Die Folter durch die CIA unter Präsident George W. Bush dürfe nicht ungestraft bleiben, forderten mehrere Organisationen. Die Furcht der USA vor Anschlägen rund um den Globus stieg.

Nach der Veröffentlichung des Berichts über die Foltermethoden des US-Geheimdienstes CIA haben die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen strafrechtliche Konsequenzen verlangt. Das US-Justizministerium winkt aber ab.

Die Verantwortlichen für die «kriminelle Verschwörung» müssten zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte der UNO-Sonderberichterstatter für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson, am Dienstag.

Der Bericht bestätige die Vermutungen der internationalen Gemeinschaft, dass in der Regierung des früheren US-Präsidenten George W. Bush auf hoher Ebene «systematische Verbrechen und grobe Verletzungen der internationalen Menschenrechtsgesetze» begangen worden seien.

Handeln Obamas gefordert

Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) nannte den Bericht «schockierend» und forderte von US-Präsident Barack Obama die Einsetzung eines Sonderermittlers.

«Wenn es ausreichende Beweise für kriminelles Verhalten gibt, sollten die Übeltäter bestraft werden», erklärte ACLU-Chef Anthony Romero. Es sei «unmöglich», den Bericht zu lesen, ohne sich über die «schrecklichen Verbrechen» unter der Bush-Regierung zu empören.

Folter soll keine Option für Präsidenten sein

Auch Amnesty International forderte eine Strafverfolgung. Die CIA habe mit der Verschleppung und der brutalen Befragung von Terrorverdächtigen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 «vom ersten Tag an» illegal gehandelt, sagte der US-Chef der Menschenrechtsorganisation, Steven Hawkins.

Human Rights Watch warnte, dass sich Geschichte ohne eine juristische Aufarbeitung wiederholen könnte: «Wenn dieser wichtige Prozess des Aussprechens der Wahrheit nicht zu einer Strafverfolgung der verantwortlichen Offiziellen führt, wird Folter für künftige Präsidenten eine Politikoption bleiben.»

Anklagen in den USA sind allerdings unwahrscheinlich. Das Justizministerium in Washington hatte nach Obamas Amtsantritt Anfang 2009 bereits die Foltervorwürfe gegen die CIA und Mitglieder der Bush-Regierung untersucht, ohne dass jemand vor Gericht gestellt wurde. Das Ministerium erklärte am Dienstag, die Ermittler hätten bei der Lektüre des Berichts «keine neuen Informationen» gefunden.

Obama: «Brutal» und «falsch»

Die von einem Senatsbericht offengelegten CIA-Verhörmethoden nach dem 11. September 2001 haben in den USA Kritik von oberster Stelle und die Sorge vor antiamerikanischen Reaktionen im Ausland hervorgerufen. US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Taktiken nach der Veröffentlichung des Reports am Dienstag als «brutal», «falsch», «kontraproduktiv» und «konstituierte Folter». Der Bericht entkräftigte das Hauptargument der Befürworter, wonach die grausamen Methoden geholfen hätten, Terroranschläge auf US-Einrichtungen zu verhindern.

Durch die Veröffentlichung der Ermittlungen sei zumindest ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan worden, weil durch ihn sichergestellt würde, dass sich ein solches Szenario nicht wiederholen werde, sagte Obama. Das Verhörprogramm sei zu hastig und ohne ausreichende Überlegungen über potenzielle Konsequenzen ins Leben gerufen worden. «Eine der Dinge, in denen wir uns von anderen Ländern abheben, ist, dass wir Fehler zugeben, wenn wir sie gemacht haben», sagte Obama am Dienstag in einem Interview mit dem spanischsprachigen TV-Netzwerk Telemundo.

Furcht vor Anschlägen

Nach dem Bericht über Folter durch den US-Geheimdienst CIA an Terrorverdächtigen richten sich die Blicke auf die islamische Welt. Aus Furcht vor Übergriffen haben die USA ihre Sicherheitsvorkehrungen vor allem im Nahen Osten verstärkt.

Nach Angaben des TV-Senders CNN warnten auch die Bundespolizei FBI und das Ministerium für Innere Sicherheit vor möglichen Anschlägen. Die US-Regierung hat daher den Schutz vieler Botschaften und Militäreinrichtungen im Ausland verstärkt. Vor allem im Nahen Osten herrschte erhöhte Alarmbereitschaft.

Ex-CIA-Agenten widersprechen

Eine Gruppierung früherer CIA-Agenten schaltete derweil als Reaktion auf den Senatsbericht eigens die Internetseite CIASavedLives.com (Die CIA hat Leben gerettet) auf. Sie wehrt sich darin etwa gegen die Behauptung im Bericht, das Programm sei wenig wirksam gewesen.

Mit dem CIA-Programm hätten nicht nur ranghohe Anführer des Terrornetzwerks al-Qaida gefangen genommen werden können, hiess es auf der Seite. Es habe auch dabei geholfen, Terrorchef «Osama bin Laden zu finden».

Fehler und Mängel in der Anfangsphase der «harschen Verhörmethoden» räumte dagegen CIA-Chef John Brennan ein. Die Agenten seien damals nicht genügend auf ihre Arbeit vorbereitet gewesen. Es treffe aber nicht zu, dass die CIA die Regierung über ihr Vorgehen getäuscht habe. Dieser Vorwurf richtet der Bericht an die CIA.

«Vernichtender Bericht»

Der Bericht des US-Geheimdienstes kommt zum Schluss, dass die Verhörmethoden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 brutaler als bisher bekannt waren. Zugleich seien sie wirkungslos gewesen und hätten keine entscheidenden Erkenntnisse geliefert.

Die «New York Times» sprach von einem «vernichtenden Bericht». Die schwersten Vorwürfe: In «geheimen Gefängnissen» wurden Häftlinge bis zur Bewusstlosigkeit gequält, bis zu 180 Stunden lang wach gehalten und beim «Waterboarding» beinahe ertränkt.

Weitere Grausamkeiten: Schein-Hinrichtungen, «russisches Roulette», rektale Ernährung oder rektale Rehydration von Hungerstreikenden ohne medizinische Notwendigkeit. Anderen Gefangenen wurde gesagt, sie kämen niemals lebend aus der Haft.

«Die Verhöre von CIA-Gefangenen waren brutal und viel schlimmer» als bisher bekannt, heisst es in den Kernaussagen des insgesamt über 6000 Seiten langen Berichts. Die CIA soll zudem den damaligen Präsidenten George W. Bush über das volle Ausmass im Dunkeln gelassen haben.

«Beschmutzung unserer Werte»

Dianne Feinstein, die Vorsitzende im Geheimdienstausschuss im Senat, sprach in einem persönlichen Vorwort, ausdrücklich von «Folter». Es handle sich um eine «Beschmutzung unserer Werte».

Obama meinte, die Methoden – die er nach seinem Amtsantritt 2009 untersagte – hätten dem Ansehen Amerikas in der Welt geschadet. Er versprach, er werde alles in seiner Macht tun, damit solche Verhörmethoden nie mehr angewendet werden.


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