Dieser Heliumballon soll im Pilot-
versuch einen ein Kilometer langen
Schlauch halten.
Das britische SPICE-Projekt will mit kilometerlangen Schläuchen Aerosole in die Höhe transportieren, um die Atmosphäre abzukühlen und so den Klimawandel zu dämpfen.
Im Kampf gegen den zunehmenden Treibhauseffekt scheinen der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Britische Forscher wollen über bis zu 20 Kilometer lange Schläuche, die an Heliumballons hängen, Aerosole in die Stratosphäre pumpen. Die Schwebeteilchen sollen dort Strahlung absorbieren, um die Luftmassen darunter abzukühlen – daher der Name SPICE für „Stratospheric Particle Injection for Climate Engineering“. Ein Pilotversuch soll demnächst auf einer Militärbasis an der Ostküste von England stattfinden.
SPICE versucht so auf künstlichem Wege den Effekt nachzuahmen, den Ascheteilchen nach Vulkanausbrüchen haben. Laut einer Berechnung des britischen Wetterdienstes würden zehn Millionen Tonnen Sulfid-Teilchen jährlich genügen, um die Durchschnittstemperatur der Stratosphäre innerhalb weniger Jahre um zwei Grad Celsius abzukühlen.
Eine Studie der Royal Society war 2009 zu dem Schluss gekommen, dass dieses Verfahren billiger und effektiver wäre als andere Geoengineering-Methoden, darunter das Düngen von Ozeanen durch Eisenspäne oder das Entfernen von CO2 aus der Luft.
Im Prinzip könnten Aerosole auch mittels Flugzeugen oder Raketen in die Atmosphäre ausgebracht werden. „Mit Flugzeugen oder Raketen ist das 100 bis 1000 Mal teurer als mit einem Schlauch und einem Ballon“, sagt Hugh Hunt von der University of Cambridge, der am SPICE-Projekt beteiligt ist. „In 20 Kilometern Höhe hat ein Flugzeug eine Nutzlast von ein, zwei Tonnen. Man müsste also bis zu zehn Millionen Mal in die Stratosphäre fliegen und würde dabei rund ein Prozent der jährlichen weltweiten Erdölproduktion verbrennen.“
Im Pilotversuch sollen erst einmal stündlich 100 Kilogramm Wasser in einen Kilometer Höhe gepumpt werden. Im richtigen Betrieb würden später an 64 Orten der Erde Ballon-gehaltene Schläuche installiert, durch die man fünf Kilogramm Schwefeldioxid pro Sekunde in die Höhe blasen würde. Aufs Jahr gerechnet ergäbe dies eine Menge von 160.000 Tonnen. Um einen der 30 Tonnen schweren Schläuch zu halten, wäre ein Ballon mit einem Durchmesser von 100 Metern nötig – etwas größer als der bislang größte gebaute Ballon.
Doch ist nicht das Ausmaß an sich das Problem, sondern die Konstruktion des Schlauchs. Seine Wand müsste so belastbar sein, dass sie einem Druck von 4000 bis 6000 bar standhalten würde. „Aber wie stellen Sie so einen Schlauch her, an dem die Winde des Jet Streams zerren?“, fragt sich Justin McClellan, Luftfahrtingenieur bei Aurora Flight Sciences. „Das Bohrgestänge einer Bohrinsel muss 2000 bar aushalten, wobei die Wand knapp einen Zentimeter dick ist.“ Ein Schlauch von einem Kilometer Länge sei zwar machbar. „Aber wenn Sie die Anforderungen an eine 20-Kilometer-Leitung zusammennehmen, wird das ziemlich unrealistisch“, sagt McClellan.
Dass in dem Projekt Probleme „am Rande des Möglichen“ zu bewältigen seien, sieht auch Hunt so. Er ist aber zuversichtlich, dass sie sich innerhalb von fünf Jahren lösen ließen. Die komplette Installation mit 64 Schläuchen würde schätzungsweise fünf Milliarden Pfund (5,7 Mrd. €) kosten – pro Jahr.
David Keith, Ingenieur an der Harvard University, ist skeptisch. Die Kosten eines Verfahrens seien angesichts der zu erwartenden Folgen des Klimawandels nicht der entscheidende Punkt. „Deren Kosten liegen ungefähr bei einer Billion Dollar pro Jahr“, sagt Keith. Die Forschung müsse aber sicherstellen, dass der Eintrag von Schwefeldioxid in die Stratosphäre nicht nur effektiv, sondern mit minimalen Risiken verbunden sei. „SPICE wird das bislang plakativste Geoengineering-Projekt sein und die Öffentlichkeit polarisieren. Wissenschatlich oder ingenieurtechnisch ist es aber nicht besonders interessant.“