Viele mittlerweile populäre Urlaubsländer in Südostasien waren vor wenigen Jahren noch Orte des Krieges, der Zerstörung und ethnisch-politischer Konflikte. Es seien nur einige kurz in Erinnerung gerufen:
Der Vietnamkrieg endete vor 34 Jahren. Der Laoskrieg endete ebenso 1975. Beide Länder blieben daraufhin jedoch für ein weiteres Jahrzehnt praktisch geschlossen. Die Roten Khmer Kambodschas wurden 1978 nach 4-jähriger Schreckensherrschaft (Nachlese zu Tuol Sleng) von vietnamesischen Truppen gestürzt. Die vietnamesische Besetzung des Landes endete schließlich 1989. Die letzten Widerstandskämpfer der Roten Khmer ergaben sich erst zwischen 1996 und 1999. Bis zum heutigen Tag gibt es noch immer bewaffnete Konflikte in Teilen Burmas und zahlreiche Distrikte des Unionsstaates sind nachwievor gesperrt (Nachlese: Tourismus und Frieden – Eine Reise in den Eastern Shan State Burmas). Selbst in jenen Ländern, die in den letzten Jahrzehnten keine großräumigen militärischen Auseinandersetzungen sahen, gab es häufig blutige Regierungsumstürze, lokal begrenzte Rebellenscharmützel, Proteste und Bombenattentate. Thailand, Indonesien und die Philippinnen zählen zu diesen Nationen.
Kambodscha, Vietnam und vor allem Laos haben es in den vergangenen Jahren jedoch geschafft, die Tourismuswelt durch diktierte Stabilität und immer besser werdende Infrastruktur zu überzeugen. Unter dem Schutz großer Reiseveranstalter haben sogar Herr und Frau „Neckermann“ ihre Furcht vor der Wildnis Indochinas verloren. Das Stigma einstiger Kriege haftet zwar immer noch an der Region, gepaart mit der Perfektion geführter Touren im klimatisierten Bus entwickelte sich daraus jedoch eine neue Reisefaszination für die „Neckermanns“. Man musste seinen Verwandten zuhause ja nicht erzählen, dass man weder eine einzige der Millionen Landminen in Kambodscha gesehen hatte, noch über einen Kriegsversehrten in Laos stolperte, der sich mit verstümmelten Beinen seinen Weg durch die Marktlandschaft Vientianes bahnte.
Die anfängliche Angst Thailands, durch die aufstrebenden Länder Indochinas als primäre Reisedestination abgelöst zu werden, bestätigte sich nicht. Viele Reisende starteten ihre Indochina-Touren in Thailand, oder nützten ganz einfach die Drehscheibe Bangkok als Billigflugdestination auf dem Weg in die Nachbarländer. Wiederum andere wollten ein paar stressfreie Tage am Strand von Phuket verbringen, nachdem sie sich zwei Wochen lang der Anspannung ausgesetzt sahen, womöglich von einem übriggebliebenen Roten Khmer-Rebellen verschleppt zu werden… Wem Indochina bisher als „kribbelig“ erschien, für den war Thailand schlichtweg bedenkenlos als Urlaubsland. Das politische Chaos Bangkoks war schon immer bekannt und konnte der Reputation der Nation als sichere Destination bisher auch kaum etwas anhaben. Viele Urlauber verglichen die politische Situation im Land mit jener Italiens und lagen damit nicht so unrichtig. Von nahezu 20 Regierungsumstürzen seit dem 2. Weltkrieg verliefen „nur“ zwei gewaltsam, 1973 und 1991. Der blutige Verlauf des Coup d’état im Mai 1991 wurde von vielen Touristen zwar mit Schock verfolgt, langfristig negative Auswirkungen hatte aber selbst dieser Konflikt nicht auf die touristische Entwicklung des Landes. Weshalb? Pro-westliche Politik und zur Schau gestellte Polizei- und Militärmacht erzeugten bei Touristen das Gefühl, dass nichts passieren konnte.
