungen niederlegen wollte, machte plötzlich mein Computer schlapp. Schlapp ist gar kein Ausdruck. Einen vollkommenen, nahezu klassischen Absturz, erlebte er, und ich sass wie der Ochs vor dem Berg. Ratlos, geschockt, frustriert. Nach zwei langen nervtötenden Nächten - ausgefüllt durch das unumgängliche Löschen meiner Festplatte, Neuinstallierung von Windows XP und der wichtigsten Zusatzprogramme und Intusnahme etlicher Frust-Whiskies – bin ich nun über den sprichwörtlichen Berg. Der vermaledeite Kasten läuft wieder. Es ist wirklich erstaunlich wie abhängig man heutzutage doch von diesem Stück Technik ist. In der guten alten Zeit, meinen Beginnerjahren als Journalist, begnügte ich mich mit einem Bleistift, Notizblock und einer klapprigen, mechanischen Olympus-Schreibmaschine.

Wie gut, dass ich in meiner Abhängigkeit nicht mutterseelenallein bin. Eine wachsende Anzahl unserer eloquenten einheimischen Jugend verbringt mehr und mehr Zeit in Internetcafes anstatt sich auf die Schule zu konzentrieren. Besonders das Online-Spiel »Ragnarok« erfreut sich einer riesigen Anhängerschaft unter jungen Thais. Geradezu süchtig ist man nach dem Spiel, so sehr, dass das Kommunikationsministerium deswegen gar eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Zukunft des Landes diagnostizierte. Als Entziehungskur hat das Ministerium eine tägliche Blockierung des Spiels vom 15. Juli bis 30. September verordnet, jeweils zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens. Nicht nur den Schlendrian sondern auch potentielle Gewalttätigkeit würde das Spiel fördern, liess man zur Rechfertigung verlauten. Klar, dass die Massnahme bei den Süchtigen selbst auf wenig Verständnis stiess. Es wäre eine “ernstzunehmende Einschränkung der Freiheitsrechte” tönte der Chor der Betroffenen.

Vielleicht um potentiell gewalttätigen Gedanken vorzubeugen, sprang das Kultusministerium in die Bresche. Die dortigen Schreibtischhengste meinten, man solle sich doch wieder Thailands Image als »Land des Lächelns« erinnern. Man hat angekündigt, demnächst mit einer grossangelegten Kampagne zu versuchen, die Mitbürger zu intensiverem Lächeln zu bewegen. Dabei können wir als Langzeitresidenten oder Touristen darüber doch eigentlich gar nicht klagen. Wie verzückt ist doch das Lächeln der Thais, wenn sie uns einen völlig überhöhten Preis für das falsche Seidenhalstuch aus der Nase ziehen. Wie charmant ist doch die nette Verkäuferin, wenn sie uns zehn Baht mehr als einem Einheimischen für unseren Teller gebratenen Reis berechnet. Und wir lächeln selbstverständlich zurück. Man muss sich ja den Sitten des Landes anpassen, oder?

Das gleiche, tiefgründige Lächeln begegnet uns mit Nok aus der Bar, sobald wir ihr unsere unerschütterliche und tiefehrliche Liebe durch das Zustecken von einigen Geldscheinen beweisen. Natürlich entgeht uns für gewöhnlich das thailändische Sprichwort, das Nok ihren Freundinnen zitiert: »Ti baan nohk chan liang khwai. Ti Krungthep chan mi khwai liang!« (Zuhause füttere ich den Wasserbüffel. In Bangkok füttert der Wasserbüffel mich!).

Doch orientalischer Humor soll uns nicht im geringsten davon abhalten, weiter unbekümmert, bisweilen mit büffelhafter Gleichgültigkeit, unsere Runden durch Bangkoks Nachtleben zu ziehen. Dabei sollten wir uns beeilen, denn in letzter Zeit wird die Szene zunehmend kleiner. Das begann mit der Demolierung der Bierbars der Sukhumvit Plaza im Januar. Es setzt sich fort mit dem bald anstehenden Abriss des Areals der Asoke Plaza. Und selbst das “International Beer House” (IBH) in der Sukhumvit Soi 23, eine Bangkoker Institution für über 20 Jahre, geht gegen Ende Juli in die ewigen Jagdgründe ein. Gemäss Insidererkenntnissen wurde das gesamte Land vom IBH bis zur Hauptstrasse von einem indischen Landspekulanten erbeutet. Angeblich soll ein neues Einkaufszentrum, von denen wir noch immer zu wenige haben, erstehen, wo der enthusiastische Tourist dann seine falschen Seidenschals von lächelnden Verkäuferinnen entgegennehmen kann.

Ach, wie schön, dass uns wenigstens Soi Cowboy vorerst erhalten bleibt, wo wir bis auf weiteres unsere treuherzige Nok (oder Noi oder Pen oder Lek) füttern dürfen. Falls uns selbst der Magen knurrt und die Raubtierfütterung nicht ein zu grosses Loch in die Brieftasche gerissen hat, sei ein Besuch im »The Old Dutch« (Ecke Soi Cowboy/Sukhumvit Soi 23) angesagt. Das rustikal eingerichtete Lokal offeriert die Hochkultur holländischer Küche. Ich empfehle »Bitterballen«, in Öl frittierte Fleischklösschen, sowie »Hotchpotch«, Kartoffelbrei vermischt mit Sauerkraut und Endiviensalat! Klingt verlockend? Es schmeckt verblüffenderweise besser als es klingt. Das Juwel der Küche ist jedoch der Riesentopf (mehr ein Champagnerkübel) weissweingedämpfter Miesmuscheln. Ein Gedicht, ehrlich!

Freunde der ebenso leckeren englischen Küche marschieren besser zum geradezu legendären »Fish and Chips Shop«, gelegen zwischen “The Old Dutch” und der Hauptstrasse. Das unpretentiös eingerichtete Restaurant spezialisiert sich auf das Minenfeld angelsächsicher Gastronomie: Fish and Chips (Paniertes, frittiertes Fischfilet mit Pommes Frittes). Was die weissbehaubten Köchinnen dort aber zaubern ist phänomenal. Das dicke Kabeljaufilet ist saftig, die Teigkruste knusprig, die Pommes goldbraun und delikat. Das Geheimnis mag in der Verwendung von japanischem Tempuramehl als Panade liegen. Versuchen Sie das Gericht auf englische Art: Filet und Pommes mit (mitserviertem) Malzessig beträufeln. Ein neuartiges Geschmackserlebnis, auch für den deutschen Gaumen!

Nach dem Völlfest, während dem sich Nok an einer der umliegenden Somtam-Buden verköstigt hat, mag der Weg weiter zur Soi 4 gehen. Nein, nicht Sukhumvit Soi 4 (Nana Plaza), sondern Ratchadapisek Soi 4! An jener, für den Durchschnittstouristen so ungemein obskuren Adresse, hat sich in letzter Zeit eine unaufdringliche Partyszene kleiner Pubs und Lounges etabliert. Obschon fast gänzlich Thai sind »Farang« (westliche Ausländer) dort gern gesehen und – wohlgemerkt! – bezahlen die gleichen niedrigen Preise wie Einheimische. Empfohlen sei die »Blue Bar«, geführt von dem kolloquialen Khun Bird (ja, »Nok« auf englisch!). Und wenn es Ihrer Bar-Nok dort nicht passt (»Farang ru maak mai di!« – Es ist nicht gut wenn der Farang zu viel weiss!) verhelfen weitere Fütterungen sicher dazu, dass sie sich Ihrer Meinung recht schnell fügt.