von Alexander Steinacher, 10.07.2016

Das demokratische Zeichen der Briten – der Brexit – hat die Europäer, die halt alle immer auch noch Franzosen, oder Deutsche, oder Spanier, oder Schweizer usw. sind, mindestens ein bisschen aufgerüttelt. Die einen denken euphorisch, die anderen eher depressiv. Und das Depressive ist meist – mit sturer Verbissenheit an einer verpassten Vision Hängenbleiben, nur weil sie einer alten, abgegriffenen und in vieler Hinsicht illusorischen Ideologie verschworen ist: Das endgültige Heil könne nur in der Abschaffung der Nationalstaaten liegen. Schon nur das Erobern und Besetzen der Nationalstaaten gelang in Europa nie endgültig. (Grenzverschiebungen und Zugehörigkeitsstreitereien von Provinzen einmal ausgelassen) Die Versuche scheiterten immer, auch nach anfänglichen Schein-Erfolgen, die meist mit ungeheuren Schäden an menschlichen Leben, Eigentum und Wirtschaftsstrukturen von den Völkern bezahlt werden mussten. – Ja, von den Völkern und nicht den Verursachern, denjenigen Mächtigen, die die Völker im Namen ihres geborgten Nationalismus (Kaiser- und andere Reiche) aufeinanderhetzten. – Die Geschichte erweist es mit jedermann zugänglicher Literatur. Also – schon nur das Erobern und Besetzen.... Nun stelle man sich einmal das „Abschaffen“ der Nationalstaaten vor. Das geschichtsträchtige Gross-Szenario wäre ohnehin nur wieder über die Köpfe, bzw. den Willen der Völker ausdenkbar.

Ein Beispiel für das eher euphorische Denken liefert ein Professor und Aktivist (gem. Tagesanzeiger) in einem Interview vom Samstag, Der Herr Professor Brendan Simms (an der britischen Universität Cambridge) meint:

Das Königreich wird überleben! (das glauben wir jetzt gerne, denn, das britische Königreich gab es auch schon lange vor dem neuen Grossreich-Wunschdenken EU)

Historiker Brendan sagt, der Abschied Grossbritanniens aus der EU könne ein Segen für das restliche Europa sein. – (und dann aber:) Die Zeit ist reif für die Vereinigten Staaten von Kontinentaleuropa. (da wäre dann die Frage nach der Form dieser Vereinigten Staaten. Beispiel USA wäre da wie jeder, der einigermassen über die Geschichte der beiden Kontinente informiert ist, eine weitere sichere Scheitern-Kandidatur!)

Brendan sagt im Interview u.a. noch: „Mich beunruhigt, dass das europäische Festland (er meint wohl die EU-Organisation) nach dem Brexit bei sich selber keine Schuld sieht. Es muss wohl leider noch tiefer fallen.“

Kommen wir noch zum notorischen Depressiv-Gejammer, das nur allzu deutlich als Propaganda für das Festhalten am EU-Scheitern bis zum bitteren Ende daherkommt:

Medium für die Nachwäsche der Bürgergehirne ist einmal mehr das TA-Magazin. Und der Söldner-Prediger des Jammers ist (wie zumeist) Redaktor Daniel Binswanger.

In der Nummer 26 zitiert Binswanger einen Ökonom, früheren Harvard-Präsidenten und EX-US-Finanzminister Larry Summers (der muss es doch schliesslich wissen....)

„Das ist seit dem Zweiten Weltkrieg die schlimmste politische Verletzung, die sich ein Land selber zugefügt hat.“ (Gerät für ihn damit die sichere Einflussnahme der USA auf die Vorhut gegen Bö-fei Russland ins ungewisse Zerzausen?)

Man müsse dringend Ursachenforschung betreiben – und jedenfalls das allerpopulärste Argument gegen die EU, nämlich der „Brüsseler-Bürokratie-Moloch“ sei einfach nur Litanei, und daher falsch. – Schreibt Binswanger weiter.

In Nr. 27 bezeichnet dann Binswanger Boris Johnson, die Symbolfigur des Brexit-Abstimmungskampfs als Lügner – weil dieser auf seinem Fahrzeug behauptete, GB zahle wöchentlich 350 Mio Pfund an Brüssel – und tatsächlich seien es doch nur 175 Mio.

Binswanger selber beherrscht da die weit subtileren Instrumente der Volksgehirnwäsche; er predigt uns nämlich; (natürlich, durch Ökonomen vorgestellte Zahlen sind ja allein so glaubhaft!)