Ob gelb oder rot - endlose Demos gefährden
den Tourismus Thailands
Das hat sich im Dezember 2008 schlagartig geändert. Der Machtkampf zwischen den gelb gekleideten Anhängern der People’s Alliance for Democracy (PAD) und der rot kostümierten Gefolgschaft (UDD, United Front for Democracy against Dictatorship) des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra gipfelte in der Besetzung beider Flughäfen Bangkoks durch die „Gelbjacken“. Das touristische Chaos war perfekt. Zehntausende waren im Land des Lächelns gestrandet und Ausweichflughäfen hatten nicht die Kapazität, um alle Flüge abzufertigen. Einige Fluglinien stornierten ihre Flüge gänzlich. Die thailändischen Behörden halfen zwar mit Kompensation (zirka 45 Euro pro Tag und Person) für Unterkunft und Verpflegung, und körperlich bedroht war auch niemand in diesem Ausnahmezustand, doch glücklich über den zwangsverlängerten Urlaub war kaum jemand. Der finanzielle Schaden lag bei vielen Touristen weit über der ausbezahlten Soforthilfe. Wenige Monate später kam der nächste Schlag mit schweren Unruhen in Bangkok, nachdem die thailändische Polizei tatenlos dem Sturm eines Konferenzzentrums in Pattaya zusah, wo ein politischer Gipfel der ASEAN-Staaten und Chinas stattfand. Thailand hatte seinen Ruf als sicheres Konferenz- und Reiseland nun entgültig verloren.
Während offizielle Statistiken neuester Touristenankunftszahlen zur Zeit im Internet nicht abrufbar sind, schaffen ein paar Webspezialisten dennoch, ein klares Bild von der Hotelbuchungssituation in Thailand zu präsentieren: Online-Zimmerreservierungen sind seit Oktober 2008 um über 40% zurückgegangen. Die Weltwirtschaftskrise hat natürlich auch ihren Beitrag zum Rückgang geleistet, jedoch sicher nicht in diesem Ausmaß.
Während beide Streitparteien im Land (Gelb und Rot) versuchen, jedem Touristen zu versichern, dass der politische Konflikt niemanden den Strandurlaub versauern würde, beurteilen die Außenministerien einzelner Länder die Spannungen keineswegs als harmlos. Eine umfassende Reisewarnung wie jene Australiens (Link) ist kein Einzelfall mehr. Touristen haben daraus ihre Konsequenzen gezogen. In Thailand selbst ist man jedoch überrascht. Weder das „gemeine“ Volk, noch die offiziellen Vertreter der Nation haben den Ernst der Lage wirklich erkannt. Sie glauben, mit Ausverkaufsslogans und Gratisvisa den Tourismus wieder ankurbeln zu können. Ich habe in den vergangenen drei Monaten mit sehr vielen Thais über Tourismus und Politik diskutiert. Viele sahen zwar das Problem der politischen Instabilität und dessen Einfluss auf den Tourismus, die meisten wollten ihre eigenen politischen Aktivitäten jedoch nicht ändern oder gar aufgeben. Man kann aber nicht Frieden predigen und Feuer versprühen. Das ist vielen Schichten der thailändischen Bevölkerung noch nicht klar genug geworden.
Zudem tendiert man in Thailand dazu, unbequeme Wahrheiten von sich zu weisen und sich einfach bessere Erklärungen zurechtzulegen, die ein eigenes Verschulden einer Situation nicht mehr direkt implizieren. Kurz gesagt: Man belügt sich selbst. Das sind schwere Anschuldigungen. Ich habe jedoch in meinen Diskussionen mit mehreren Vertretern der TAT (Tourism Authority Thailand) festgestellt, dass man sich wirklich der kommoden Ausrede der schlechten Weltwirtschaftslage hingibt, anstatt die politische Lage als Mitverursacher des kollapierenden Tourismus zu analysieren. Thailändische Studenten befragen Reisende auf Flughäfen und vor Hotels noch immer, welches Gericht ihnen am besten mundet und wo sie am liebsten unter der tropischen Sonne braten. Eine Frage wie „Fühlen sie sich durch Demonstrationen in Bangkok verunsichert oder persönlich in ihrer Sicherheit als Tourist bedroht?“ habe ich noch auf keinem Umfragezettel gelesen.
