Abstimmungspropaganda auf Kosten der Zwangsgebührenzahler
Bildquelle: www.flickr.com / TEDx Zurich
Bereits am Tag der Einreichung der nötigen Unterschriften für die «No-Billag»-Initiative startete die SRG ihren mit Zwangsgebühren finanzierten Abstimmungskampf gegen das Volksbegehren. Damit überschreitet die SRG zwar die Grenzen der Legalität. Mit juristischen Mitteln ist sie aber kaum zu stoppen.
Zuschauer der SRF-Sendung «Glanz & Gloria» vom 11. Dezember 2015 rieben sich verdutzt die Augen. Moderator Salar Bahrampoori informierte darüber, dass die nötigen 100'000 Unterschriften für die «No Billag»-Initiative gesammelt worden seien. Würde diese Vorlage vom Volk angenommen, dann bekäme die SRG keine Gebührengelder mehr. «Und dann würde diese Sendung etwa so über den Sender kommen», meinte er.
Der Moderator stand dabei vor einer weissen Wand und wurde von einer hin und her wackelnden Kamera gefilmt. Das Introlied zum Sendeanfang sang Bahrampoori gleich selbst. Damit wollte «Glanz & Gloria» seinen Fans suggerieren, dass man sich auf dem freien Medienmarkt keine Studios mit Niveau, keine professionellen Introlieder und keine anständige Kameraführung leisten könne. Allein aber schon ein Blick zum Privatsender «Tele Züri» beweist, dass diese Behauptung Unfug ist. «Tele Züri» bekommt keine Billag-Gebührengelder und kommt trotzdem professionell daher. Der Verdacht drängt sich auf, dass es sich bei der «Glanz & Gloria»-Aktion um verbotene politische Werbung in eigener Sache handelt – mit dem Ziel, auch weiterhin jährliche Billag-Zwangsgebühren in Milliardenhöhe zu kassieren.
Beanstandung bei der Ombudsstelle
Diverse Privatpersonen haben nun bei der Ombudsstelle der SRG die zweifelhafte «Glanz & Gloria»-Sendung beanstandet. Sie berufen sich dabei auf das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG). Gemäss Art. 24 Abs. 4a RTVG trägt die SRG zur freien Meinungsbildung des Publikums bei durch umfassende, vielfältige und sachgerechte Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge. Zusätzlich besagt Art. 4 Abs. 2 RTVG, dass redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen müssen, sodass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein.
Auch Medienrechts-Experten wie etwa Martin Steiger halten die Aktion der SRG für problematisch. Der Moderator habe Behauptungen in den Raum gestellt, ohne dass die Initianten sich dazu hätten äussern können. Bahrampooris Aussagen seien «nicht ohne weiteres als süffisanter Kommentar erkennbar», sagte Steiger gegenüber «20 Minuten».
Konsequenzen für die SRG?
Interessant ist, welche Konsequenzen die eingegangenen Beanstandungen für die SRG haben könnten. Sind diese einschneidend genug, sodass die SRG künftig auf solche Abstimmungspropaganda mit Gebührengeldern verzichten wird?
Die Ombudsstelle der SRG, an welche Beanstandungen von Sendungen gerichtet werden müssen, hat weder Entscheidungs- noch Weisungsbefugnisse. Sie hat innerhalb von vierzig Tagen lediglich einen Bericht zu verfassen, der zwischen den Beteiligten vermitteln soll. Sollte eine Beanstandung nicht zufriedenstellend beantwortet werden, kann nach Vorliegen des Schlussberichts der Ombudsstelle Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) erhoben werden.
