Ägypten steht vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die Lage ist so angespannt, dass eine Machtübernahme des Militärs nicht länger als Bedrohung, sondern als einzige Hoffnung gesehen wird, das Land vor einem wirtschaftlichen Kollaps zu bewahren. Ein amerikanischer Marineverband mit sechs Kriegsschiffen und einem Hubschrauberträger ist in den Suezkanal eingelaufen.
Große, grundlegende Wirtschaftsbereiche Ägyptens sind durch sich ausbreitende Streiks und Arbeiterunruhen lahmgelegt. Quellen berichten, es fahren keine Züge mehr, da die Mitarbeiter des Eisenbahnbetriebes in einen Generalstreik getreten seien. Darüber hinaus wurden die Autobahnen durch Demonstranten verbarrikadiert. Die Lebensader des Landes, die 1.000 Kilometer zwischen Kairo und Assuan entlang des Nils verläuft, war gestern den ganzen Tag gesperrt, ohne dass Armee oder Sicherheitskräfte bereit oder in der Lage gewesen wären, sie wieder für den Verkehr zu öffnen.
Die durch Demonstranten blockierten Straßen Kairos machen die Anlieferung von Waren an Läden und Märkte unmöglich. Aufgrund der Unruhen könnte es in ägyptischen Städten zu Lebensmittelengpässen kommen.
Die Arbeiter der großen Industriekomplexe haben die Anlagen heruntergefahren, und die Zollbeamten kassieren keine Kanalgebühren mehr von den rund 50 Schiffen, die täglich den Suezkanal passieren. Die Kanalgebühren machen mit etwa 3 Mrd. Dollar jährlich den Großteil an Ägyptens Staatseinnahmen aus. Über eine Million Touristen haben seit Beginn der Proteste das Land verlassen. Dies führt ebenfalls zu schweren Einnahmeverlusten. Die Schulen bleiben geschlossen, nachdem die Lehrer erklärt hatten, erst wieder zu unterrichten, wenn Mubarak zurückgetreten sei.
Der amtierende Außenminister Ahmed Abul Gheit erklärte, nur ein Eingreifen der Armee könne die Lage jetzt noch retten. Er wies die amerikanischen Forderungen nach einer umgehenden Aufhebung des Ausnahmezustands zurück und warf Washington vor, zu versuchen, Kairo seinen Willen aufzuzwingen; die amerikanischen Ratschläge seien »wenig hilfreich«.
Eine hochrangige amerikanische Quelle aus Washington erklärte, die Lage in Ägypten sei so angespannt, dass eine Machtübernahme des Militärs nicht länger als Bedrohung, sondern als einzige Hoffnung gesehen werde, Ägypten vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. In diesem kritischen Moment, so hieß es, »scheint die ägyptische Armee der einzige Faktor zu sein, der Ägypten retten kann«.
Damit steigt die Gefahr eines Militärputsches, mit dem das Land vor anarchistischen Zuständen geschützt werden soll, auf einen neuen Höhepunkt. Vizepräsident Omar Suleiman erklärte vor ägyptischen Verlegern, es bestehe derzeit nur die Wahl zwischen einer weiteren Ausdehnung der Gesetzlosigkeit oder einer Machtübernahme des Militärs in Kairo.
Das Eintreffen einer amerikanischen Marinekampfgruppe (ESG) mit Luftunterstützung im Großen Bittersee im südlichen Teil des Suezkanals deutet darauf hin, dass die Krise zunehmend außer Kontrolle gerät. Militärquellen berichten, die amerikanische Kampfgruppe bestehe aus dem amphibischen Angriffsschiff USS Kearsarge (Hubschrauberträger und Landungsschiff, Wasp-Klasse) mit sechs Kriegsschiffen. An Bord befinden sich Hubschrauber, mit denen die 2.200 Marineinfanteristen der 26. Marine Expeditionary Unit transportiert werden können. Die Einheit soll kurzfristig noch um zwei Bataillone Spezialkräfte aufgestockt werden. Zu der Marinekampfgruppe gehört auch das »Stealth«-Unterseeboot USS Scranton, das zur Unterstützung von Kommandoaktionen der Spezialkräfte eingesetzt werden soll.
Die amerikanischen Militärkräfte haben an einem strategisch wichtigen Punkt, in der Nähe der Stadt Ismailia (120 Kilometer von Kairo entfernt) zwischen dem Westufer des Suezkanals und dem an die Sinai-Halbinsel grenzenden Ostufer, Position bezogen. Sie steht dort zum sofortigen Einsatz bereit, sollte die Durchfahrt durch den Suezkanal bedroht werden. Durch den Suezkanal werden 40 Prozent des weltweiten Seegüterverkehrs abgewickelt.
Quelle: DEBKA