Kein Tourist fühlt sich wohl beim Anblick von
Polizeibarrikaden, hier im April 2009 in Bangkok
Thailand scheint sich der trügerischen Hoffnung hinzugeben, dass der potentielle Gast sich vor politischen Unruhen entweder nicht weiter fürchtet, oder das verlockende Angebot eines Urlaubs zum Dumpingpreis anziehender wirkt, als die Angst womöglich wieder vor gesperrten Flughafenzufahrten zu sitzen. Derartige Schlussfolgerungen bedeuten auch, dass offizielle Stellen in Thailand der Meinung erliegen dürften, dass die Reisewelt sich schon irgendwann an die unruhige, instabile Lage im Land gewöhnen würde, denn: Touristen sind ja nicht wirklich direkt vom Machtkampf Gelb gegen Rot betroffen… Das ist leider ein weiterer fataler Trugschluss.
Die politischen Unruhen, gekoppelt mit wirtschaftlichen Problemen haben auch in Thailand die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießen lassen. Touristen sind zwar vor Einbrüchen in Hotels sehr sicher, gehäufte Gelegenheitsdiebstähle und versuchter Betrug sind aber auf dem Vormarsch. Die Statistiken der Polizei (Link) sind nur bedingt aussagekräftig und unterliegen offenbar sehr starken Schwankungen, möglicherweise verursacht durch die politisch instabile Lage im Land und die damit verbundenen Prioritäten des Innenministeriums. Viele Urlauber, die Opfer der Kleinkriminalität werden, zeigen aus Frust und Zeitmangel ihre Fälle auch selten an. Man wägt ab, ob es dafürsteht, einen halben Tag bei der durchwegs sehr hilfsbereiten und freundlichen Touristenpoizei zu verlieren, um den Diebstahl eines Paares neuer Schuhe vor einem Tempeleingang, wo man sie deponierte, zu melden. Wird einem Touristen das gemietete Mofa gestohlen, sieht die Sache jedoch schon anders aus.
Es mutet beinahe paradox an, dass ein westlich orientiertes Land mit demokratischen Strukturen plötzlich gefährlicher auf der touristischen Landkarte erscheint, als so manche Diktatur. Soll das nun heißen, dass mit der Demokratisierung eines Landes auch die Kriminalfälle ansteigen und der Tourismus mit größeren Unsicherheitsfaktoren zu rechnen hat? In Entwicklungsländern leider ja, sage ich ganz unverhohlen. Das unkontrollierte Streben nach Demokratie führt in vielen Zweite- und Dritte-Welt-Ländern manchmal zu anarchistischen Zuständen, die auch den Tourismus negativ beeinflussen, wenn sie außer Kontrolle geraten. Thailand ist da kein Einzelfall. Man erinnere sich nur an die Geburtswehen der chilenischen, argentinischen oder griechischen Demokratie. Thailands Weg zur stabilen Demokratie dauert aber bereits sehr lange an und ich bezweifle, dass die jüngsten Unruhen die letzten gewesen sind.
Das Democracy Monument in Bangkok, Thailand sollte sich
öfter an dessen Existenz erinnern
Es ist sicher keine Diktatur notwendig um wieder die Sicherheit für den Tourismus im Land zu gewährleisten. Allein die Besinnung zu friedlichem Handeln und zur Akzeptanz demokratischer Entscheidungen könnten das Ruder Thailands wieder ins Lot bringen. Touristen werden dann wieder von selbst kommen, nachdem die gute Infrastruktur und die Freundlichkeit der Bevölkerung weltweit bekannt sind. Die Lage ist momentan zwar ernst, aber keineswegs hoffnungslos.