Brisant Banner
Der Freitags-Kommentar vom 11. November 2016,
von Ulrich Schlüer, Verlagsleiter «Schweizerzeit»

 

Der überflüssigste aller empfangbaren Sender


Bild: SRF Tagesschau vom 10.11.2016

Daniela Lager, gezielt als sendungsprägender Kopf nach Washington entsandt, war das Oberhaupt der Wahlreporter-Schar. Ihre Aufgabe bestand – das wurde schon in ihrem ersten Auftritt klar – darin, den Amerikanern als zutiefst beleidigte Repräsentantin eines angeblich moralisch verletzten Kleinstaats die Leviten dafür zu verlesen, dass man dort so einen wie Trump – im Studio Leutschenbach schon seit Wochen zum sicheren Wahlverlierer erkoren – überhaupt in die Endrunde der Präsidentenwahl habe kommen lassen.

Der Fernseh-Zuschauer hatte das Konzept zu schlucken – Fernsehen SRF gestattete keine andere Übungsanlage.

Im Stil Fräulein Rottenmeiers

Daniela Lager spielte ihre Rolle ganz im Geiste des Fräulein Rottenmeier. Und genoss es, dass ihr eine zweite Koryphäe aus dem Studio in Zürich unterstellt wurde: Der 10vor10-Sprecher Honegger, sich in rasch unerträglich werdender Überheblichkeit gleichsam als «Erfinder Amerikas» aufspielend. Damit sollte er als «ausgewiesener Experte» überzeugen, dass Trump an diesem 8. November nichts anderes als eine ihm sichere Kanterniederlage einfahren könne – worauf er den Journalisten dann zum endgültigen Zerfetzen freigegeben werde.

Als Dritter im Bund sollte einer von Honeggers Vorgängern, Stephan Klapproth mit Namen, die Moral zum Geschehen gehörig in den Mittelpunkt stellen.

Auftakt

Bereits Stunden vor den ersten Resultaten verbreitete diese Crew die Zuversicht unfehlbarer Sieger – dies derart penetrant, dass «normale» TV-Zuschauer desillusioniert auf andere, ausländische Sender umschalteten – wohl doch etwas mehr an echter Information erwartend als gestelzt daherkommendes Moraltanten-Getue, motiviert aus Abrechnungs-Allüren aus dem Studio Leutschenbach.

Wer umschaltete, begann schon relativ früh am Morgen allmählich zu ahnen, dass sich da eine echte Sensation anbahnen könnte. Das Schweizer Fernsehen mit seinen zunehmend «schockierten Berichterstattern» vergass darob gar das Berichten: Soll denn das ganze, wohldurchdachte, so ungeheuer aufwändig geplante Abrechnungs-Szenario mit einem zutiefst Verhassten und seinen Anhängern tatsächlich in die Sackgasse münden?

Durchhaltewillen

Noch während Stunden versuchte sich das Trio Lager-Honegger-Klapproth einzureden, es fände nach wie vor ein «Kopf-an-Kopf-Rennen» statt, die Wende werde dann schon noch kommen…

Der Informationsgehalt ihrer Sendung sank auf den Nullpunkt. Was sollte sich das Publikum am Frust der Präsentatoren ergötzen? Wer genau erfahren wollte, was sich in den USA anbahnte, fand dafür andere, tatsächlich orientierende Stationen.

Bis zum Abend, bis zum Zeitpunkt erster abschliessender Kommentare verstrichen darauf Stunden. Das Schweizer Fernsehen hätte Zeit gehabt, sich zu erholen, die sachliche Auseinandersetzung mit dem Unerwarteten wenigstens zu beginnen. Doch was wurde uns aufgetischt am Abend dieses 9. November?

Zerrbilder und Fratzen

Ein Kurzinterview nach dem andern. Befragt wurden angebliche «US-Fachleute», die allerdings kaum ein Zuschauer gekannt haben dürfte. Ein seit fünfundzwanzig Jahren in New York lebender Schweizer kam zu Wort – und überschüttete den inzwischen gewählten Präsidenten Donald Trump mit verbalem Unrat, der seinesgleichen sucht. Bislang wurde solches nur Trump angelastet. Die vom Schweizer Fernsehen aufgebotenen «Fachexperten» stellten freilich alles in den Schatten, was Trump an Handfestem je geäussert haben soll.

Präsident ohne Wähler?

Staunend nahm man als Zuschauer zur Kenntnis: Da wurde einer US-Präsident, den gar niemand gewählt hat. Das Schweizer Fernsehen fand nur solche, die den Gewählten mit Vorwürfen, Schimpftiraden und Hassausbrüchen eindeckten. Wie – fragte man sich unwillkürlich – konnte dieser Trump Präsident werden, wenn ihn ganz offensichtlich niemand gewählt hat?

Im «10vor10» bekam man dann noch gegen ein Dutzend Trump-Fratzen zu Gesicht, die an Widerlichkeit ihresgleichen gesucht haben. Leutschenbach will dem Publikum offenbar einreden, die USA würden ab sofort von keinem anderen als dem Leibhaftigen selbst regiert.

Die Leichenbitter

Grundsätzlich jeder, der gegen Trump vom Leder zog, wurde vom Schweizer Fernsehen vor die Kamera geholt – als «Experte». Auch aus der Schweiz wurden «Amerika-Kenner» mobilisiert – Frauen wie Männer. Offenbar als Ergebnis einer Art Schaulaufen, in welchem jene zum Zug kamen, welche die jämmerlichste Leichenbittermiene zur Schau zu stellen vermochten.

Linke Politikerinnen, im Bundeshaus aufgegabelt, schossen dabei den Vogel ab: Sie lamentierten von Frauenverachtung – obwohl recht bald klar wurde, dass sich in den USA auch eine Mehrheit von Wählerinnen für Trump ausgesprochen hatte. Inzwischen weiss man, dass selbst eine Mehrheit von Frauen mit Hochschulabschluss Trump den Vorzug gegeben hat. Am Schweizer Fernsehen kein Wort darüber, weshalb der «Frauenbonus» für Clinton so ganz offensichtlich nicht gespielt hat. Das hätte aber interessiert.

Der Tiefstpunkt

Das Schweizer Fernsehen glaubte seine Zuschauer derweil mit der ausgeleierten Formel abspeisen zu können, Trump sei eben von «den Alten und den Dummen» gewählt worden. Die gleiche Platte hatte man schon aufgelegt zu Frankreich, zu Österreich, zu Deutschland – oder zu SVP-Wahlsiegen. Mehr fällt den Redaktoren der Tagesschau nicht mehr ein.

Den Tiefstpunkt völlig unhaltbarer Präsentation erreichte Frau Katja Stauber: Nach Nine-eleven (dem Terroranschlag vom 11. September 2001 mit über dreitausend Toten) treffe die Welt jetzt, am 9. November, Eleven-nine…

Wer sich zu solch unflätigem Vergleich hinreissen lässt, gehört schlicht und einfach nicht vor eine Kamera. Bleibt solche Entgleisung folgenlos, wird Roger de Weck, derzeit landauf landab die unerreichbare Qualität des Schweizer Fernsehens preisend, schlicht zum Hanswurst entfesselter Ideologen und ahnungsloser Besserwisser.

Was das Schweizer Fernsehen zur Wahl von Donald Trump als Präsident der USA geboten hat, ist nichts weniger als der Tatbeweis dafür, dass das Schweizer Monopol-Fernsehen zum überflüssigsten aller emfpangbaren Sender geworden ist.


Schweizerzeit