Daß sich die führende Großmacht von einem aufstrebenden Rivalen herausgefordert fühlt und daß daraus Konflikte resultieren, ist ein bekanntes geschichtliches Phänomen. Man denke nur an das deutsch-britische Verhältnis zu Beginn des letzten Jahrhunderts und an den Kriegsausbruch 1914.

Zugegeben, in einem ähnlichen Ausmaß haben sich die amerikanisch-chinesischen Beziehungen bislang nicht verschlechtert. Dafür ist die chinesische Diplomatie zu behutsam und die amerikanische Abhängigkeit vom chinesischen Gläubiger zu groß. Seit Jahren exportiert China billige Waren nach Amerika, erhält dafür statt realer Gegenwerte US-Dollars und investiert diese (darauf legt Washington größten Wert) größtenteils in US-Regierungsanleihen und andere amerikanische Schuldpapiere. So schwollen die chinesischen Devisenreserven auf über zwei Billionen Dollar an – ein Weltrekord.

Neuerdings mißfällt den Chinesen dieser Deal. Sie haben begriffen, daß sie im Zuge der kommenden Dollarabwertung teilenteignet werden sollen. Also suchen sie nach Alternativen. Erstens werden die Goldreserven heimlich und graduell aufgestockt, und Hongkong hat begonnen, seine Goldreserven, die bisher bei der Bank von England lagen, zu repatriieren. Zweitens wurden in diesem Jahr Rohstoffe, vor allem Kupfer, am Weltmarkt aufgekauft und auf Lager genommen. Drittens investiert China in Afrika und, wo immer es machbar ist, in westliche Rohstoffkonzerne. Viertens ist beabsichtigt, für bis zu 50 Milliarden Dollar Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds zu erwerben – eine besonders elegante Methode, unerwünschte Dollars loszuwerden. Und fünftens wird wohl auch der Euro- und Yen-Anteil an den chinesischen Devisenreserven nach und nach erhöht werden.

Peking rüstet militärisch auf und stellt den Weltreservestatus des Dollars offen in Frage. Wenn man bedenkt, daß die chinesische Volkswirtschaft – laut Goldman Sachs – die amerikanische bereits 2027 eingeholt haben dürfte, ergibt sich aus der zunehmenden finanziellen, wirtschaftlichen und militärischen Potenz des Reichs der Mitte genug Konfliktpotential. Es sei denn, Amerika macht dem Rivalen großzügig Platz. Dem steht jedoch die imperiale Mentalität der amerikanischen Führungseliten entgegen. An die Adresse deutscher Investoren ist es kein schlechter Rat, vorzugsweise das zu kaufen, was China kauft und das abzustoßen, was China loswerden möchte.

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes Gold & Money Intelligence.


© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/09 11. September 2009