„Die EU-Kommission beschäftigt dieses Jahr quer durch alle Anstellungskategorien 33'000 Mitarbeiter und leistet Regierungs- und Verwaltungsarbeit für 508 Mio EU-Bürger. Die Schweizer Bundesverwaltung beschäftigt gut 37'000 Mitarbeiter und leistet Regierungs- und Verwaltungsarbeit für nur 8,3 Mio Bewohner. Wenn Brüssel ein Bürokratie-Moloch ist, ist Bern ein totalitärer Unterdrückungsapparat in hundertster Potenz.“ Soweit also der Rechnungskünstler und TA-Starökonom Binswanger.

Binswanger lügt nicht (und von den 33'000 EU-Beamten sollen 10'000 einen höheren „Lohn“ beziehen, als z.B. der britische Premier David Cameron) Er unterschlägt einfach die folgenden fundamentalen Unterschiede zwischen Brüssel und Bern, und natürlich auch Berlin, Paris, Madrid, Wien usw.;

Die EU-Bürokratie schafft keine Infrastrukturen, sie schafft keine Arbeitsplätze (ausser den Lohnplätzen in Brüssel selbst) sie generiert keine produktiven Innovationen und Ideen, sie genügt sich selbst und ihren Machterweiterungen. Aktiv verhält sie sich eher wie eine Mafiaorganisation als eine friedenssichernde Kommunikationszentrale;

Das ganz profane Beispiel: Da will einer ein neues Geschäft aufmachen, oder übernehmen. Die Mafia schickt einen oder zwei Agenten, die dem Geschäftsinhaber den Tarif durchgeben; er habe monatlich so und so viel zu bezahlen. Sollten seine Zahlungen aussetzen, könnte die Frieden projektierende Organisation keine Garantien mehr für die Sicherheit des Unternehmens, deren Mitarbeiter oder Kunden gewährleisten. Das sind dann für den Unternehmer die Bilateralen I. Dazu gehört selbstverständlich Kommissionsfreizügigkeit, d.h. die sich ausweisenden Agenten können da jederzeit gratis eine Pizza essen und eine Flasche Wein dazu konsumieren. Die Frieden projektierende Organisation arbeitet mit ihren Leuten an genauen Verhaltens- und Anspruchs-Details, soll keiner sagen, sie würden nur kassieren. Wer von der Organisation Unterstützung erhält, steht nicht in den Bilateralen. Man ist nur zufrieden und glücklich, diese überhaupt zu haben – als vermeintliche grosse und einzige Sicherheit im wilden Europa!

Die EU macht Vorschriften, erpresserische Verträge nach dem System; Wenn Du das willst, dann musst Du auch jenes tun. Dafür muss dann eben auch noch bezahlt werden. Ohne EU gälte in Europa nach wie vor; freie Kommunikation zwischen den europäischen Vaterländern, bilaterale Verträge wie zuvor, möglichst umfassender Abbau von alten Schikanen, Barrieren und Zöllen auf Gegenseitigkeit. Freier Austausch und Handel zwischen den Völkern, bzw. ihren Produkten und Dienstleistungen. Ohne gegenseitige Eingriffe in die nationalen Selbstbestimmungsrechte.

Binswanger plädiert weiter für die erstarrte Heiligkeit der EU; „nicht erst seit Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident geworden ist, unternimmt Brüssel sehr intensive und erfolgreiche Bemühungen, die Zahl der Erlasse und Verordnungen zu senken.“ Eben.

Und was tun dann alle die Regierungen, Parlamente, Verwaltungen und Behörden in den EU-Ländern? Es ist offensichtlich. Nationen brauchen keine übergeordnete Regierung. Sie brauchen nur eine Plattform zur Sicherung der gegenseitigen freundlichen Beziehungen.

Das ganz normale Miteinander und Nebeneinander von kultivierten Nachbarn!

In Nr 27 schreibt dann Binswanger u.a. noch: „Nicht nur bei uns ist es schwierig, mit redlichen Ansagen gegen Europa Stimmung zu machen. Dennoch gibt es einen fundamentalen Unterschied: In Schweizer Medien nennt niemand Christoph Blocher einen Lügner“; Dieses alte, in gewissen Kreisen offenbar immer noch erfolgversprechende Mantra gehört zur Stimmung – und zur Ursachenforschung! Blocher ist an allem schuld.

