Leserbrief zum Fortpflanzungsmedizingesetz (Abstimmung 5. Juni 2016)
Vor rund einem Jahr hat das Volk dem Verfassungsartikel zur Präimplantationsdiagnostik (PID) zugestimmt. Ich zähle zu jenen Politikerinnen, die sich für die Verfassungsänderung eingesetzt haben, weil das Gesetz einfachere Verfahren für Frauen mit Fruchtbarkeitsproblemen ermöglicht. Der Bundesrat hat gleichzeitig einen gemässigten Gesetzesentwurf erlassen, der Eltern mit schweren Erbfehlern, wie Muskeldystrophie oder Cystischer Fibrose, ermöglichen sollte, die Embryonen noch vor einer Schwangerschaft auf diese Gendefekte testen zu lassen. Dagegen wäre kein Referendum ergriffen worden. Leider wurde dieses Gesetz während der Beratung verkommerzialisiert, denn mit der Fruchtbarkeit und mit Gentests lässt sich viel Geld verdienen.
Neu dürfen im Reagenzglas zwölf Embryonen entwickelt und dem sogenannten „Screening“ unterzogen werden. Dabei werden die Embryonen auf alle möglichen genetischen Störungen untersucht.
Bereits sind hunderte bekannt, täglich werden es mehr. Das Gesetz ermöglicht es allen Paaren, die sich mit In-Vitro-Fertilisation (IVF) behandeln lassen, das Screening anzuwenden. Dieses ermöglicht eine weitgehende Selektion der Embryonen und zeigt eugenische Tendenzen. Eugenik bedeutet Auswahl der „guten“ Gene; aber wer entscheidet nur, was „gut“ ist? Wer entscheidet über „lebenswert“ und „nicht lebenswert“? In Grossbritannien, einem Land, das diese Methode zulässt, wird die Liste der Selektionskriterien immer länger. Ein gehörloses Paar wünschte sich mithilfe der PID sogar ein gehörloses Kind. Dieser Fall erregt viel Aufsehen. Er zeigt die Problematik der Eugenik deutlich auf.
Statt der ursprünglich geschätzten 50 bis 100 Fälle gemäss Gesetzesvorschlag Bundesrat, rechnet man in der Schweiz neu mit mehreren Tausend PID-Behandlungen pro Jahr. Das wirtschaftliche Interesse daran ist gross, das Geschäft boomt. In der Schweiz wollen damit über 28 Kliniken gutes Geld verdienen, während es in Frankreich nur gerade drei solche Kliniken gibt. Die Schweiz würde zu den Staaten mit der liberalsten PID-Regelung zählen, wesentlich liberaler als Deutschland oder Frankreich. Mit den Möglichkeiten der PID wird generell der Druck auf die Frauen zunehmen, speziell auch auf die älteren Frauen, ihre Kinder schon vor der Schwangerschaft umfassend untersuchen zu lassen. Eine Behandlung, ob in der Schweiz oder im Ausland durchgeführt, ist in jedem Fall sehr teuer und bleibt privilegierten Eltern vorbehalten. Ich wehre mich gegen dieses grosse Geschäft mit der Fruchtbarkeit. Mit einem Nein verhelfen wir etwas später dem gemässigten Vorschlag des Bundesrates zum Durchbruch. Ich stimme deshalb am 5. Juni mit Überzeugung Nein zum verkommerzialisierten Fortpflanzungsmedizingesetz.
Martina Munz; Nationalrätin Hallau
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