Heisst die UBI eine solche Beschwerde gut, muss die SRG die UBI innert 30 Tagen darüber in Kenntnis setzen, dass sie den Mangel behoben hat und welche Massnahmen sie getroffen hat, damit sich Beanstandetes künftig nicht wiederholt. Die UBI ist jedoch nicht befugt, Strafen wie Bussen oder Zwang zur Richtigstellung auszusprechen. Selbst wenn also die SRG von der UBI für schuldig befunden wird, kann sie nicht belangt werden. Dies entspricht der gleichen Logik, wie wenn ein Richter einem gefassten Dieb solches Urteil verkünden müsste: «Bestrafen tun wir dich nicht. Teile uns einfach mit, was du persönlich dafür tust, damit der angerichtete Schaden behoben wird und du in Zukunft nicht wieder stehlen gehst.»
Die UBI ein «Papiertiger»?
Selbst der abtretende UBI-Präsident Roger Blum beschreibt die UBI als schwache Instanz, deren Entscheide lediglich «pädagogische Sanktionen» seien. «Im Quervergleich mit anderen Ländern ist die UBI ein Papiertiger», meinte der Medienrechtsprofessor. In anderen Ländern seien die Sanktionen härter. «UBI-Entscheide hingegen werden in dicken Akten festgehalten, die Redaktion muss aber lediglich reagieren, indem sie Massnahmen aufzeigt», ärgert sich Blum. Damit seien die Verdikte der UBI nicht nachhaltig. Und die Redaktionen nähmen sich die Urteile der UBI zu wenig zu Herzen.
Das Gesetz sieht zwar vor, dass die UBI in bestimmten Fällen auch Verwaltungssanktionen (Bussen) aussprechen kann. In besonders schweren und ausgewählten Fällen kann die UBI sogar Sendeverbote beantragen. Die Hürden für Verwaltungssanktionen sind jedoch sehr hoch. «Die Voraussetzungen für das Aussprechen von Verwaltungssanktionen waren noch nie gegeben», gibt UBI-Sekretariatsleiter Pierre Rieder zu.
Doch was passiert, wenn die UBI die von der SRG getroffenen Massnahmen als Reaktion auf den Gesetzverstoss als «ungenügend» erachtet? Gemäss Pierre Rieder gab es seit dem Jahr 2000 erst zwei Fälle, in welchen die UBI die von der SRG getroffenen Massnahmen als ungenügend beanstandet hatte. Die UBI gelangte anschliessend an das zuständige Departement. «Dieses verzichtete aber darauf, die Konzession zu ergänzen, weil es sich um Einzelvorkommnisse handeln würde», so Rieder.
Gefährliche Staatsnähe
Dass die UBI erst zweimal in diesem Jahrhundert befunden hat, die von der SRG getroffenen Massnahmen seien ungenügend, verwundert. Ebenso überrascht es, dass das zuständige Departement die UBI bei diesen beiden Fällen auch noch hat abblitzen lassen. Betrachtet man allerdings die sonderbaren institutionellen Gegebenheiten, gehen einem so manche Lichter auf.
Die UBI setzt sich aus neun – vom Bundesrat gewählten – Mitgliedern zusammen. Um UBI-Mitglied werden zu können, muss man folglich in der Gunst der Regierenden stehen. Das ist just jener Personenkreis, der mit grosser Macht ausgestattet ist und von den Medien ganz besonders beobachtet, notfalls auch kritisiert werden muss. Der Bundesrat wählt die UBI-Mitglieder alle vier Jahre neu, wobei eine Wiederwahl möglich ist. Missfallen UBI-Mitglieder dem Bundesrat, dürften diese kaum mit einer Wiederwahl rechnen. Das schafft Abhängigkeiten.
