Eine neue australische Winzergeneration geht ihren eigenen Weg. Sie setzt auf biodynamische Anbaumethoden, Keramiktanks und Handarbeit

In der ansonsten so adretten und gepflegten Kulturlandschaft der Adelaide Hills wirkt Anton van Kloppers chaotisches Weingut wie aus einer anderen Welt. Gärbottiche stehen unter freiem Himmel, Barriquefässer kugeln herum, allerlei Gerümpel und Gerätschaft häuft sich rund um rostige Wellblechverschläge.

Das Staunen des Besuchers entgeht dem Winzer nicht. "Ich mache eben den saubersten Wein Australiens im dreckigsten Weingut Australiens", sagt van Klopper und lächelt zufrieden. Damit meint der gebürtige Südafrikaner, dass sein Wein frei ist von so gut wie allen Zusatzstoffen. Schwefel beispielsweise, um den Wein haltbar zu machen, verwendete er schon bisher nur in sehr geringen Maßen.

Anton van Klopper
Er macht den saubersten Wein Australiens auf dem dreckigsten Weingut Australiens: Anton van Klopper neben einem eiförmigen Keramik-Fermentationstank, einer Erfindung der Aussies. (Foto: Georges Desrues)

Ab dem heurigen Jahrgang verzichtet er gänzlich darauf. Darum bringt er seine Weine wegen der kühleren Temperaturen in der Regel erst im australischen Winter auf den Markt. "Manchmal kann der Verzicht auf Schwefel schon zum Risiko werden. Man lernt schnell, sehr genau darauf zu achten, zu welchem Zeitpunkt die Weine in den Handel kommen", sagt van Klopper.


Van Kloppers chaotisches Weingut passt so gar nicht in die aufgeräumte Landschaft.(Foto: Georges Desrues)

Es tut sich was im Land

Vor allem in der europäischen Wahrnehmung gilt Australien in Sachen Weinbau als das Industrie- und Technologieland schlechthin. Bekannt war es jahrelang für die Massenerzeugung von genauso fruchtigen wie charakterlosen Supermarktweinen und einigen wenigen Anlageobjekten in der allerhöchsten Preiskategorie wie dem mythischen Penfold's Grange, der häufig als der teuerste Syrah der Welt präsentiert wird. Doch schon seit einiger Zeit tut sich was in dem Land.

"Hätten mich die Leute des dänischen Spitzenrestaurants Noma vor fünf Jahren gefragt, ob ich ihnen helfen könnte, mindestens zwölf Weine von alternativ und naturnah arbeitenden australischen Weingütern zu finden, hätte ich geantwortet, dass sie das vergessen können", sagt Tom Shobbrook, ein weiterer Vertreter dieser neuen australischen Winzergeneration.

Inzwischen ist es allerdings sehr wohl machbar. Und so servierte das Team vom Noma in seinem für zehn Wochen geöffneten Pop-up-Restaurant in Sydney ausschließlich einheimische und naturnahe Weine als Begleitung zu seinem zwölfgängigen Menü, darunter jene von Shobbrook, von Anton van Klopper oder auch James Erskine.


Tom Shobbrook, ein weiterer Vertreter der neuen australischen Winzergeneration. (Foto: Georges Desrues)

Spontan gegärt

Alle drei Weinmacher schwören auf biodynamische Anbaumethoden, auf Handarbeit, auf Spontangärung und eben auf geringstmögliche Zusätze, selbst wenn Shobbrook bisher noch nicht alle seine Weine gänzlich ohne Schwefel erzeugt. "Da bin ich einfach noch nicht so weit wie Anton", sagt er, "hier im Barossa-Tal haben wir aber auch nicht so ein ideales Mikroklima wie er in den Adelaide Hills, bei uns ist es doch noch um einiges wärmer und feuchter als dort.

Was die drei eint, ist ihre Vorliebe für neuartige eiförmige Keramik-Fermentationstanks, die hier in Australien erzeugt werden und an deren Entwicklung sie selbst beteiligt waren. "Keramik ist das ideale Material, um Weißweine zu fermentieren", betont Shobbrook, "es kommt aus der Erde, und seine feinporige Beschaffenheit erlaubt eine sehr sanfte Mikrooxidation." Und die kantenlose Eiform ermögliche eine hindernisfreie Zirkulation der Flüssigkeit, diese beiden Eigenschaften in Kombination sorgten dafür, dass die Weine extrem lange frisch bleiben.

Bemerkenswerte Weine

Sowohl Shobbrook als auch van Klopper erzeugen Weine, die sich unwissende Besucher aus der Alten Welt in Australien kaum erwarten würden. Die Weißen, wie etwa van Kloppers Gris Chardonnay, eine Cuvée aus Pinot gris und Chardonnay, mit zurückhaltender Frucht, ansprechender Säure und außerordentlicher Frische. Die Roten – wie Shobbrooks Syrah – fleischig und fruchtig, aber von großer Eleganz und mit einem würzigen Abgang, die ihn gänzlich abheben von jenen üppigen Weinen dieser Sorte, für die das Barossa-Tal ansonsten bekannt ist. Das alles, ohne die für sogenannte Naturweine typischen Oxidationsnoten, wie sie in unseren Breiten so häufig vorkommen.

In heimischen Fachkreisen hat sich der Ruf der australischen Winzer längst herumgesprochen. "Der australische Weinbau war lange Zeit technisch so versiert, dass eigentlich zu erwarten war, dass das Pendel irgendwann in die andere Richtung ausschlägt", sagt etwa Steve Breitzke, der Sommelier des Wiener Restaurants Le Loft, "die Weine dieser drei Winzer sind jedenfalls bemerkenswert.

In Österreich bemühen sich inzwischen mehrere Händler um den Import – so wie sie erhältlich sind, werde ich sie meinen Gästen anbieten." Beeindruckt zeigt sich auch der Kamptaler Winzer Alwin Jurtschitsch. "Was an den Australiern fasziniert, ist ihr lässiger und von Traditionen befreiter Umgang mit dem Weinbau", sagt der Winzer, der 2002 an einer konventionellen Ernte im Barossa-Tal teilnahm.

Und 2012 erneut, diesmal auf dem Weingut von James Erskine. "Wie sich in diesen zehn Jahren die Situation in dem Land verändert hatte, war erstaunlich", sagt er, "von den Australiern kann man lernen, dass es, um charakterstarke Weine zu machen, nicht auf Geld und Technologie ankommt, sondern auf starken Charakter und viel Leidenschaft." Und vielleicht auch auf das eine oder andere Keramikei. Von denen hat sich Jurtschitsch inzwischen nämlich welche ins Kamptal kommen lassen. (Georges Desrues, RONDO, 5.6.2016)


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