Das von zwei US-Schiffen begleitete Kampfschiff «USS Kearsarge» ist auf dem Weg nach Libyen. Derweil schliesst die UNO Libyen aus dem Menschenrechtsrat aus.
Ein Mann posiert am 23. Februar vor libyschem Kriegsmaterial in der Nähe der gefallenen Stadt Tobruk.
20:14
Ein Kriegsschiff der US-Armee mit rund 800 Soldaten an Bord hat am Dienstag Kurs auf Libyen genommen. Das von zwei weiteren Schiffen begleitete Kampfschiff «USS Kearsarge» werde in Kürze vom Roten Meer in den Suez-Kanal einfahren, hiess es aus Kreisen des US-Verteidigungsministeriums in Washington.
Auf dem Schiff ist eine Staffel von Helikoptern stationiert, ausserdem verfügt es über medizinische Einrichtungen, so dass es für militärische oder humanitäre Zwecke eingesetzt werden kann.
Die US-Verteidigungsbehörden bereiteten derzeit mehrere Vorschläge für Präsident Barack Obama zum weiteren Umgang mit Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi vor, hiess es aus den Kreisen weiter.
Ob auch ein militärisches Eingreifen in Betracht komme, sei jedoch noch unklar. Auch habe Obama noch keine Entscheidungen getroffen, hiess es. Andererseits dürfe die Entsendung der «USS Kearsarge» aber auch nicht als leere Drohung betrachtet werden.
Die Situation am Dienstagmorgen:
Grossbritannien hat den Transfer von umgerechnet rund 1,4 Milliarden Franken nach Libyen gestoppt. Das Finanzministerium in London habe «die Ausfuhr von 900 Millionen Pfund in Banknoten» verhindern können, sagte Premierminister David Cameron am Montag vor dem Unterhaus des britischen Parlaments.
Finanzministerium spielte auf Zeit
Als das Ansinnen den Behörden gemeldet wurde, spielte das Finanzministerium nach Angaben der Zeitung tagelang auf Zeit, um die notwendigen Schritte zum Einfrieren des Vermögens durchsetzen und die Auszahlung des Geldes verhindern zu können.
Vor allem die Zollbehörden hätten sich bei der Bearbeitung der notwendigen Formalitäten viel Zeit gelassen. Nach Angaben der Tageszeitung «The Guardian» zögerten sie vor allem die Diskussion über den Transport des Geldes von seiner Lagerstätte zum Flughafen so lange hinaus, bis die Regierung den Transfer der Banknoten nach Libyen am Sonntag rechtsverbindlich stoppen konnte.
Kämpfe um Flughafen
Der libysche Machthaber wird international weiter isoliert. Auch in seinem ehemaligen Reich gerät er in Bedrängnis. In der Hafenstadt Misrata, rund 200 Kilometer östlich des Regierungssitzes, wird um den Flughafen gekämpft.
Nach Angaben aus Regierungskreisen hatten die Aufständischen am Sonntag in Misrata die Landebahn des Flughafens zerstört, um zu verhindern, dass Gaddafis Truppen auf dem Luftweg Verstärkung erhalten.
Aufständische meldeten zudem, in der Umgebung von Misrata sei ein Militärflugzeug der Regierung abgeschossen worden. Dies konnte jedoch von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden.
In der Ortschaft Sawija, 50 Kilometer von der Hauptstadt Tripolis entfernt, erwarteten die Rebellen einen Angriff von Gaddafi-treuen Soldaten.
Übereinstimmende Quellen berichteten ausserdem über einen Angriff von Gaddafis Luftwaffe auf ein Munitionslager in Adschabija. Die Ortschaft liegt etwa 100 Kilometer südlich von Benghasi und damit im Osten des Landes, über den Gaddafi grösstenteils die Kontrolle verloren hat.
Demonstration in Tripolis
Die Macht Gaddafis beschränkt sich auf die Hauptstadt Tripolis. Dort haben am Montag laut unterschiedlichen Angaben mehrere hundert bis zehntausend Menschen gegen den Machthaber demonstriert.
Die Versammlung im Vorort Tadschura sei von Sicherheitskräften in Zivilkleidung mit Schüssen aufgelöst worden, berichteten Oppositionelle sowie die Zeitung «Kurina». Dabei seien mehrere unbewaffnete Jugendliche getötet worden.
Kontrolle in Hauptstadt ausgebaut
Die Gefolgsleute von Gaddafi haben ihre Kontrolle über die Hauptstadt ausgebaut, um jegliche Anzeichen von Protest zu ersticken. Überall in der Stadt waren nach Augenzeugenberichten Kontrollposten besetzt und Streifen unterwegs.
Gaddafi meldete sich am Abend in einem Interview mit dem US- Fernsehsender ABC zu Wort. «Mein ganzes Volk liebt mich», zitierte ABC per Twitter-Kurzmitteilung aus dem Interview. «Sie würden sterben, um mich zu beschützen.» Gaddafi habe in dem Gespräch abgestritten, dass es in der Hauptstadt Tripolis Demonstrationen gegen seine Regierung gebe.
Inzwischen sollen sich die meisten Öl- und Gasfelder nicht mehr unter der Kontrolle Gaddafis befinden. Die Kontrolle läge in den Händen regionaler Clans oder von regionalen Übergangsregierungen, sagte der EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Brüssel.
EU beschliesst Sanktionen
Die 27 EU-Staaten folgten am Montag dem Vorgehen des UNO- Sicherheitsrats und besiegelten seit Tagen geplante Sanktionen offiziell und mit sofortiger Wirkung. Sie beschlossen bei einer Ministerratssitzung Kontensperrungen, Reiseverbote sowie ein Embargo für Waffen und andere Güter.
Die Schweiz wird sich laut Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten an den UNO-Sanktionen beteiligen. Ob sie auch die EU- Sanktionen mitträgt, wird geprüft.
Militärische Schritte erwogen
Die Vereinten Nationen erwägen unterdessen militärische Schritte, um das Blutvergiessen in Libyen zu stoppen. Diskutiert wird eine Flugverbotszone. Der britische Premierminister David Cameron bestätigte entsprechende Planungen.
Die USA verlegten laut Verteidigungsministerium Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge näher an Libyen. Aussenministerium Hillary Clinton sagte in Genf, ein Militärschlag unter Nutzung von US-Kriegsschiffen stehe aber nicht bevor.
Zudem fror das Finanzministerium Gelder in der Höhe von 30 Milliarden Dollar ein. Es handle sich um die grösste Summe, die jemals im Rahmen von Sanktionen blockiert worden sei, hiess es.
Kontaktaufnahme mit Opposition
Die Europäische Union bemüht sich unterdessen um Kontakt mit der libyschen Opposition. «Wir versuchen, Kontakte herzustellen», sagte die Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. Die libysche Opposition hatte nach eigenen Angaben am Wochenende einen nationalen Übergangsrat gebildet.
Deren Vorsitzender, Mustafa Abdul Dschalil, schlug ein Hilfsangebot der USA aus. «Wir wollen keine ausländischen Soldaten hier», sagte der ehemalige Justizminister, der sich vor einigen Tagen den Aufständischen angeschlossen hatte, am Sonntagabend in einem Interview mit dem Sender Al-Arabija.
Der Internationale Strafgerichtshof leitete unterdessen eine Voruntersuchung zu den Gewalttaten in Libyen ein. Es würden Vorwürfe geprüft, ob dabei Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden seien, sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo in Den Haag.