Ebenso stark ist die SRG vom Goodwill des Bundesrats abhängig. Dieser setzt die Gebührenhöhe fest. Notfalls kann er der SRG den Gebührenhahn zudrehen. Dieses ungesunde Abhängigkeitsverhältnis der SRG zum Bundesrat begünstigt die staats- und regierungsnahe Berichterstattung. So erhält der Bundespräsident jeweils die Gelegenheit, sich auf den SRG-Kanälen an die Nation zu richten – beispielweise in Form von 1. August- und Neujahres-Ansprachen. Ganz generell hält sich die SRG gegenüber dem Bundesrat mit Kritik auffallend zurück. Dafür fällt die Schelte für fehlbare oder vermeintlich fehlbare Unternehmer umso strenger aus. Politiker sind aber eindeutig mächtiger als Unternehmer, da Politiker im Gegensatz zu Unternehmern den Menschen allgemeingültige Regeln aufzwingen und sie mittels Gewaltmonopol durchsetzen können. Die SRG ist daher weit davon entfernt, den Mächtigsten als «vierte Gewalt im Staat» auf die Finger zu schauen und sie zu kritisieren.
Ende der rechtswidrigen Abstimmungspropaganda?
Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Hat die SRG für ihre rechtswidrige Abstimmungspropaganda gegen die «No-Billag»-Initiative nun ernsthafte Konsequenzen zu befürchten?
Es wäre naiv zu erwarten, dass die «Unabhängige Beschwerdeinstanz (UBI)», (die eigentlich «Abhängige Beschwerdeinstanz (ABI)» heissen müsste) die SRG-Gefälligkeitskanäle der Regierenden ernsthaft in Bedrängnis bringt, da sie ansonsten den Unmut der Regierenden auf sich ziehen würde. Bestenfalls heisst sie die Beschwerde der Privatpersonen gegen die desinformierende «Glanz & Gloria»-Sendung gut. Dies ist allerdings statistisch gesehen eher unwahrscheinlich. Hat sie doch von den bisher erledigten Beschwerden im Jahr 2015, welche die Programme der SRG betreffen, satte 83 Prozent abgeschmettert.
Doch selbst wenn die UBI die Beschwerde gutheissen würde, hat die SRG – einmal abgesehen von der Publikation des Urteils – kaum weitreichende Konsequenzen zu befürchten. Die SRG wird kein Interesse daran haben, sich selbst in Bezug auf die «No-Billag»-Initiative einen Maulkorb zu verpassen. Schliesslich geht es doch darum, die Billag-Pfründe zu sichern und die exorbitanten Saläre zu verteidigen.
Ordnungspolitisch fragwürdig
So kündigte SRG-Generaldirektor Roger de Weck an, die «No-Billag»-Initiative mit aller Kraft zu bekämpfen. In diesem Sinne wurden für die am Freitag, 18. Dezember auf SRF ausgestrahlte «Arena»-Sendung mit dem Titel «Geliebte SRG, verhasste SRG – wie viel Service public wollen wir?» – ausschliesslich Billag-Zwangsgebührenbefürworter eingeladen. Das ganze Meinungsspektrum abzubilden, also auch Mitglieder des «No-Billag»-Komitees einzuladen, war der SRG offenbar zu heikel. Moderator Jonas Projer meint auf Anfrage: «Es ist Ihnen freigestellt, das so zu werten.» Zudem verweist er darauf, dass rund 180 National- und Ständeräte dieses Jahr ebenfalls nicht an der Arena-Sendung teilnahmen. Offenbar sind Projer die Bedürfnisse der Politiker, also der Mächtigen, weit wichtiger, als eine adäquate Abbildung der Meinungsvielfalt, was eigentlich der Auftrag der gebührenfinanzierten SRG wäre.
Ordnungspolitisch fragwürdige Zustände in einem freien Land mit vermeintlich freien Medien. Nur die Abschaffung der Billag-Zwangsgebühren befreit die SRG aus den Klauen der Politik. Erst wenn sich die SRG unabhängig vom Staat und der Classe politique ihre benötigten finanziellen Mittel auf dem freien Markt beschafft – beispielsweise über Werbeeinnahmen oder Pay-TV-Beiträge –, kann sie sich voll und ganz auf die Bedürfnisse des Publikums konzentrieren und ihre Rolle der vierten Gewalt wahrnehmen.