Bei der Herstellung von Trockenwürsten kommen Bakterienkulturen zum Einsatz. Viele der dabei verwendeten Mikroorganismen tragen allerdings unerwünschte Antibiotikaresistenzen. Forschende der ETH Zürich haben nun geeignete resistenzfreie Bakterien entdeckt. Ein grosser Salamihersteller verwendet sie bereits.

Fabio Bergamin

Aus traditionell hergestellten Wildschweinwürsten (sowie aus Würsten aus Hirsch- und Rehfleisch) gewannen ETH-Forscher neue Bakterienkulturen, die keine Antibiotikaresistenz-Gene enthalten (Symbolbild). (Bild: Fotolia)
Aus traditionell hergestellten Wildschweinwürsten
(sowie aus Würsten aus Hirsch- und Rehfleisch)
gewannen ETH-Forscher neue Bakterienkulturen,
die keine Antibiotikaresistenz-Gene enthalten
(Symbolbild: Fotolia)

Nicht nur Joghurt und Käse, sondern auch Trockenwürste enthalten Bakterien. So wird Salami erst durch den Reifungsprozess und die Stoffwechseltätigkeit dieser Mikroorganismen zu dem, was er ist: eine haltbare und aromatische Wurst. Allerdings sind viele der heute in der industriellen Produktion verwendeten Bakterien resistent gegen Antibiotika. Und weil Bakterien solche Resistenzen an andere Bakterien weitergeben können, auch im menschlichen Darm, sind resistente Bakterien in Nahrungsmitteln ein potenzielles Problem für die Medizin: Wenn die Resistenzen in krankmachende Mikroorganismen gelangen, verlieren Antibiotika dort ihre Wirksamkeit.

Leo Meile, Professor am Labor für Lebensmittelbiotechnologie, machte sich daher mit seinem Team auf die Suche nach resistenzfreien Bakterien, die für die Trockenwurstherstellung geeignet sind. In abgelegenen Schweizer Kleinstmetzgereien, die ausschliesslich auf traditionelle Weise Fleisch von Wildtieren verwursten, sind sie fündig geworden. Aus deren Trockenwürsten konnte die ETH-Doktorandin Esther Marty mehrere Stämme erwünschter Staphylokokken ohne Antibiotikaresistenzen gewinnen.

Denn obschon bei der traditionellen Salamiproduktion im Gegensatz zur industriellen Bakterien nicht bewusst zum Fleisch gegeben werden, sind auch dort welche im Spiel. Sie gelangen unkontrolliert über das rohe Fleisch in die Wurst. Anschliessende Tests der Wissenschaftler ergaben, dass einige der resistenzfreien Stämme hervorragend geeignet sind für die Salamiherstellung: Sie sorgen für Aroma, sind gesundheitlich unbedenklich, vermehren sich im Salami gut und können sich gegen andere Bakterien durchsetzen.

Resistente Bakterien auch in Wildsalami

Zusätzlich zu den gesuchten Bakterien ohne Resistenzen haben die ETH-Forscher in den Hirsch-, Reh- und Wildschwein-Würsten aus den traditionellen Wurstereien aber auch resistente Keime gefunden. Dies hat die Wissenschaftler überrascht. Denn sie sind einerseits davon ausgegangen, dass die resistenten Bakterien ihren Ursprung in der Landwirtschaft haben, wo zur Behandlung von Tierkrankheiten Antibiotika eingesetzt werden. Und andererseits, dass sich unter Wildtieren, die nicht mit Antibiotika behandelt werden, keine solchen Resistenzen verbreiten können.

Dass sie auch in Würsten von Wildtieren resistente Bakterien gefunden haben, erklären sich die Forscher vor allem damit, dass Wildtiere womöglich weniger abgeschieden leben, als das gemeinhin angenommen wird. «Wildtiere können beispielsweise auf Weiden und anderen Aufenthaltsorten Kontakt zu behandelten Nutztieren und deren Ausscheidungen haben», sagt Meile. Dabei könnten möglicherweise resistente Bakterien übertragen werden.

Neue Bakterien bereits im Einsatz

Der am besten für die Produktion geeignete neue antibiotikaresistenzfreie Bakterienstamm kommt bereits in der Industrie zum Einsatz: Ein Schweizer Fleischverarbeiter, der am Forschungsprojekt beteiligt war, stellt damit heute Salami her. Die meisten anderen Hersteller produzieren allerdings noch immer mit den herkömmlichen antibiotikaresistenten Stämmen.

Meile würde auch da einen Wechsel auf die neuen, unproblematischen Bakterien begrüssen. «Obschon es nicht akut gefährlich und nicht direkt krankmachend ist, mit resistenten Bakterien hergestellte Lebensmittel zu essen, ist es heute nicht mehr angesagt, diese Bakterien weiterhin zu verwenden – zumal wir nun alternative Kulturen haben», sagt er. Denn in einem Salami seien Millionen von lebenden Bakterien enthalten. Wenn mit dem Verzehr von Wurst millionenfach Antibiotika-Resistenzgene in unseren Körper gelangten, steige die Wahrscheinlichkeit, dass diese in unserem Darm auf Krankheitskeime übertragen würden.

Zweierlei Bakterien machen den Salami zum Salami

In der Herstellung von Salami, Salsiz und Landjägern kommen zwei verschiedene Bakteriengruppen zum Einsatz: Milchsäurebakterien und spezielle «Starter-Staphylokokken». In der industriellen Produktion werden Bakterien dieser beiden Gruppen gezielt als sogenannte Starterkulturen beigegeben. Und auch in der traditionellen Herstellung, die auf der «spontanen Fermentation» beruht, sind meist beide Bakteriengruppen in der Wurst enthalten. Sie gelangen bei der Herstellung unkontrolliert von der Haut oder dem Darm des Tieres oder aus der Umgebung ins Fleisch und damit in die Wurst.

Während der Salamireifung produzieren Milchsäurebakterien Milchsäure und machen so den Salami leicht sauer. Dies ist einerseits geschmacklich erwünscht, andererseits macht es die Wurst haltbarer: In einer sauren Umgebung wachsen weniger unerwünschte Keime. Auch tragen die Milchsäurebakterien dazu bei, dass ein Salami während der Reifung eine feste Konsistenz erhält. Die zweite eingesetzte Bakteriengattung, die speziellen Starter-Staphylokokken, wandeln mit ihren Enzymen die Fleischproteine und das Fett in verschiedene Aromen um. Zudem stellen sie aus Nitrat, das bei der Herstellung in Form von Pökelsalz beigemischt wird, Nitrit her. Dieses sorgt dafür, dass die Wurst rot bleibt und während der Reifung nicht braun wird, und es verhindert ebenfalls das Wachstum unerwünschter Keime.

 

Literaturhinweis

Marty E, Bodenmann C, Buchs J, Hadorn R, Eugster-Meier E, Lacroix C, Meile L: Prevalence of antibiotic resistance in coagulase-negative staphylococci from spontaneously fermented meat products and safety assessment for new starters. International Journal of Food Microbiology, 2012, 159: 74-83, DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2012.07.025


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