Die Personenfreizügigkeit ist die Erpressungsdynamik für den sogenannten Zugang zum Binnenmarkt. Binnenmarkt – das tönt nach Abschottung und vom grossen Aufpasser kontrollierten Markt. Keine Freiheit! Würde das dann nicht heissen, dass wir in der Schweiz keine BMW's, Mercedes, Audis, Porsches usw. importieren dürften, weil das ja ausschliesslich für den Binnenmarkt produziert wird? Wir bemerken – ein Gebiet, das von einer Mafia kontrolliert und beherrscht wird! Für jeden vernünftig denkenden Menschen in Europa eine Absurdität!

Und Binswanger droht subtil getarnt weiter; „Die Schweiz hat es besser. Sie wird sich an der Urne noch einmal für oder gegen die Bilateralen aussprechen, sei es im Rahmen der Rasa- oder von Blocher angedrohten Kündigungsinitiative.“

Es muss auch wieder einmal gesagt werden: Bilateral heisst eigentlich schlicht zweiseitig – also gegenseitig zwischen zwei (oder auch mehreren) Partnern. Bilaterale Verträge kennen wir, seit wir in Europa und mit der ganzen Welt Handel treiben. Keinem anständigen, normal an Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichem Austausch interessierten Partner würde es einfallen, einem gleichberechtigten Partner Abstriche an seiner Selbstbestimmung, seiner rechtsstaatlichen Souveränität zu fordern. Man stelle sich das einmal vor – Russland, USA, Südamerika, China, Japan, Indien usw. würden von uns für den Abschluss von Handels- und anderen Zusammenarbeiten Übernahme von deren Gesetzen und entsprechende Kontrollen und Sanktionen verlangen! Unser ablehnendes Urteil würde wohl lauten; „mit verrückten, machtlüsternen, Total-Imperialisten können keine Verhandlungen geführt werden, - also – keine Vertragsabschlüsse“. (aktuell: China macht das anders; 100 Seemeilen vor fremden Hoheitsgebieten, auf untiefen Meeresgebieten Material aufschütten – Inseln bauen, als eigenes Hoheitsgebiet (auch wenn es noch so weit vom Ursprungsland entfernt liegt) deklarieren und die umliegenden „Küstengewässer“ in die Eroberung einbeziehen)

Zurück zum kranken Europa!

Die EU-Organisation hat sich wie ein bleierner Mantel über ganz Europa gelegt. Von den ursprünglich positiven Ideen einer europäischen Solidarität, von Unterstützung und gemeinsam geförderten Entwicklungen auf politischem, wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Gebiet ist nicht viel positive Dynamik mehr vorhanden.

Da gibt es mehr Hindernisse und Fehlentwicklungen (Eurozone – Banken usw. Drohungen vom Ausschluss gemeinsamer Forschung, Strafandrohungen für schwache Mitglieder usw.) und statt Unterstützung, Bevormundung von Regierungen souveräner Mitgliedstaaten.

Die Länder müssen sich aus der Starre lösen. Die politische Machtverklumpung ist schon zu gross, um mit blossen Reformen fundamentale Verbesserungen generieren zu können.

Es braucht dazu Mut und die kompetenten Leute! Ich habe schon in meiner Analyse „das Damoklesschwert EU“ einen Vorschlag aufgezeigt:

Die Schweiz als direkt-demokratische, neutrale und wirtschaftlich gesunde Nation hat die neuen Grossreich-Experimente offiziell nicht mitgemacht. Sie liegt mitten in Europa und wurde schon von vielen nachdenklichen „Europäern“ als Vorbildkern für ein besseres Europamodell genannt.

Vereinigte Nationen Europas UNE

Wir müssen uns endlich bewusst werden; ein gesundes, emanzipiertes Europa kann nicht von oben herab unter neuerlicher Entmündigung der Völker entstehen. Die europäischen Völker müssen endlich eine Chance haben, sich selber zu entwickeln. Diese Chance und damit friedlicher Wettbewerb, Konkurrenz und Zusammenarbeit kann nur auf mehr demokratischem Boden entstehen – von unten, von der Selbstbestimmung der Bürger her. Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, bedeutet auch mehr Motivation etwas dafür zu tun!

Hört auf, einem teuren Versagermodell nachzujammern. Tut endlich etwas mutiges, innovatives, europäisches.

Unser gegenwärtige Bundesrat scheint zu schwach und zu „EU-integriert“ um die dringend erforderliche Initiative zu ergreifen und damit die Chance wahrzunehmen! AS 11.07.16